Vorbereitung auf die Zukunft

Gespräch mit dem Nanovordenker Eric Drexler

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Eric Drexler ist ein emphatischer Mann. Er möchte bleibenden Eindruck hinterlassen, und er möchte dies auf amüsante Weise tun. Beides gelingt ihm.

"Ja, gewaltige Veränderungen kommen auf uns zu!" sagt er, und spricht wie immer mit viel Verve: "Umwälzungen, die alles übertreffen werden, was die menschliche Geschichte bislang kannte."

Das Foresight Institute, eine gemeinnützigen Stiftung, der er seit über zehn Jahren vorsteht, will die Menschheit auf die heraufziehenden radikalen Veränderungen vorbereiten.

"Die Innovationsgeschwindigkeit hat sich beschleunigt, seit es Leben auf diesem Planeten gibt. Aber erst in den vergangenen zweihundert Jahren wurde das Tempo der Veränderung schnell genug, um von den Zeitgenossen wahrgenommen zu werden. Das hat die Sicherheit zerstört, in der sich statischere Gesellschaften wiegen konnten. Heute nun erleben wir eine erneute, radikale Beschleunigung. Die Welt ändert sich nicht mehr von Generation zu Generation, wir erleben Umwälzungen innerhalb individueller Lebenszeiten. Nicht erst unsere Kinder, jeder einzelne muß umlernen, und nicht einmal, sondern mehrfach im Leben. Und das Tempo beschleunigt sich noch. Die existentiellen Krisen eskalieren."

Eric Drexler lacht mit der Freude eines Kindes, das eine Dauerkarte für die Achterbahn gewonnen hat: "Wenige Gruppen, die ich kenne, nehmen diese Herausforderungen so ernst wie die Extropianer. Sie sind ungemein informiert, und sie denken genau in die richtige Richtung."

Wie er jemandem, der noch nie von den Extropianern gehört hat, erklären würde, wer oder was Max More und die Seinen seien?

"Nun, ich habe eine Katze. Sie darf nicht ins Haus. Aber manchmal nehme ich sie auf den Arm und folge mit meinen Bewegungen ihren Augen. Auf die Art und Weise kann man erkennen, wie ein Katzenweltbild aussieht. Alle Organismen nehmen unter der Perspektive wahr, was sie mit dem Wahrgenommenen für ihre Zwecke anfangen können. Die Katze ist im Nagetier-Verzehr-Business, also hält sie nach Ritzen und Spalten Ausschau, in denen sich Mäuse verstecken mögen. Gemälde oder das Fernsehprogramm zum Beispiel interessieren meine Katze nicht."

Und die Extropianer?

"Die meisten von ihnen sind im High-Tech-Bereich tätig. Sie arbeiten tagein, tagaus mit anderen Menschen zusammen, um sehr komplizierte Geräte oder Programme zu bauen. Dabei müssen sie sich bemühen, eine neue, gemeinsame Sprache zu entwickeln, in der sie sich untereinander über das Verhalten dieser interagierenden Elemente verständigen können: Kommunikationsmuster im Internet oder Prozesse innerhalb von Rechnerarchitekturen, die sich in Ressourcen teilen. Diese Leute entwickeln also seit Jahren eine komplett neue Begrifflichkeit, um prozessuale Abläufe und interaktives Verhalten zu beschreiben. Und irgendwann haben sie entdeckt, daß ihre Sprache auch eine große Aussagekraft für Ereignisse besitzt, die außerhalb von Maschinen im wörtlichen Sinne ablaufen."

Mal handle es sich dabei lediglich um metaphorische Relationen, mal durchaus um die Erkenntnis von Prinzipien, die anderen, traditionelleren Blicken verborgen blieben.

"Ich glaube, daß es sehr hilfreich ist, über die Welt, über Kultur und Politik in Kriterien nachzudenken, die sich in der Arbeit mit entwickelter Soft- und Hardware gebildet haben", sagt Drexler. "Und ich bin sicher, wenn man in ein paar Jahrzehnten zurückblickt, wird man erkennen, daß die Extropianer eine Hauptrolle dabei gespielt haben, die Menschheit auf ein Leben vorzubereiten, das endlich lebenswert sein wird."

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