Vorlesungsbetrieb an Hochschulen und Universitäten in Zeiten der Corona-Krise
Vorschlag für einen gangbaren Weg
Wir blicken zurück auf ein Semester mit (fast) ausschließlich Online-Präsenz-Veranstaltungen. Für viele Studierende bedeutete dies eine enorme Belastung. Es scheint sehr viel schwieriger zu sein, über längere Strecken zuzuhören, wenn man statt in einem Vorlesungssaal zu Hause sitzt, wo es viele Ablenkungen gibt, wo es niemand merkt, wenn man entweder gar nicht einschaltet oder z.B. nebenbei am Computer daddelt.
Eine feste, zeitlich verbindliche Vorlesung, in der man seine Freunde physisch trifft, hinterher kurz nochmal über den Stoff reden kann oder einfach nur in die Mensa geht, scheint dem Lernprozess gut zu tun. Auch für Dozierende ist es wichtig, die Studierenden live zu sehen: Wenn die Blicke im Saal ratlos werden, muss man die Sache nochmal anders erklären. Zu Hause am eigenen Schreibtisch kann man die Mimik der Studierenden nicht sehen und viel schlechter einschätzen, ob etwas verstanden wurde.
Im Ergebnis ist dieses Semester wohl viel Stoff auf der Strecke geblieben, vieles wurde nicht oder nur oberflächlich verstanden. Studierenden fehlt die Anbindung an die Hochschule. Vermutlich wird auch hier die Schere aufgehen: die brillanten Studierenden werden damit schon irgendwie zurechtkommen, die schlechteren werden eher aufgeben.
Dennoch plant z.B. die bayerische Staatsregierung für nächstes Semester ein weitgehendes Online-Semester. Grund dafür ist die Sorge, dass Studierende sich mit Corona infizieren und das Virus an andere, stärker gefährdete Gruppen weitergeben könnten. Studierende selbst gehören, wenn sie nicht an massiven Vorerkrankungen leiden, nicht zur Corona-Risikogruppe. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beträgt der Anteil der Menschen zwischen 20 und 29 Jahren in Deutschland 11,78%. Ihr Anteil an den Corona-Toten beträgt dagegen nur 0,1%.
Lösungsvorschlag
Wie schon früher ausgeführt, sollten für Risikogruppen eigene Öffnungszeiten für Läden und Veranstaltungen im Bereich Kultur und Sport angeboten werden. Dort müssen strenge Abstandsgebote und Maskenpflicht eingehalten werden (Segmentierung als Weg aus der Corona-Krise).
Studierende müssten sich dann entscheiden, ob sie lieber zu Hause lernen oder ob sie an die Hochschule gehen wollen. Sollten sie sich für ihre Freunde, die Hochschule, Sport und Freizeit ohne Maske entscheiden, so müssten sie den Kontakt zu Menschen in der Risikogruppe weitgehend vermeiden. Das wäre für viele sicher sehr schade. Die Großmutter nur noch im Freien und mit viel Abstand treffen zu können, ist traurig. Nicht an die Hochschule gehen zu dürfen, ist aber auch ein extremer Einschnitt.
Studierende sollten hier eine Wahlfreiheit haben. So können auch Studierende mit massiven Vorerkrankungen weiterhin am Online-Vorlesungsbetrieb teilnehmen. Für solche, die sich für Online entscheiden, ändert sich gegenüber der heutigen Situation nichts. Diejenigen, die Präsenzveranstaltungen wählen, müssten dann Abstand zu hochbetagten Menschen oder solchen mit massiven Vorerkrankungen halten.
Professoren und Professorinnen kann ebenfalls eine Wahlmöglichkeit eingeräumt werden, wie sie unterrichten wollen. Für diejenigen, die bei Online-Unterricht bleiben, ändert sich nichts, diejenigen, die gerne in Präsenz unterrichten wollen, können dies tun. Auch hier wäre dann natürlich erhöhte Vorsicht gegenüber der Elterngeneration angesagt.
Da es derzeit keine Möglichkeit gibt, das Virus aus Deutschland zu vertreiben, und es auch nicht absehbar ist, wann und ob es einen Impfstoff geben wird, brauchen wir Maßnahmen, mit denen wir trotz Virus einen langfristig gangbaren Weg für unsere Gesellschaft finden.
Prof. Dr. Sylvia Kreiß lehrt Finanzierung an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der FHWS Würzburg.