Vorsicht fressen Laptop auf

Im deutschen Luftraum ist die Verwendung von Handys und Laptops verpönt, aber das ist eine "Standortfrage".

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Während die internationalen Fluggesellschaften ihre Jets für Computer-Nutzung aufrüsten und dem Vielflieger auch das Internet über den Wolken bald nicht mehr verschlossen sein dürfte, beschloß die Bundesregierung jüngst ein Gesetz, das den Gebrauch von Laptops im deutschen Luftraum unter Gefängnisstrafe stellt. Recht so, lobt Gundolf S. Freyermuth und tritt für noch ganz andere Verbote ein.

Don Crabb, schwergewichtiger Computerjournalist, brachte sich und Dutzende anderer Menschen in Lebensgefahr. Doch niemand warnte ihn, niemand hielt ihn zurück und niemand strafte ihn nach vollendeter Tat. Denn der Arme ist Amerikaner und daher außer Reichweite der züchtigend-schützenden Hand des Großen Bruders aus Bonn. So konnte es geschehen, daß Crabb eines Sommermorgens Anno 1997 in San José, der Hauptstadt von Silicon Valley, die Maschine einer großen US-Fluggesellschaft bestieg und, kaum daß die Reiseflughöhe erreicht war, seinen Laptop einschaltete - und damit eine Straftat beging, die im deutschen Luftraum künftig mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden soll.

Die Maschine allerdings stürzte nicht ab - wie übrigens an diesem Tag weltweit die meisten, um nicht zu sagen: alle Flugzeuge nicht abstürzten, in denen Laptops eingeschaltet wurden.

Noch mal Schwein gehabt, wie? Vielleicht, weil bislang nur eine kleine Anzahl Verrückter diesem funkelnagelneuen Syndrom aus Laptop-Liebe und Arbeitswut verfallen ist?

Normale Menschen nämlich - und als das Maß dieser Normalität darf sich zurecht der durchschnittliche Bonner Politiker wähnen - tun sowas nicht. Weder reisen die mit Laptops noch arbeiten sie im Flugzeug, wo's da doch gratis geistige Getränke gibt.

Jene sichere Katastrophe, die dem deutschen Gesetzgeber vor Augen schwebt: Vielleicht träte sie aber doch ein, wenn man den Anfängen der Laptop-Mania nicht per Strafandrohung wehrte und am Ende - Kant läßt grüßen - alle das und dies mit dem Laptop täten?

Don Crabb, der ahnungslose Ami, stand auf. "Ich machte meine übliche Wanderung durch den Gang, die eingeschalteten Laptops zählend", beschreibt er im Computerblatt MacWeek sein nach den neuen deutschen Maßstäben illegales Abenteuer: "47. Von rund 130 Passagieren auf diesem ausgebuchten Flug arbeiteten also über ein Drittel an Notebook-Computern."

Nun kann man dem suizidalen Don Crabb und seiner mitreisenden Täter-Opfer-Gemeinschaft aus ihrer Unkenntnis kaum einen Vorwurf machen. Schuld tragen nämlich allein die amerikanischen Medien. Ihre Aufgabe wäre es, die unmündigen Verbraucher vor dieser neuen tödlichen Laptop-Gefahr zu warnen! Und falls sie nicht wissen, wie man das macht, könnten sie sich ein Beispiel am Vorbild der deutschen Presse nehmen.

Die nämlich propagierte weitgehend widerspruchslos, was höheren Orts zum Wohle der laptopabhängigen Menschheit beschlossen wurde. Selbst die notorisch aufmüpfige "taz" stand in der Stunde dieser Gefahr hinter Kohl und seinen versierten Verbietern, gewissermaßen wie einE MannIn: "Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) bezeichnete die vom Kabinett beschlossenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes als Fortschritt auf dem Weg zu mehr Sicherheit im Luftverkehr."

Ende der Meldung und Ende der Fahnenstange. Laptop zuklappen, rühren.

Kaum zu glauben dagegen, wie verantwortungslos und gefahrenblind sich die US-Medien verhalten, nicht nur Computerzeitschriften und Online-verblendete Medien wie Wired News, von denen man wenig anderes erwarten konnte, nein auch seriöse Publikumszeitungen wie die "Los Angeles Times". Statt die bedrohlichen Erkenntnisse zu verbreiten, die man in Bonn und Umgebung gewonnen hat, berichten sie begeistert von der bevorstehenden Steigerung des Gefahrenpotentials.

Alle großen US-Fluglinien nämlich haben weitreichende Schritte angekündigt - nein, nicht um die Benutzung von Laptops zu verbieten, sondern um sie zu erleichtern. Man will den digitalen Manikern die Möglichkeit geben, den für ihre lästerliche Leidenschaft notwendigen Saft direkt aus den Kopfhörerbuchsen der Sitze zu ziehen.

Millionen von Dollars sind investiert, American Airlines und Delta Airlines sowie außerhalb der USA Canadian Airlines und Malaysia Airlines erproben bereits das EMPower System-In-Seat Power for Laptop Computers, das die bordeigene Stromversorgung zu den Passagiersitzen umleitet. Entwickelt wurde es von Primex Aerospace, einer Firma, die - natürlich - in Redmond, Washington residiert, in Microsoft-Land also. Und Xtend und Lind Electronics bieten bereits die für den Endverbraucher nötige babylonische Steckervielfalt an, und all diese Firmen tun das Verbotene zu allem Überfluß auch noch mit ausdrücklicher Genehmigung der Federal Aviation Administration (FAA, der amerikanischen Aufsichtsbehörde für den Flugverkehr.

Die bekam zwar im vergangenen November auch einen Bericht von der Radio Technical Commission for Aeronautics (RTCA), in dem vor gewissen Gefahren elektronischer Geräte gewarnt wird. Doch darum kümmert sich kaum einer der tonangebenden Zukunftsfetischisten. Die einzigen Bedenken, die man hierzulande ernst zu nehmen scheint, kreisen darum, wieviele beziehungsweise wie wenige Laptops der Bordstrom versorgen kann. 40 bis 60, heißt es, je nach Flugzeugtyp.

40 bis 60 potentiell tödliche Gefahrenquellen - das ist der Gegenwert von 80 bis 120 Jahren deutscher Gefängnishaft. Da müssen die Flieger doch wie Fliegen vom Himmel fallen!

Die FAA aber nimmt alle Warnungen auf die leichte Schulter, und die meisten US-Experten faseln uneinsichtig von unzähligen sicheren Flugstunden bei Laptopnutzung. John Wade, Primex' Marketing Manager, behauptet gar dreist, die Wahrscheinlichkeit, daß die Kleincomputer die Bordelektronik mal nachhaltig stören, sei so gering wie die, daß ein Mensch vom Blitz erschlagen werde.

Ja, und? Ist das denn keine Gefahr? Will denn niemand uns, die wir vogelfrei durch Amerika jetten, vor allem und jedem und vor allem vor jedem Restrisiko schützen? Muß erst etwas passieren, bis der Gesetzgeber sein Bestes gibt?

Apropos, und das als kleine Anregung nach Bonn: Kümmert sich bei euch mal jemand um die Gewittergefahr?

Wer sich der ohne Not aussetzt, gefährdet schließlich nicht nur sich selbst, sondern auch andere: die Familien, die einen Versorger verlieren und prompt dem Staat zur Last fallen, die Besatzungen der Notarztwagen, die bei Wind und Regen herbeieilen müssen, und nicht zuletzt den Fürsorgestaat selbst, dem vor der Zeit einer abhanden kommt, der sich sonst noch ein Weilchen bevormunden ließe.

In Anbetracht dieser weitreichenden Folgeschäden scheinen mir für leichtsinniges Spazierengehen bei Blitz und Donner bis zu zwei Jahre Gefängnis allemal angemessen. Wobei das Mitführen von Laptops sicher als strafverschärfend zu werten wäre.