Vorwahlen in Frankreich: Favorit Fillon will regieren wie Thatcher

Seite 2: Das Programm von Fillon: "Schock" in der Angebotspolitik

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Nun die schlechte Nachricht: Dieses Programm hat es in sich. Und es verspricht jedenfalls für die abhängig Beschäftigten, die einer Lohnarbeit oder einer Beschäftigung im Staatsdienst nachgehen, aber auch für Erwerbslose oder für in Frankreich lebende Migranten keine angenehme Zukunft.

Obwohl Fillon während seiner Regierungszeit 2007 bis 12 durch einen eher ruhigen Politikstil - gegenüber seinem ständig übernervösen, damaligen Vorgesetzten Sarkozy - hervorstach, hat er sich nun seinerseits für eine polarisierende Strategie entschieden. François Fillon erklärte in jüngster Zeit die vormalige britische Premierminister Margaret Thatcher zu seinem Vorbild.

Bisher zählte die "eiserne Lady" für französische Konservative eher nicht zu den politischen Leitbildern, da zum gaullistischen Erbe der Rechten in Frankreich auch ein gewisser Staatsinterventionismus in der wirtschaftlichen Sphäre zählt. Fillon stellt einen "Schock" im Sinne einer so genannten Angebotspolitik in Aussicht.

Unternehmen von so genannten Belastungen aller Art freimachen

Diese soll die Unternehmen von so genannten Belastungen aller Art freimachen, ihre Profitrate drastisch steigern und dadurch eine angebliche positive Spirale in der wirtschaftlichen Konjunktur in Gang setzen. Fillon möchte 500.000 Stellen für Staatsbedienstete wegsparen und zugleich die Arbeitszeit der verbleibenden Staatsangestellten von 35 auf 39 Stunden wöchentlich (ohne Überstunden einzurechnen) erhöhen. Und er will, vor allem, die derzeit geltende Regelarbeitszeit restlos abschaffen.

Diese beträgt zur Zeit theoretisch 35 Stunden pro Woche, wobei die wöchentliche Arbeitszeit vom Gesetz her nur als Durchschnitt in einem Ausgleichzeitsraum von drei Monaten (bei einseitiger Entscheidung durch den Arbeitgeber) bis zu drei Jahren (bei einer Vereinbarung mit Gewerkschaftsvertretern) erreicht werden muss. Längere Arbeitswochen sind also bereits heute absolut möglich.

Freies Aushandeln von Maximal-Arbeitszeiten von Branche zu Branche

Fillon will jedoch weitergehend und die theoretisch Norm schleifen. Stattdessen sollen Maximal-Arbeitszeiten von Branche zu Branche frei ausgehandelt werden. Als gesetzliche Schutzregel will Fillon nur die im EU-Recht verankerte 48-Stunden-Woche beibehalten. Ansonsten will er Verhandlungen, die von Unternehmen an Gewerkschaften vorbei und "direkt" mit Teilen des Personals geführt werden, gesetzlich erleichtern.

Statt Kollektivabkommen mit Gewerkschaften zu unterzeichnen, sollen Arbeitgeber - als gesetzlich gleichberechtigte Alternative - Urarbstimmungen in der Belegschaft durchführen lassen können. In einem Kontext, wo das allenthalben zu vernehmende Argument lauten wird: "... sonst sind Eure Arbeitsplätze flöten!", kann man sich das Ergebnis in vielen Fällen lebhaft vorstellen.

Verschärfungen im Ausländerrecht

Ansonsten will François Fillon Verschärfungen im Ausländerrecht vornehmen, aber das stellten ohnehin alle Mitbewerber bei der Vorwahl in Aussicht. Während die Mehrheit der andere Kandidaten und die Kandidatin eher Anzeichen zeigten, sich de facto mit der 2013 durch die sozialdemokratische Regierung eingeführten Homosexuellen-Ehe abzufinden (selbst Sarkozy erklärte, man könne schwerlich dahinter zurückfallen), will Fillon zumindest das mit ihr einhergehende Adoptionsrecht in Frage stellen.

Sein Programm gilt folgerichtig als gesellschaftspolitisch konservativ - freilich ohne die extremen Zuspitzungen des Rechtskatholiken Jean-Frédéric Poisson -, doch wirtschaftspolitisch lupenrein liberal.

Programmatisch liegen damit also relativ klare Alternativen auf dem Tisch. Was dies für die Gesellschaft in Zukunft real mitbringt, wird auf einem anderen Blatt stehen.