WM-Katar: Erste Schlappe für DFB-Team

Fifa-Verbot der "One Love"-Kapitänsbinde gegen Diskriminierung. Der mächtigste Verband der Welt scheitert mit seiner Symbolpolitik. Wie wird diese Niederlage nun verarbeitet?

Jetzt beginnt sie, die WM in Katar. Schlimm. Andererseits weitaus besser als das Turnier wie geplant auszurichten in:

- Mordor

- auf einem Todesstern

- am Esstisch von Hannibal Lecter.

Liveticker, 11freunde zum Eröffnungsspiel

Die Fußball-WM im entlegenen Emirat Katar entwickelt sich erstaunlich interessant. Die Politik rettet das Turnier vor der Langeweile. Noch bevor sie in einem Spiel überhaupt einen Schuss mit dem al-Rihla-Turnier-Ball abgegeben hat, muss die deutsche Mannschaft und der DFB schon eine Schlappe einstecken.

Katars Emir darf sich über einen Kantersieg freuen, während der DFB und die Spieler schon jetzt einen Satz des deutschen Gegenwartsphilosophen Sloterdijk zur Aufgabe haben:

"Die Kunst der stilvollen Niederlage ist das Wichtigste, was der Sport der Menschheit mitzuteilen hat."

Der DFB hat eine Machtdemonstration gegen die Fifa verloren und die DFB-Mannschaft eine Mutprobe. Kapitän Neuer wollte mit einem One-Love-Armband zum Startspiel des deutschen Teams auflaufen, die Fifa hat eine Strafe dafür angedroht. Die Folge: Man zieht nun ohne das Zeichen ins Feld.

Allerdings hatte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Sonntag im ZDF noch vollmundig angekündigt: "Wir bleiben dabei, dass wir mit der Binde auflaufen."

Auch Spieler hatten sich enthusiastisch für das Zeigen des Symbols ausgesprochen. Wer hat sie denn jetzt eigentlich zurückgepfiffen?

"Die Spieler haben Erwartungen gesteigert, die sie nicht erfüllen können", sagt Ex-Spieler und TV-Fußballfachmann Thomas Hitzelsberger. Für ihn ist deutlich, wer hier am längeren Hebel sitzt und diesen auch betätigt hat: die Ausrichter der WM, Katars Führung.

Vieles spricht dafür, dass die Herrscher über das Emirat, wie schon bei der Frage über Alkoholkonsum in Stadien und bestimmten Zonen, in letzter Minute ein Spektakel abgeblasen haben, von dem sie nicht wussten, ob sie dessen Auswirkungen noch kontrollieren können.

Das kommt nicht völlig überraschend.

Klare Politik bei Kataris, vage Symbolpolitik bei westlichen Verbänden

Die WM ist die große Weltbühne für das "kleine arabische Fürstentum", dessen Herrscher, so Sloterdijk, auch bei seriösen Vorhaben "Launen mit Gesetzesrang" haben. Im Fall des Armbandes kommt zur Laune hinzu, dass Homosexualität in Katar als Verbrechen gilt – und grundsätzlich wollte man sich hier auch nicht tolerant positionieren, wie ein Interview mit einem Verantwortlichen aus Katar, das kurz vor der WM veröffentlicht wurde, unmissverständlich klarmachte.

Gegenüber dieser harten Kante war die Botschaft des "Eine Liebe"-Armbandes nicht wirklich eindeutig, wie es der Guardian trefflich formuliert:

Auf Wiedersehen, liebes Eine-Liebe-Armband. Wir haben dich nie wirklich gekannt. Natürlich wussten wir auch nicht, wofür du eintrittst, LGBTQ+-Rechte, denken wir. Vielleicht auch ein bisschen Antirassismus? Etwas Gleichberechtigung der Geschlechter, etwas Behindertenrechte und vielleicht auch ein bisschen was für Wanderarbeiter. Nichts von alledem wurde natürlich in den Promotion-Unterlagen ausdrücklich erwähnt.

In der Zwischenzeit wurde das altehrwürdige Regenbogendesign der traditionellen LGBTQ+-Verbündeten zugunsten von roten, schwarzen, grünen, rosa, gelben und blauen Streifen aufgegeben - die Art von Regenbogen, die Kinder malen, wenn sie nicht wissen, was Farben sind.

Die offizielle Absicht war es, "die Inklusion zu fördern und ein Zeichen gegen jede Art von Diskriminierung zu setzen", ein Leitbild, das so herrlich vage ist, dass es unmöglich ist, sich ein einziges stichhaltiges Argument dagegen vorzustellen.

Guardian

Die Herrscher in Katar wussten, was sie davon halten sollen, und haben der Mutprobe eine Machtprobe entgegengestellt, die weniger den Spielern als vor allem ihren Verbänden – nicht nur in Deutschland, sondern auch in England, Wales, den Niederlanden, der Schweiz, Belgien und Dänemark – die Grenzen ihres Mutes aufzeigen. Auch das kommt nicht völlig unerwartet.

Die Verbände waren offensichtlich schlecht auf dieses Spiel vorbereitet. Sie hatten sich nicht überlegt, mit welchem Einsatz sie für ihr Engagement stehen wollen.

Annalena Baerbock und Nancy Faeser kritisieren entsprechend auch die Sportfunktionäre:

"Wenn internationale Sportfunktionäre das wegzensieren, dann machten sie den Fußball kaputt", warnte die Grünen-Politikerin am Rande ihres Besuches in der französischen Hauptstadt Paris zu dem Eklat um das "Eine Liebe"-Zeichen.

Ähnlich dazu äußerte sich die Bundesinnenministerin. Nancy Faeser nannte im ZDF das Vorgehen des Weltfußballverbands "sehr befremdlich". BR-Nachrichten

Doch wenn es um die geht, die die politische Hebelwirkung haben, dann gilt Zurückhaltung.

Anders als bei der Europameisterschaft 2021, als Kommissionspräsidentin von der Leyen mit missionarischem Eifer für die Regenbogenfahne und die "Rechte" der LGBT+ eintrat, hört man diesmal nichts in Brüssel. (…)

Die Kicker aus Europa kneifen, die Politiker der EU schweigen.

Diese Zurückhaltung ist ärgerlich, aber leicht zu erklären: Die EU, allen voran Deutschland, brauchen Katar für ihre Gasversorgung. Weil man sich von russischem Gas "unabhängig" machen will, ist man nun umso abhängiger von den Scheichs.

Eric Bonse

Mit dieser Deckung haben es die Spieler schwer.