Wächst sich Sea Breeze zum Sturm aus?

Beim Manöver Sea Breeze 2020 im Juni vergangenen Jahres. Bild: @DefenceU

Die Nato und die Ukraine starten im Schwarzmeer das größte Manöver der vergangenen Jahre. Das Eskalationspotenzial ist hoch

32 Kriegsschiffe, 40 Flugzeuge und 5.000 Soldaten: Am heutigen 28. Juni hat im Schwarzen Meer das Nato-Manöver Sea Breeze begonnen. Die seit Jahren größte Übung des Nordatlantikpaktes mit osteuropäischen Partnern, allen voran mit der Ukraine, dürfte die Spannungen mit Russland weiter verschärfen.

Vor wenigen Tagen erst war es zu einem Zwischenfall mit dem britischen Zerstörer HMS Defender gekommen, der die Gewässer vor der Halbinsel Krim durchquert hatte. Aus Moskau wird der Aufmarsch an der Grenze heftig kritisiert. Wie groß also ist die Gefahr einer kriegerischen Eskalation bei dem milliardenschweren Kräftemessen?

Trotz der Proteste aus Russland jedenfalls haben am heutigen Montag um acht Uhr morgens die Militärübungen begonnen. Das Manöver erstreckt sich auf mehrere Varianten bewaffneter Auseinandersetzung: Amphibienkriege, Landkriege, Tauchoperationen, maritime Verbotsoperationen, Luftverteidigung, Spezialeinsätze, U-Boot-Kriegsführung sowie Such- und Rettungseinsätze.

Die Teilnehmer dürften, wie auch die russische Seite, erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen. Denn am Mittwoch der vergangenen Woche soll ein Kriegsschiff der britischen Royal Navy nach russischen Angaben rund drei Kilometer in der Zwölf-Meilen-Zone vor der Halbinsel Krim eingedrungen sein. "Was danach passierte, liest sich in einem Bericht der britischen Daily Mail etwas dramatischer, als es Großbritanniens Premier Boris Johnson bestätigen will", hieß es in einer Telepolis-Meldung zu den Geschehnissen.

Knapp einer militärischen Eskalation entgangen

Die Angaben des britischen Blattes stimmten eher mit der Version des russischen Außenministeriums überein. In Moskau hatte man bekannt gegeben, ein russisches Patrouillenboot habe Warnschüsse abgegeben – Kampfjets hätten außerdem Bomben in der Nähe des Schiffes abgeworfen. Demnach entgingen beide Staaten nur knapp einer handfesten militärischen Konfrontation. "Ein britischer Reporter, der an Bord des Schiffes der Royal Navy war, stützt als Augen- und Ohrenzeuge diese Version", so der Telepolis-Bericht.

In einer Mitteilung der Sechsten Flotte der USA beziehungsweise des US-Marinekommandos für Europa und Afrika sagte die Geschäftsträgerin der US-Botschaft in Kiew, Kristina Kvien, man sei "stolz darauf, mit der Ukraine bei der Mitveranstalterin der multinationalen maritimen Übung Sea Breeze zusammenzuarbeiten, die dazu beitragen wird, die Interoperabilität und die Fähigkeiten der teilnehmenden Nationen zu verbessern". Man setze sich "für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Schwarzen Meeres ein", so Kvien weiter.

Das Manöver Sea Breeze findet seit 1997 jährlich statt. Teilnehmer sind Nato-Staaten und Mitgliedsstaaten der sogenannten Partnerschaft für den Frieden, die – 1994 gegründet – eine militärische Kooperation mit rund zwei Dutzend europäischen und asiatischen Staaten etabliert hat. Das Manöver umfasst Operationen zu Land, zur See und in der Luft. Verantwortlich ist die Sechste Flotte der USA mit Hauptsitz in Neapel, Italien.

Seit dem Anschluss der Halbinsel Krim an Russland im Jahr 2014 hat die Übung deutlich an Brisanz gewonnen, wie der Zwischenfall in der vergangenen Woche gezeigt hat.

Russland: Gefahr durch neue Bündnisse des Westens

In Moskau war das Manöver wiederholt kritisiert worden. So sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa: "Der Umfang und das sichtbar aggressive Vorgehen bei den Manövern entsprechen keineswegs den bestehenden Sicherheitsinteressen in der Schwarzmeer-Region." Russland hatte in der vergangenen selbst ein Manöver in der Region durchgeführt, an dem neben mehreren Fregatten und Kreuzern zwei U-Boote sowie Aufklärungs- und U-Boot-Kampfflugzeuge, Langstreckenbomber und MiG-31K teil.

In Russland beobachtet man vor allem die US-Politik mit zunehmender Aufmerksamkeit. Neben den Bündnissen in Osteuropa mobilisierten die USA über neue Kooperationen derzeit "Hunderttausende Soldaten, Flugzeugträger und strategische Luftwaffeneinheiten" in der asiatisch-pazifischen Region, konstatierte die regierungsnahe Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

"Washington macht sich damit an die Bildung eines neuen Militärblocks, der sich laut Experten zu einer asiatischen Nato entwickeln könnte", heißt es in dem Bericht. Und obwohl das erklärte Ziel darin bestehe, Chinas Einfluss einzudämmen, werde diese Entwicklung auch ernsthafte Auswirkungen auf die Sicherheit Russlands haben.

Während die Nato mit ukrainischen Truppen also ihre bis zum 10. Juli terminierten Manöver startet, wollen Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping heute zu einer Videokonferenz zusammenkommen. Es geht dabei um den vor zwei Jahrzehnten unterzeichneten Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern.

Es wird sich zeigen, welches der beiden Ereignisse nachhaltigere Auswirkungen auf die internationale Lage hat.

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