Wagenknecht unter Druck

Seite 2: Wagenknechts populistische Wahlkampftaktik ist gescheitert

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Dies bedeutet natürlich nicht, dass Sahra Wagenknecht ein verkappter Nazi sei. Mitnichten ist dies der Fall! Wagenknecht hoffte ja gerade, die AfD zu schwächen. Die Strategie, im Wahlkampf nach "rechts zu blinken", und zugleich sozialpolitisch zu argumentieren, sollte gerade der AfD das populistische Wasser abgraben. Das "Protestpotenzial", das sich herausbildete, sollte so an die Linke gebunden werden, die rhetorische Versatzstücke des Rechtspopulismus übernahm. Doch offensichtlich ist diese Strategie katastrophal gescheitert.

Viele Wähler entschieden sich, das braune Original anstatt der linken Kopie zu wählen. Die AfD hat die fleißig rechts blinkende Linkspartei bei der Bundestagswahl weit überholt, während innerhalb der Linken selber nun rechtspopulistische Positionen salonfähig geworden sind. Zudem brechen die Ressentiments in der Linkspartei nun offen hervor, viele einfache Parteimitglieder nähern sich AfD-Positionen an, etwa bei der Flüchtlingsfrage.

Eventuell kann damit auch der parteiinterne Erfolg des Duos Lafontaine/Wagenknecht erklärt werden: Sie formulieren die rechten Ressentiments in eine Sprache, die auch in der "Linkspartei" noch akzeptabel ist, um so die auch dort bestehenden Ressentiments zu bedienen (ähnlich agiert der Populist Boris Palmer bei den Grünen). Deren Anhängerschaft kann nun das Kunststück vollbringen, weiter ihre eingefahrene Identität als "Linke" zu behalten, und zusätzlich "mehr Abschiebungen" zu fordern - etwa mit der Begründung, dass es Flüchtlingen in Deutschland sozial schlecht gehe.

Zugleich genießt Wagenknecht, die in der veröffentlichten Meinung dauerpräsent ist, die Unterstützung seitens der Mainstreammedien, wie etwa der Springerzeitung Die Welt. Durch ihre mediale Präsenz verfügt somit eine "linke" Politikerin, die rechte Sprüche klopft, über einen zuverlässigen Machthebel gegenüber der "Linkspartei". Die Linke wage es nicht, Wagenknecht "Einhalt zu gebieten" in der Flüchtlingsfrage, schlussfolgerte korrekt das AfD-Nahe Blatt Welt.de.

Zugleich scheint aber Sahra Wagenknecht - allen guten Absichten zum Trotz - leider auch Opfer ihrer eigenen, populistischen Argumentation geworden zu sein. Die Grenze zu den Rechtsextremisten, die rhetorisch durch ihre Wahlkampfstrategie schon eingerissen wurde, will die Frontfrau der Linken nun auch praktisch abreißen. Die Linke könne mit Teilen der AfD im Bundestag kooperieren, da sie eine "pauschale Ausgrenzung" der AfD ablehne, erklärte Wagenknecht gegenüber Welt.de. "Ich werde niemanden aus der AfD, der dem Flügel von Björn Höcke angehört, der wirklich Nazi-Positionen vertritt, in irgendeine verantwortliche Position wählen", sagte Sahra Wagenknecht "mit Blick auf die Aufgabenverteilung etwa im Bundestagspräsidium oder in den Fachausschüssen" gegenüber der Springerzeitung. Doch bei anderen AfD-Parlamentariern, die nicht zum Höcke-Flügel gehören, wolle sie das nicht ausschließen: "Auch da sollte man sich eben ansehen, wer kandidiert für was und sollte nicht Pauschalurteile abgeben."

Zu einer Zeit, als selbst die CDU-Führung (noch) eine Kooperation mit der AfD ausschloss, arbeitete die Frontfrau der Linken an der Enttabuisierung der Rechtsextremen im Bundestag. Ein Schlag ins Gesicht für alle Antifaschisten, die Leib und Leben riskieren, um sich der brauen Gefahr in den Weg zu stellen.

Nicht nur ist Sahra Wagenknechts populistische Wahlkampftaktik gescheitert, sie selber scheint von den rechtspopulistischen Ressentiments, derer sie sich nur bedienen wollte, inzwischen infiziert. Dementsprechend sahen die ersten Reaktionen der Spitzenkandidatin auf das bescheidene Wahlergebnis ihrer Partei aus. Man habe es sich in der Flüchtlingsfrage "zu einfach gemacht", erklärte sie gegenüber Medienvertretern. Damit meinte die neue Fraktionsvorsitzende der "Linkspartei" wohl, dass man die rechtspopulistische Dosis erhöhen müsste, die Linke solle noch mehr auf den Kurs der AfD einschwingen, noch rechter werden, um wirklich erfolgreich zu sein.

Offene Flanke nach rechts

Wie gesagt, handelt es sich bei Wagenknecht und Lafontaine keinesfalls um irgendwelche Rechte! Auch wenn viele ihrer Ideen durchaus anschlussfähig sind an die Ideologie der Neuen Rechten, wie die verkürzte Kapitalismuskritik mit dem Schwerpunkt auf "Finanzmarktkritik", die Gegenüberstellung von gutem nationalen und bösem globalen Kapital, und ihr Plädoyer für einen nationalen, kulturell homogenen Staat.

Das gegenwärtige Desaster, das sie angerichtet haben, wird von ihnen nicht wahrgenommen, sie scheinen zur Selbstkritik nicht fähig zu sein. Beide Politiker der Linken befinden sich aber auf einer nach rechts abfallenden, schiefen ideologischen Ebene, was ihnen eine offene Flanke nach rechts verschafft. Sie drohen, zu Rechten zu werden, sich dorthin zu entwickeln - sie sind es aber noch nicht. Als abschreckendes Beispiel sei hier etwa auf den ehemaligen Linken Jürgen Elsässer verwiesen, der inzwischen das rechtsextreme Kampfblatt Compact herausbringt.

Zudem muss bedacht werden, dass Sahra Wagenknecht selber ausführte, in ihrer Jugend Opfer fremdenfeindlicher Ressentiments geworden zu sein. "Ich sah fremdländisch aus, Kinder haben mich gehänselt", erzählte die Linkspolitikerin Welt.de. Dies kann tatsächlich halfen, das Verhalten zu verstehen - aber wohl anders, als von der Frontfrau der Linkspartei intendiert. Aus solch einer Erfahrung kann man zwei grundverschiedene Konsequenzen ziehen: Entweder man opponiert fortan gegen Ausgrenzung und Marginalisierung von Minderheiten. Oder man bemüht sich, künftig immer schön zur "Mehrheit" zu gehören, um nie wieder Teil einer Minderheit zu werden.

Das Tragische an diesem Elend innerhalb der Linkspartei besteht aber vor allem darin, dass es gesamtgesellschaftlich ausstrahlt. Eine linke Partei ist ja eigentlich kein Selbstzweck, sondern Mittel zur fortschrittlichen Veränderung der Gesellschaft. Derzeit wirkt die "Linkspartei" wie ein politisches Oxymoron, das einem bizarren Monty-Python-Sketch entnommen zu sein scheint.

Wenn sich nun innerhalb der Linken, die eigentlich den Oppositionspol zur gegenwärtigen Rechtsentwicklung bilden müsste, eindeutig rechte, "nationalsoziale" (Lessenich) Strukturen verfestigen sollten, dann scheint der drohenden reaktionären Hegemonie in der Bundesrepublik kaum noch etwas im Wege zu stehen. Selbst eine Volksfront-Strategie, bei der die Linke als Kern einer breiten, antifaschistischen Abwehrfront agieren würde, scheint kaum mehr machbar, wenn rechte Ressentiments in der Linken gepflegt werden.

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