Wahlen Ende Mai in der Ukraine?
Kiewer Regierung soll schnell Legitimität verschafft werden, aber nicht nur Russland, sondern auch Kiew unterminiert eine Wahl, die anerkannt werden kann
Das deutsche Außenministerium warnt vor Reisen auf die Krim und in die Ost- und Südukraine. Deutschen wird die Ausreise empfohlen. Zwar liegt der Schwerpunkt der Warnungen auf den Aktionen der angeblichen Separatisten, aber es wird doch auch gesagt, dass sich "die Lage dort nach Beginn der Anti-Terror-Operation der ukrainischen Sicherheitskräfte weiter verschärft" hat.
Es fällt allerdings auf, dass die Anti-Terror-Operation ohne Anführungszeichen erwähnt wird, was darauf schließen lässt, dass das Auswärtige Amt es befürwortet und als legitim bewertet, dass die ukrainische Interimsregierung militärisch gegen Oppositionelle im eigenen Land vorgeht. Es geht aber auch daraus hervor, dass die Anti-Terror-Operation den Konflikt weiter schürt und die Unsicherheit erhöht. Man hat allerdings von westlicher Seite noch nicht gehört, dass sie mäßigend auf die Kiew-Regierung einwirken würde, während das permanent von Moskau gefordert wird. Wenn nun Steinmeier ein zweites Genfer Abkommen fordert, ohne Kritik auch an Kiew zu üben, die an Moskau ist billig, dann geht alles weiter seinen eskalierenden Gang, wie dies in Moskau und Washington auch gewünscht wird.
Auf der Sitzung des Europrats in Wien ging es nur um die Ukraine. Russland ist nicht prinzipiell neuen Verhandlungen abgeneigt, fordert aber die Einbeziehung der Aufständischen in der Ostukraine. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, weil jeder weiß, dass dort auch Teile der Bevölkerung mit den Kiew-Gegner sympathisieren. Wenn man faire Wahlen will, dann muss man durch Dialog, nicht durch militärische Gewalt eine Einigung erzielen. Das aber scheint nicht die Haltung der Kiew-Regierung zu sein, die vom Westen nicht nur unterstützt, sondern in ihrem Vorgehen sicher auch beraten wird.
Aber offenbar hat der Westen eben auch auf Nationalisten mit Swoboda, der Vaterlandspartei und der Verbandelung mit dem Rechten Sektor gezählt, was jetzt nicht mehr steuerbar ist. Ausgerechnet der Generalstaatsanwalt ist mit dem Rechten Sektor verbunden und scheint diesen nicht nur bei der blockierten Aufklärung über die Scharfschützen auf dem Maidan, sondern auch jetzt bei der Untersuchung der Brandkatastrophe zu helfen.
Sonderlich deeskalierend verhält man sich auch sonst in Kiew nicht. Oleh Tiahnybok, der Chef von Swoboda, Teil der Regierungskoalition, spitzt den Konflikt mit den Menschen in der Ostukraine weiter zu, indem er alles in Odessa auf "bewaffnete Gruppen von Putins Terroristen" schiebt. Man müsse nun alle Menschen bewaffnen, um die territoriale Integrität der Ukraine zu verteidigen und gegen die Terroristen zu kämpfen. Wer nicht für uns ist, so die Haltung, ist Saboteur im Dienste Moskaus und Terrorist. So also sollen im Verein mit dem Einsatz des Militärs Wahlen durchgeführt werden?
Verstärkt wurde auch gestern von Swoboda die Heranziehung von "patriotischen Freiwilligen", um mit Waffen die Ukraine zu verteidigen, was in erster Linie heißt, im Inland mit Waffen gegen Oppositionelle vorzugehen. Dazu passt, dass Abgeordnete der Rada, die nicht konform mit Kiew sind, ausgeschlossen und strafrechtlich verfolgt werden sollen. Unerwünscht ist auch ein Referendum zur Präsidentschaftswahl am 25. Mai, man fürchtet wohl kein stimmiges Wahlergebnis.
Die Rada wird zwar immer kleiner, jetzt hat nur noch eine Mehrheit von 154 Abordneten von eigentlich 450 Sitzen abgelehnt, was schon auf die wenig legitime Verfassung hinweist, die aber dem Westen egal ist, ein Referendum abzuhalten, wie dies in der Ostukraine gefordert wird. Man will nur noch eine konsultative Befragung durchführen, die zu nichts verpflichtet. Erkundet werden soll, ob die Ukrainer die territoriale Integrität mit einer größeren Selbständigkeit der Regionen und Russisch nicht als Amtssprache, sondern als Regionalsprache wollen.
Streit gibt es beispielsweise in der Rada darüber, inwieweit die Öffentlichkeit über die Antiterroroperation informiert werden soll. Die Regierung will darüber lieber nichts sagen, die Partei der Regionen verlangt hingegen mehr Offenheit, beispielsweise über die Umstände, die zu den Toten in Odessa und anderswo geführt haben. Kritisiert wird auch der Beschluss der Rada, die Kommunistische Partei auszuschließen. Das wurde beschlossen, weil sich der Parteichef Petro Symonenko zugunsten der Sepataristen geäußert haben soll. Die Kommunisten hatten bei den letzten Wahlen fast ebenso viele Stimmen wie Swoboda eingefahren.
Besonders erhellend ist, dass die Rada nun offiziell die Militanten als Kämpfer innerhalb der "Antiterroroperation" anerkennt. Damit haben die rechten Milizen einen Freibrief, nun offiziell mitmischen zu können.
In einer Umfrage ist weiterhin der Oligarch Poroshenko, der wie viele andere Reiche zwischen den Parteien je nach Lust und Laune wechselte und auch schon mal Außenminister war, aussichtsreichster Kandidat als Präsident. Allerdings würde er gerade mal 33 Prozent der Stimmen erhalten - von den 48 Prozent, die überhaupt wählen wollen oder schon wissen, wen sie wählen wollen. Timoschenko sinkt in der Wählergunst weiter. Jetzt würden noch 10 Prozent der Wähler für sie stimmen. In einer Stichwahl würde Pososhenko gegen Timoschenko und die Kandidaten der Partei der Regionen und der Kommunisten deutlich siegen. Timoschenko erklärt, sie die einzige Politikerin, die die Probleme der Ukraine lösen könne.
Ungeklärt ist weiter, wie Wahlen im Land stattfinden sollen. Am Wochenende wollen Separatisten in Lugansk und Donezk Referenden durchführen. Was die bedeuten sollen, ist schleierhaft, da sie keine Anerkennung finden werden. Nicht weniger schleierhaft sind die anvisierten, vom Westen dringlichst erwarteten Wahlen. Wie sollen sie eben unter den Umständen stattfinden, dass die Menschen wegen der laufenden Antiterroroperation entweder unter militärischer Bedrohung oder überhaupt nicht abstimmen?