Wahlen in Russland: Warum über Putins baldigen Tod spekuliert wird
Spekulationen um Putins Gesundheit: Ist der russische Präsident wirklich todkrank? Vor den Wahlen 2024 brodelt die Gerüchteküche. Was steckt dahinter? Gastbeitrag.
Im März 2024 finden in Russland Präsidentschaftswahlen statt. Neben den Wahlen in den USA im November sind dies die wichtigsten Wahlen des Jahres 2024 - zumindest was ihre internationale politische Bedeutung angeht.
In der medialen Vorbereitung auf diese Wahlen liest man deshalb schon jetzt immer wieder Artikel, die unbelegte Spekulationen über den Gesundheitszustand des amtierenden Präsidenten Wladimir Putin streuen. Einige Zeitungen schreiben von Herzproblemen, andere von einer Krebserkrankung, während die Bild-Zeitung den Unsinn auf die Spitze treibt und Flecken auf seiner Stirn analysiert, um daraus Krankheiten abzuleiten.
Warum aber wird gerade dieses Narrativ verbreitet? Was sagt es über die Handlungsoptionen politischer Strategen im Westen aus? Und wie ist die Lage in Russland wirklich?
Der Grund für das Narrativ vom kranken Putin ist einfach: Es werden keine anderen Optionen gesehen. Das bewährte Drehbuch der liberalen (d. h. prowestlichen) Opposition, eine farbige Revolution vorzubereiten, ist seit Jahren gescheitert.
Die Rolle der Opposition: die Liberalen
Der letzte Hoffnungsträger hier war Alexej Nawalny, der als Rechtsextremist startete und muslimische Kaukasier mit Kakerlaken verglich – wofür ihm Amnesty International vor einigen Jahren, nach öffentlichem Druck, den Status als "gewaltloser politischer Gefangener" entzog.
Nach dem Scheitern dieses Konzepts, das auf den Unmut der Bevölkerung über die wachsende Zahl von Arbeitsmigranten aus muslimischen Regionen setzte, mutierte Nawalny zum liberalen Kämpfer gegen Korruption und für eine freie Marktwirtschaft.
Doch auch dies brachte nicht die erhofften Ergebnisse, und abgesehen von kleineren Wahlerfolgen im wohlhabenden, kosmopolitischen Bürgertum Moskaus und St. Petersburgs gelang Nawalny kein Durchbruch.
Die liberale Opposition in Russland liegt derzeit am Boden und hat bei Wahlen nur ein Potenzial von wenigen Prozent. Viele liberale Kritiker der russischen Regierung sind deshalb ins Ausland gegangen – primär nach Israel, England, Frankreich, Deutschland und in die USA – und setzen dort ihre Arbeit fort.
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Diese Tätigkeit aus der Ferne hat jedoch noch weniger Wirkung auf die russische Bevölkerung und verstärkt zudem den Eindruck, dass diese Personen für fremde Interessen arbeiten – ein beliebter Vorwurf der russischen Staatsmedien gegen liberale Kräfte, die von den Menschen in Russland auch ohne zusätzliche Propaganda mit den Verhältnissen der 1990er-Jahre assoziiert werden.
So beschränkt sich der Nutzen der liberalen Opposition Russlands für westliche Regierungen derzeit darauf, die eigene Bevölkerung von ihrem antirussischen Narrativ zu überzeugen. Dazu werden diese Oppositionellen als Experten eingeladen und sollen – in gebrochenem Englisch, Französisch oder Deutsch – bestätigen, wie schlimm es in Russland ist. Ihre Qualifikation: Sie haben einmal in Russland gelebt.
Kommunisten in Russland – für den Westen keine Option
Die einzige ernst zu nehmende und bei Wahlen erfolgreiche Oppositionskraft sind daher die russischen Kommunisten der KPRF (Kommunistische Partei der Russischen Föderation). Auf sie können sich westliche Regierungen und Geldgeber aber nicht verlassen, da sie zwar in vielen Punkten sehr regierungskritisch sind, sich jedoch noch härter gegen den Westen und seine Einflussnahme positionieren als der Kreml selbst.
Zudem haben die Kommunisten in außenpolitischen Fragen große Gemeinsamkeiten mit dem russischen Präsidenten – hauptsächlich in der strategischen Kooperation mit der Volksrepublik China, der Unterstützung der syrischen Regierung und der Sorge über ein weiteres Heranrücken der NATO an die russischen Grenzen.
Im Falle des Ukraine-Krieges hatte die KPRF sogar schon viel früher eine entschiedene Reaktion gefordert und im Parlament einen Antrag auf Anerkennung der Volksrepubliken im Donbass eingebracht. Interessanterweise wurde er vorwiegend von der "Putin-Partei" Einiges Russland abgelehnt – wohl weil der Kreml bis zuletzt auf eine Einigung in der Ukraine-Frage hoffte.
Deshalb werden die russischen Kommunisten in den westlichen Medien faktisch ausgeblendet. Dies zeigt einmal mehr, dass es den westlichen Regierungen nicht um ein demokratisches System und starke Oppositionskräfte geht, sondern um eine prowestliche Opposition, die direkt oder indirekt gesteuert werden kann.
Warum das Alter Putins in den Medien kaum diskutiert wird
Interessant ist auch, dass jetzt über angebliche Krankheiten Putins geschrieben wird, sein Alter aber, wenn überhaupt, eher zurückhaltend kommentiert wird. Fakt ist, dass Putin mit seinen 71 Jahren tatsächlich in einem hohen Alter ist und am Ende der nächsten Amtsperiode auf die 80 zugehen wird.
Aber eine andere Konstante der russischen Politik, Gennadi Sjuganow, ist seit 30 Jahren Vorsitzender der KPRF und bereits 79 Jahre alt. Vielleicht ist es manchen Medien auch etwas peinlich, das hohe Alter zu erwähnen, wenn der "Führer der freien Welt", US-Präsident Joseph Biden, ganze zehn Jahre älter ist als Putin und am 20. November 2023 seinen 81. Geburtstag feierte.
Im Vergleich zu Biden wirkt Putin wie ein Jungbrunnen und scheint körperlich und geistig topfit zu sein. Das hat Joe Biden nicht davon abgehalten, sich als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei um eine weitere Amtszeit zu bewerben.
Wertegeleitete Außenpolitik gegenüber Russland bislang gescheitert
Eine der großen Hoffnungen der westlichen Regierungen im vergangenen Jahr war die Sanktionspolitik gegenüber Russland. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte Russland den Wirtschaftskrieg und meinte: "Das wird Russland ruinieren".
Das Gegenteil ist eingetreten. Russland schaltete schnell auf andere Partner um, die bereitwillig russische Rohstoffe und Produkte kauften, und intensivierte seine Bemühungen, einheimische Alternativen zu westlichen Produkten zu entwickeln. Dies läuft unter dem Begriff "Importsubstitution".
Außer den Verbündeten der USA wollte sich kaum jemand in der Welt an diesem Wirtschaftskrieg gegen Russland beteiligen, und auch im westlichen Block war nicht jeder bereit, die Kosten für die Ukraine der eigenen Bevölkerung aufzubürden.
Viele amerikanische Firmen machten weiterhin gute Geschäfte in Russland, in der EU stellte sich primär Ungarn quer und selbst Deutschland musste, dann über Umwege und deutlich teurer, weiterhin russische Produkte kaufen – z. B. russisches Öl über Indien. Spätestens nach dem bis heute nicht aufgeklärten Anschlag auf die Gaspipeline Nordstream 2 müsste man Frau Baerbock um 360 Grad korrigieren: "Das wird Deutschland ruinieren".
Deshalb bleibt den Kalten Kriegern im Westen jetzt nur die Hoffnung auf eine Erkrankung Putins. Mit solchen Wünschen lässt sich aber keine seriöse Politik machen. Der russische Präsident wird im März 2024 kandidieren und mit ziemlicher Sicherheit wieder klar gewinnen.
Er ist in der Bevölkerung äußerst beliebt, und auch die relative Unbeliebtheit von Putins sogenannter Partei "Einiges Russland" schadet ihm nicht. Alle Destabilisierungsversuche in Russland sind jedenfalls gescheitert. Und der Westen muss im eigenen Interesse einen Weg des Umgangs mit Russland finden, der nicht voraussetzt, dass in Moskau eine prowestliche Regierung an die Macht kommt. Gerade Deutschland wäre gut beraten, gegenüber Russland wieder mehr Realpolitik als "wertegeleitete Außenpolitik" zu betreiben.
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