Wahlen in Ungarn: "Orbán bleibt Alleinherrscher"
Der Regierungschef kann voraussichtlich mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament rechnen. Die Opposition erlebt ein Desaster trotz hoher Wahlbeteiligung
Viktor Orbán hat die Wahl in Ungarn mit einer sich abzeichnenden Zweidrittel-Mehrheit der Sitze deutlich gewonnen. Größter Verlierer ist die sozialdemokratisch-linksliberale MSZP-PM. Wie viele Sitze Orbans Partei Fidesz im neuen Parlament haben wird, steht noch nicht genau fest, die Auszählung zieht sich noch hin.
Laut vorläufiger Sitzverteilung, wie sie die deutschsprachige Zeitung Pester Lloyd gestern Nacht meldete, käme Fidesz auf 134 von insgesamt 199 Mandaten. Die zweitstärkste Fraktion wird der rechte Konkurrent Jobbik stellen - mit geschätzt 27 Sitzen.
Der Abstand von Fidesz zu allen anderen Parteien ist beträchtlich. "Orbán bleibt absoluter Alleinherrscher in Ungarn. Die Opposition hat auf ganzer Linie verloren", fasst Pester Lloyd zusammen. Das Blatt gehört zu den schärfsten Kritikern der Politik des ungarischen Regierungschefs und seines nationalistischen Pathos.
In Prozentanteilen wurden am Montag gegen 5 Uhr morgens folgende Zahlen gemeldet: Fidesz 48,5 Prozent; Jobbik 19,5 %, für die ungarisch-sozialistische Partei MSZP 12,4, für die grüne LMP ("Politik kann anders sein") 6,9 Prozent.
Die linksliberale Demokratische Koalition (DK) kommt auf 5,6 Prozent. Die junge bürgerlich-liberale Momentum-Bewegung, die viel von sich reden machte, erreicht 2,8 Prozent. Das sind die kleinen Frühjahrsknospen für die Liberalen. Einen kleinen Erfolg kann auch die Satirepartei MKKP verbuchen.
Auf deutsch heißt die Magyar Kétfarkú Kutya Párt "Partei des zweischwänzigen Hundes". Sie kommt nach 93 Prozent der ausgezählten Stimmen auf 1,7 Prozent und erzielt damit, so zumindest berichtet dies Europe Elects, das "stärkste Ergebnis einer Satirepartei bei nationalen Wahlen in der Geschichte der EU".
Desaster für die Opposition
Für die Opposition zu Orbán, der mit dem Wahlprogramm von Fidesz identisch ist, kommt das Ergebnis der gestrigen Parlamentswahl einem Desaster gleich. Die Fidesz-Partei konnte gegenüber den Wahlen von 2014 bei den Prozentanteilen noch zulegen. Vor vier Jahren kam sie mit ihrem christdemokratischen Partner KDNP auf 44,9 Prozent.
Das reichte für eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze in der ungarischen Nationalversammlung, die Verfassungsänderungen ermöglicht. Mit dem jetzigen 48,5-Prozent-Stimmenanteil dürften ihr die Wähler erneut diesen enormen politischen Spielraum gegeben haben. Dass sie Orbán derart viel Vertrauen geben, müsste die linksliberale Opposition, vor allem die Sozialisten, an die Grenze zur Verzweiflung bringen.
Die Hoffnung nämlich, dass Orbán bei dieser Wahl einen Denkzettel erhalten könnte, war groß. Abzulesen war das Sonntagnacht bis kurz vor 23 Uhr, als die letzten beiden Wahllokale schlossen.
Die Verlängerung der Stimmabgabe war wegen der langen Schlangen vor den Wahllokalen beschlossen worden und da es schon ab Mittag Meldungen darüber gab, dass sich eine Rekordwahlbeteiligung abzeichne, keimte Hoffnung bei der Opposition auf, wie sie exemplarisch der Spitzenkandidat der MSZP, Gerely Karácsony (der aber Mitglied des kleinen Koalitionspartners "Dialog" ist), formulierte.
Linke: Kredit verspielt, ohne Rezept gegen das nationalistische Pathos
Die hohe Beteiligung zeuge von ernsthafter Kritik am "Orbán-Regime", sagte Karácsony am Sonntagmittag. Darüber hinaus sprach er von "verzweifelten Versuchen" der Fidesz, "seine Anhänger noch zu mobilisieren". Nachdem sich eine ganz andere Wirklichkeit zeigte, trat Gyula Molnár, Chef der MSZP, zurück. Seine Partei hatte das schlechteste Ergebnis seit 1990 eingefahren.
Am Ende waren es etwa 70 Prozent Wahlbeteiligung, knapp unter der Rekordmarke von über 71 Prozent bei der Wahl 2002, als Orbán nach seiner ersten Amtsperiode von einer Mitte-Links-Koalition abgelöst wurde.
Die Gegner Orbáns verspielten dann in den nächsten acht Jahren sämtlichen Kredit, so dass die "These", wonach eine Wahlbeteiligung von über 65% bei der aktuellen Wahl der Opposition zu Gute käme, völlig verpuffte. Die Annahme, die von Demoskopen wie auch Kommentaren verbreitet wurde, hat sich als falsch erwiesen.
Orbán konnte sehr viel besser Wähler mobilisieren als seine Gegner vom linken Lager und die seine Konkurrenz von der rechten Seite: Jobbik hatte versucht, mit einem PR-Wechsel auf einen moderateren - "nationalkonservativ" - Kurs Stimmen zu fangen, vergeblich, der Vorsitzende trat noch am Wahlabend zurück.
Indessen sprach Orbán von einem "schicksalshaften Sieg" - darunter geht es nicht - von einer "großen Schlacht", die man hinter sich habe, und dass Ungarn verteidigt werden müsse. Dass seine politischen Gegner gegen solches Pathos nichts ausrichten können, ist ein Armutszeugnis. Die Haltung Orbáns zur Einwanderung dürfte der stärkste Faktor sein. Gegenüber Migranten gibt es in der Bevölkerung vor allem Befürchtungen um den eigenen Status. Die Opposition hat keine überzeugenderen Antworten als Orbáns "Nein"-Kurs.
Die Sozialisten der MSZP, Nachfolger der Kommunisten, haben offensichtlich völlig "abgewirtschaftet". Mit 12,5 Prozent kamen sie auf die Hälfte der Anteile bei der letzten Wahl 2014 (25%).
Die Hoffnung, welche die Liberalen und die Grünen auf die Jugend setzten, die nach Auffassung von Kommentatoren andere Vorstellung haben, als sie Orbán mit seiner Politik und seiner national-religiösen Show propagiert, haben sich nicht erfüllt. Die genaueren Analysen der Wahl stehen noch aus.