Wahlkampf in Polen: "Wende zum Guten"
Andrzej Duda von der rechtskonservativen PiS kommt vor allem bei den jungen und den älteren Menschen an
In einem ehemaligen Industrie-Kombinat im Osten Warschaus lädt Andrzej Duda seine Anhänger zum finalen Wahlkonvent ein - "Eine Wende zum Guten" ist das Motto. Der Ort ist mit Bedacht gewählt - die Zeit der leeren Fabrikhallen soll mit dem Politiker der nationalkonservativen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) als Präsident vorbei sein. Am Sonntag steigt die Stichwahl, in der ersten Runde konnte der 43-jährige Duda überraschend um einen Prozent mehr Stimmen gewinnen als der oft ein wenig gemütlich wirkende Amtsinhaber Bronislaw Komorowski (Polen: Rechtskonservativer gewinnt überraschend erste Runde in Präsidentschaftswahl).
Vor der Halle warten die Fans, vor allem Rentner und Studenten. Unter ihnen Tadeusz Cymanski von der befreundeten Rechtspartei "Soldarisches Polen". Er ist mit seinem aggressiven Auftreten ein oft gesehener Gast bei Talk-Shows. "Erst gewinnen wir die Wahl, dann rechnen wir mit der "Bürgerplattform" ab!", spricht der Sechzigjährige in die Mikrofone und somit auch drohend zu der Regierungspartei Bürgerplattform, die Komorowski stützt.
"Abrechnen", das war eigentlich ein Wort aus der Giftkiste Jaroslaw Kaczynskis, der vor zehn Jahren als PiS-Parteichef und Premier gegen echte und vermeintliche postkommunistische Seilschaften mit autoritativen Methoden vorging. Es ist das gewichtige Argument des konservativ-liberalen Lagers um den Präsidenten, der in Umfragen derzeit leicht vorne liegt: Bloß keine Wiederholung dieses Regiments - auch im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Herbst.
Der EU-Abgeordnete Andrzej Duda mühte sich bislang um ein moderates Auftreten, sein nettes Lächeln sieht aus wie auf dem Foto des Wahltourbusses, aus dem er schließlich mit Frau und Tochter steigt, während die alten und jungen Fans jubeln. In der vollen Halle vor allem ältere Menschen, ein Meer aus weiß-roten Fahnen, Schilder mit der Aufschrift "Zukunft" werden geschwenkt, die Andrzej Duda-Rufe wollen nicht mehr enden. Ein Orchester spielt auf, darunter die erhebende Polonaise von Wojciech Kilar, danach führen verschiedene Sprecher in die Niederungen der sozialen Kälte des Bürgerplattform-Polens.
Zuletzt tritt eine gebückte Frau mit ihrer Tochter im Rollstuhl auf, die trotz guten Studienabschlusses keine Anstellung findet. "Noch kann ich sie versorgen, doch was passiert, wenn ich nicht mehr bin?", fragt sie in die Menge, wo Taschentücher gebraucht werden. Dann eilt endlich Andrzej Duda auf die Bühne.
Er herzt die Frauen und übernimmt mit ernster Miene das Mikrofon, der Schwiegersohn-Schalk ist verflogen. "Solche Geschichten gibt es viele in Polen." Duda attackiert die Regierung und Komorowski. Die Sorgen der "gewöhnlichen Polen", diese Wendung gebraucht er oft, würden von diesen nicht ernst genommen. Es ist eine Krisen-Rede. Komorowski habe sich in seinem Palast verzogen, nun komme er kurz vor der Wahl heraus und verspreche alles Mögliche.
Aber auch der promovierte Jurist Duda kündigt einiges an: die Steueraufhebung für Minderverdiener, den Aufbau einer polnischen Wirtschaft, eine selbstbewusstere Außenpolitik, den Aufbau eines gemeinsamen Polens sowie eine Rückkehr der Redlichkeit. "Ich habe immer mein Wort gehalten", fügt er hinzu. Die Erwartungen der Mühseligen und Beladenen, dass Duda sie erquicken möge, sind auch entsprechend groß. Zum Schluss bittet er seine Frau und seine Tochter, beide blond und weiß gekleidet, aufs runde Podest.
Agata Duda beantwortet auch die Frage, die in den Medien immer wieder gestellt wird: Wer wohl hinter ihrem Mann stehe, etwa Jaroslaw Kaczynski, der Parteichef, der in ersten Reihe sitzt, jedoch nicht das Wort ergriffen hat? Nein - hinter ihrem Mann stünden allein sie und ihre Tochter. Tosender Applaus. Es regnet glänzende Konfettis und Luftballons in den Farben Blau-Weiß-Rot, den Farben der Partei wie der amerikanischen Flagge.
Endlich dürfen die Fans den vielleicht zukünftigen Präsidenten umringen, der mittlerweile stark schwitzt. Dies wurde ihm in der Berichterstattung als Minus ausgelegt. Besorgt holt Frau Iza darum eine Packung Papiertaschentücher aus dem Rucksack und lässt sie über die Sicherheitsmänner an Duda durchreichen.
"Weil er ehrlich ist", meint sie ebenso energisch wie freundlich auf die Frage, warum sie ihn wählen will. Es muss sich viel ändern in Polen, mehr Dialog, mehr "gesellschaftliche Gerechtigkeit". Doch was konkret? Sie hat eine kleine Firma, für die sie zu viel Steuern zahle, Duda habe ja versprochen, die polnische Wirtschaft zu stützen, es gebe zu viel Bürokratie, Strafen bei kleinsten Unkorrektheiten. Von ihren Kindern studieren bereits drei und die sollen nicht nach dem Abschluss nach Großbritannien migrieren. "Und übrigens", Frau Iza kommt nochmal zurück: "Was ist mit Smolensk?" Warum bemühe sich der Präsident nicht, die Blackbox und das Flugzeugwrack von den Russen zurückzubekommen?
Hoffnung auf Arbeit haben auch die Jungen, die mit Bussen aus den Vorstädten und aus Lodz angefahren kamen. Wojtek, Joanna und Monika, alle drei im DUDA-Shirt, sie wollen nach dem Studium in Polen ihr Auskommen haben. Wojtek hofft, was Duda selbst bislang nie so deutlich aussprach - dass Polen gegenüber Deutschland wieder selbstbewusster auftritt und "Entscheidungen von Berlin in Frage stellt".
Die Duda-Anhänger verlassen langsam die Halle und das ehemalige Fabrikgelände, Tadeusz Cymanski gibt auf dem Vorhof wieder eines seiner leidenschaftlichen Interviews und nötigt den polnischen Fernsehjournalisten zu einem Hand-Shake, was die Umstehenden zufrieden zur Kenntnis nehmen.
Auf der Minsker Straße werden die PiS-Wähler mit ihren Ballons und Schildern von einigen Passanten an der Bushaltestelle kritisiert. Eine ältere Frau lässt sich davon nicht beirren. Die ehemalige Krankenschwester bekommt 1050 Zloty Rente, davon muss sie für ihre Wohnung 600 Zloty Miete aufbringen, den Rest hauptsächlich für Medikamente wegen ihres kranken Herzens. Sie freut sich, dies einem ausländischen Journalisten erzählen zu können und gibt eine Buchempfehlung über die dunklen Machenschaften Komorowskis. "Nur Duda versteht die Probleme der alten Menschen, er will wirklich was ändern", meint sie und steigt lächelnd in den Stadtbus.