Wann sind Fotos öffentlich?
Die Nachrichtenagentur hatte Fotos, die den rüden Umgang von US-Soldaten mit irakischen Gefangenen zeigen, auf einer Website entdeckt und der Besitzerin abgekauft - jetzt klagen einige Soldaten, weil sie dadurch gefährdet wurden
Anfang Dezember wurden mit einem Artikel von Seth Hettena, einer Journalistin der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), Fotografien von Mitgliedern einer US-amerikanischen Spezialeinheit veröffentlicht. Die Fotos, vermutlich vom Mai 2003, stammten von einer kommerziellen Foto-Webseite und zeigten Navy Seals-Soldaten, die irakische Gefangene misshandelten. Die Rede war von einem neuen Skandal, die Bilder gingen um die Welt und belegten auch die Ansicht, dass Abu Ghraib kein Einzelfall war. Nun haben sechs Angehörige der Navy Seals und zwei ihrer Frauen eine Anzeige gegen die Nachrichtenagentur abgegeben. Grund: Verletzung der Privatsphäre.
Am 3. Dezember wurde der AP-Artikel mit den Fotos veröffentlicht, die teilweise die eine Datumsangabe vom Mai 2003 trugen. Die AP-Journalistin hatte vierzig dieser Fotos unter zahlreichen anderen entdeckt, die von einer Frau eines Navy Seals-Soldaten auf einer Foto-Website veröffentlicht wurden. Nach Angaben der Frau habe ihr Mann diese Fotografien nach seinem Einsatz im Irak mit nach Hause gebracht.
Auf den Fotos sind irakische Gefangene zu sehen, gefesselt, teilweise in Frauenkleidern und manche mit übergestülpten Kapuzen. Einige haben frische Verletzungen. Ein Soldat sitzt grinsend auf einem Gefangenen, ein anderer wird mit einer Waffe am Kopf bedroht, einem am Boden Liegenden wird ein Schuh an die Kehle gedrückt. Die Fotos wurden ganz offensichtlich als Erinnerungen an das Abenteuer Irak aufgenommen und weisen in den Posen der US-Soldaten und den Demütigungen der irakischen Gefangenen Ähnlichkeiten mit den Bildern von Abu Ghraib auf.
Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels wurden die Fotos nach Angaben von AP auf der Website smugmug.com mit einem Kennwort geschützt. Pikanterweise aber waren sie dort zunächst öffentlich zum Verkauf angeboten worden. Die - internet-investigative? - Journalistin hatte sie mit der Hilfe von Google entdeckt und für 40 Kopien jeweils 29 Cent bezahlt.
In dem AP-Artikel wurde zwar gesagt, dass die Fotos denen von Abu Ghraib ähneln, die zu Klagen wegen Misshandlung und Demütigung geführt haben, aber es heißt auch, dass die Aufnahmen "nicht notwendigerweise etwas Illegales" zeigen. Die Navy hatte nach der Veröffenttlichung eine Untersuchung eingeleitet, um die Identität der Soldaten herauszufinden und zu klären, was sie gemacht haben. Jeff Bender, Sprecher des Naval Special Warfare Command, erklärte, dass die Fotos zumindest eine Verletzung des Verbots seien, Bilder von Gefangenen zu machen, wenn diese nicht der Aufklärung oder militärinternen Zwecken dienen. Zudem zeigen die Fotos nicht nur manche Gesichter von Gefangenen, sondern auch die der Navy SEAL-Angehörigen. Das könne diese selbst oder ihre Familienangehörigen gefährden.
Die Frau, die die Fotos bei smugmug zum Verkauf anbot, kritisierte schließlich, dass ein Reporter das Fotoalbum überhaupt einsehen konnte. Angeblich habe sie die Fotos nur dort gepostet, um sie später zu ordnen oder zu löschen. Auf der Website findet man noch zahlreiche weitere Fotos aus dem Irak. Die von Bender durchgeführte Untersuchung hatte zunächst ergeben, dass die Mehrzahl der Bilder legitime Maßnahmen zeigten, wie sie beim Sammeln von Informationen durchgeführt werden. Bei anderen aber sei dies zweifelhaft. Es seien bereits einige SEAL-Mitglieder vernommen worden, aber Mitte Dezember kündigte man weitere Untersuchungen an.
Unabhängig von den offiziellen Untersuchungen der Navy haben nun sechs SEAL-Angehörige und zwei ihrer Frauen eine Klage gegen AP eingereicht. Die weltweite Veröffentlichung der Bilder habe sie und ihre Familien in Gefahr gebracht. Der Artikel habe unterstellt, dass die US-Soldaten die irakischen Gefangenen misshandeln. Es habe aber keine Misshandlung stattgefunden. Die Kläger, die anonym bleiben, berufen sich darauf, dass die Fotos Bestandteil normaler Einsätze sind. Zudem seien die Fotos "ohne Erlaubnis oder Hinweis" aus dem mit einem Kennwort geschützten "persönlichen digitalen Fotoalbum" einer Navy-Frau entnommen worden.
AP weist diese Beschuldigungen zurück. Die Seite sei bis zur Veröffentlichung der Fotos durch AP nicht mit einem Kennwort geschützt gewesen. Der Rechtsvertreter der Kläger kritisiert überdies, dass AP nicht die Gesichter der Soldaten hätten zeigen müssen: "Die Seals haben durch Schwärzen von deren Gesichtern mehr Respekt vor den Aufständischen und Terroristen gezeigt, die sie festnahmen, als die AP vor den Navy Seals, die im Irak ihr Leben riskierten." Die Verbreitung von Fotos, auf denen die Gesichter von Mitgliedern der Eliteeinheit zu sehen sind, sei vergleichbar mit der Aufdeckung der Identität eines CIA-Agenten. Die Fotos seien nicht, wie der Rechtsanwalt sagt, "für die Konsumenten der Welt und zur Erkenntnis von al-Dschasira" im Internet gepostet worden. Das aber hätte sich wohl die Ehefrau, die die Fotos mit den ungeschwärzten Gesichtern auf eine Website stellte, erst einmal besser überlegen sollen - und auch ihr Mann, der diese ganz offensichtlich für den privaten Gebrauch verwendete. Mit der Klage gehen natürlich auch Schadensersatzforderungen in unbekannter Höhe einher.