Warum Emma Mia schlägt
Wie soziale Normen entstehen
2014 stand in der Statistik des Namensforschers Knud Bielefeld erstmals seit fünf Jahren ein neuer Name auf der Hitliste der Mädchen-Vornamen ganz oben: Emma schlug Mia, während Ben weiterhin die Spitzenposition vor Luis hielt. Die Hälfte aller Frauen zwischen 18 und 25 rasiert sich laut einer inzwischen nicht mehr ganz frischen Studie (von 2009) im Intimbereich. Glaubt man Männerzeitschriften wie "Men's Health", soll dieser Trend inzwischen auch auf die Herren der Schöpfung übergegriffen haben.
Wie entstehen solche sozialen Normen, die sich im mal auf das ganze Leben, mal nur auf den Saunabesuch auswirken? Ist irgendein übergreifender Einfluss daran schuld, etwa die Medien, die alle Menschen gleich schalten? Das haben Forscher mit einem interessanten Experiment untersucht. In den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) berichten sie davon.
Die Forscher rekrutierten dazu über Online-Anzeigen Teilnehmer für ein simples Web-Spiel. Das "Name Game" zeigte je zwei Mitspielern ein Porträtfoto und bat die Teilnehmer dann, einen Namen dafür auszusuchen. Wählten die Probanden den selben Namen, gewannen sie Geld - wählten sie den falschen, verloren sie eine kleine Summe und bekamen die Wahl des Partners angezeigt. Danach folgte eine neue Runde mit dem gleichen Mitspieler.
Was die Probanden allerdings nicht wussten: Die Forscher hatten sie an bestimmten Positionen eines sozialen Netzwerks platziert. Dabei testeten sie drei Typen von Netzwerken: Beim geografischen Netzwerk interagierten die Spieler mit den vier ihnen räumlich nächsten Probanden. Beim zweiten Netzwerktyp wurden die Mitspieler zufällig aus der ganzen Welt rekrutiert. Im dritten Netz schließlich wurden die Teilnehmer grundsätzlich zu jeder neuen Runde neu ausgelost.
Die Erwartung an das Experiment scheint klar zu sein: Kooperation, also die Einigung auf eine gemeinsame Norm, sollte einfacher sein, wenn die Teilnehmer wiederholt miteinander spielen. Tatsächlich war allerdings das Gegenteil der Fall: In den ersten beiden Netzwerktypen kristallisierten sich zwar schnell bestimmte Favoriten heraus. Aber das genügte nicht. Es erwies sich für die Probanden als überraschend schwierig, sich auf ganz bestimmte Namen zu einigen.
Anders bei den zufällig zusammengestellten Teams: Hier schien oft zunächst überhaupt keine Übereinstimmung zu herrschen. Doch dann setzte sich oft plötzlich ein einzelner Name als großer Gewinner durch - und die Probanden konnten auch im Spiel absahnen. Das blieb auch so, als die Forscher den Kreis von 24 auf 48 oder 96 Spieler erweiterten.
Die Wissenschaftler interpretieren die aus dem Chaos entstehende Ordnung als ein für die Physik chaotischer Systeme typisches Phänomen, einen Symmetriebruch. Dass sich darüber auch die Mechanismen sozialer Netzwerke erklären lassen, ist trotzdem überraschend. Gleichzeitig widerlegen die Versuche auch die These, dass sich die Entstehung sozialer Normen steuern ließe: Sie entwickeln sich offenbar vielmehr spontan.