Warum Sicherheit für Israelis und Palästinenser nur zugleich möglich ist

Seite 2: Die Palästinafrage gehört wieder auf die Agenda

Was eben bedeutet, nicht nur die Unantastbarkeit des Existenzrechts von Israel zu bekräftigen, sondern gleichermaßen das Existenzrecht Palästinas anzuerkennen und durchzusetzen. Wozu es der Lösung der Palästinafrage auf der Grundlage der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, nämlich in den Grenzen von 1967, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt des Palästina-Staates, bedarf.

Und wie dies analog auch in der 2002 von der Arabischen Liga verabschiedeten und auf dem Gipfeltreffen 2023 erneuerten "Arabischen Initiative" zur Normalisierung der Beziehungen mit Israel festgeschrieben ist. Jedoch ist Israel auch in die Pflicht zu nehmen, seine Politik der Unterminierung der Zwei-Staaten-Lösung zu beenden.

Weder ist das beständig forcierte Siedlungswesen hinzunehmen, welches eine flagrante Verletzung des Völkerrechts, darunter auch des Kriegsvölkerrechts darstellt, da es einer Besatzungsmacht verboten ist, permanente Veränderungen in den von ihr kontrollierten Gebieten vorzunehmen. Noch darf unwidersprochen bleiben, wenn der Koalitionsvertrag der jetzigen israelischen Regierung das exklusive und unveräußerliche Recht auf alle Gebiete des Landes Israel bekräftigt und sich der Ministerpräsident dazu verpflichtet, eine solche Politik zu verfolgen, die die Herstellung der israelischen Souveränität über Judäa und Samaria, also des palästinensischen Westjordanland, ermöglicht.

Umso dringlicher deshalb ist, die Palästinafrage mit Nachdruck auf die internationale politische Agenda zu setzen; mit dem Ziel, Gerechtigkeit auch für das palästinensische Volk zu schaffen und den für alle beteiligten Seiten fatalen Zyklus von Gewalt und Gegengewalt endlich zu beenden.

Wie anderswo, so gilt auch in der Nah- und Mittelostregion: Dauerhafte Sicherheit und stabiler Frieden sind nicht gegeneinander zu erreichen. Dementsprechend bedarf es des fairen Interessenausgleichs zwischen Israelis und Palästinensern auf der Basis der friedlichen Koexistenz zwischen allen hier beheimateten Staaten.

In diesem Sinne sucht nicht zufällig insbesondere China – nach der erfolgreich vermittelten Aussöhnung zwischen Iran und Saudi-Arabien im März dieses Jahres – alles daranzusetzen, eine internationale Nahost-Friedenskonferenz – nach dem Muster der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, zu initiieren.

Gemeinsam mit anderen geht es jedoch auf dem Weg dahin erst einmal darum, einen sofortigen Waffenstillstand durchsetzen zu helfen, um das furchtbare Töten zu beenden und den gegenseitigen Hass nicht noch weiter zu schüren.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Welttrends. Er erscheint in der kommenden Magazinausgabe.

Prof. Dr. Karin Kulow ist Arabistin und Islamwissenschaftlerin. Sie hat über viele Jahre zur Entwicklung politischer Systeme in arabischen Nahostländern und zum israelisch-palästinensischen Konflikt geforscht und gelehrt.