Warum Südafrika Militärübungen mit Russland und China durchführt

Außenministerin Naledi Pandor aus Südafrika und ihr russischer Kollege Sergej Lawrow beim BRICS-Außenministertreffen 2019 in Rio de Janeiro, Brasilien. Bild: DIRCO / CC BY-ND 2.0

Südafrika verhält sich neutral gegenüber der Ukraine und kooperiert militärisch mit "Freunden". Auch andere Staaten wie Indien, Brasilien, Indonesien oder Mexiko weigern sich, an der Verbündeten-Parade teilzunehmen. Was passiert da?

Für die USA und Europa ist der Widerstand gegen die russische Invasion in der Ukraine ein moralischer Kreuzzug. Doch zum Entsetzen der westlichen Staats- und Regierungschefs hat der globale Süden – der bevölkerungsmäßig größer ist und an Wirtschaftskraft gewinnt – die Bitten des Westens, sich dem Kampf anzuschließen, zurückgewiesen.

Doug Bandow ist Senior Fellow am Cato Institute. Er hat für zahlreiche Medien wie Foreign Policy, New York Times und die Washington Post veröffentlicht.

Die Scheinheiligkeit der Verbündeten findet in den Hauptstädten, die von westlichen Regierungen lange schikaniert worden sind, wenig Anklang. Die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor stellt fest, dass die geplanten Militärübungen mit Russland und China vom 17. bis 24. Februar vor der Küste ihres Landes der "natürliche Ausdruck von Beziehungen" mit "Freunden" seien – was im offensichtlichen Gegensatz dazu steht, sich Washington und Brüssel militärisch gegen Moskau anzuschließen.

Südafrikanische Beamte sagen nun, dass sie sich in der Ukraine neutral verhalten wollen, und haben sogar darüber gesprochen, als Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu fungieren.

Pandor wies darauf hin, dass Pretoria nicht mehr auf einen einseitigen Rückzug Russlands drängt, eine Position, die "angesichts der massiven Waffenlieferungen [an die Ukraine] ... und all dem, was [seitdem] geschehen ist, ziemlich vereinfachend und kindisch" wäre.

Darüber hinaus hat Pandor laut Reuters "den Westen beschuldigt, Russland zu verurteilen, während man Themen wie Israels Besetzung palästinensischer Gebiete ignoriert."

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine war kriminell und ungerechtfertigt, hätte aber die verbündeten Hauptstädte im Westen nicht schockieren dürfen. Obwohl Wladimir Putin für die Kriegsentscheidung verantwortlich ist, trägt der Westen eine erhebliche Schuld, weil er die zahlreichen Warnungen vor dem gefährlichen eigenen Kurs ignoriert hat, die sogar von seinen eigenen Analysten kamen.

Wie bei früheren Kriegen gab es wenig Raum für Widerspruch. Die gängige Linie beinhaltet nicht vernünftige, maßvolle Unterstützung für die Ukraine und dementsprechende Sanktionen gegen die russische Regierung, sondern zunehmend einen Stellvertreterkrieg gegen Moskau, fast ohne Rücksicht auf das Risiko einer Eskalation und Vergeltung.

Diese arrogante Gewissheit und eskalierende Verantwortungslosigkeit hat in den USA und Europa Unbehagen ausgelöst. Aber wie bei der Vorbereitung der Invasion des Irak durch die Bush-Regierung im Jahr 2003 hat die elitäre Gewissheit jeden Anflug von Skepsis und jeden Hauch von Opposition beiseitegeschoben.

Kaum ein Leitartikel wird geschrieben, Webinar geführt, eine Rede gehalten oder ein Interview in Washington veröffentlicht, in dem nicht zu mehr Unterstützung für Kiew aufgerufen wird. Was früher undenkbar war – zuletzt zum Beispiel die Lieferung von hochmodernen Abrams-Panzern – ist inzwischen unausweichlich geworden.

Ähnlich ist die Stimmung in Europa. Die Bedenken des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wurden automatisch, wenn auch vielleicht verständlicherweise, abgetan. Wirtschaftliche Verwerfungen und Energieschocks haben Proteste in der Bevölkerung ausgelöst, wie etwa im vergangenen Herbst in Prag. Eine beträchtliche Anzahl von Tschechen, 42 Prozent, stimmte kürzlich für den rechtspopulistischen Kandidaten Andrej Babiš bei der tschechischen Präsidentschaftswahl.

Zumindest in Europa sind viele derjenigen, die die Ukraine unterstützen, für eine rasche Beendigung der Kämpfe, was eine implizite Absage an das westliche Mantra darstellt, wonach allein Kiew entscheiden kann, wann die Verhandlungen beginnen sollen. Eine Umfrage in zehn Ländern im vergangenen Jahr, so berichtet der Guardian, "ergab, dass trotz der starken Unterstützung in ganz Europa für den Antrag der Ukraine zum EU-Beitritt und die Politik des Westens, die Beziehungen zu Moskau abzubrechen, viele Wähler in Europa ein möglichst baldiges Ende des Krieges wünschen – selbst wenn das bedeutet, dass die Ukraine Territorium verliert."

Die anhaltende Spaltung zeigte sich auch in der Einschüchterung, der sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wegen der Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ausgesetzt sah. In Washington oder Brüssel war es schwierig, eine Stimme zu finden, die die deutsche Reaktion nicht als knauserig und passiv anprangerte, trotz der radikalen Abkehr Berlins von seiner gängigen Politik. Europäische und amerikanische Analysten drängten ebenso wie ukrainische Regierungsvertreter zu Taten.

Lehre des Ukraine-Kriegs: Vorherrschaft des Westens schwindet

Noch bemerkenswerter ist jedoch der Mangel an Begeisterung für den Kreuzzug des Westens außerhalb der amerikanisch-europäischen Achse und der wenigen asiatischen Verbündeten Amerikas. Tatsächlich hat von den zehn bevölkerungsreichsten Nationen der Welt nur eine, die USA, Moskau sanktioniert.

Wenige waren überrascht, dass China sich weigerte, seinem Partner Russland den Wirtschaftskrieg zu erklären. Aber auch Indien bedient sich beim billigen russischen Öl. Indonesien hält an seinem blockfreien Kurs fest und hat Moskau zum G-20-Treffen eingeladen. Auch Pakistan, Brasilien, Nigeria, Bangladesch und Mexiko weigerten sich, an der Parade der Verbündeten teilzunehmen.

Der mexikanische Präsident erklärte: "Wir sind nicht der Ansicht, dass uns [dieser Konflikt] betrifft". Auch Argentinien, Brasilien und Kolumbien weigerten sich, den USA Waffen, die sie zuvor von Russland erworben hatten, im Tausch gegen amerikanische Waffen zu übergeben.

Natürlich unterstützt keines dieser Länder formell Moskaus Krieg. Einige kritisierten die russische Aggression und die nukleare Panikmache. Aber sie haben einen alternativen Markt für verbotene Waren, vor allem für Erdöl und Erdgas, bereitgestellt, und damit die russische Staatskasse mit Bargeld geflutet.

Die Türkei, die derzeit den Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato blockiert, hat den russischen Betrieb mit Flugzeugen amerikanischer Bauart zugelassen und den Kauf von Treibstoff und Ersatzteilen für diese Flugzeuge erleichtert. Die Vereinigten Arabischen Emirate bieten weiter Flugverbindungen für Russen an, insbesondere für die Privilegierten und Reichen. Auch Saudi-Arabien hat seine Beziehungen zu Moskau intensiviert. Solche neu gefundenen Handelspartnerschaften bieten wahrscheinlich auch Möglichkeiten zur Umgehung von Sanktionen.

Weit davon entfernt, sich der allgemeinen diplomatischen und wirtschaftlichen Offensive des Westens gegen Moskau anzuschließen, griffen Mitglieder des globalen Südens auf ihre Wurzeln zurück, die in der Bewegung der Blockfreien Staaten während des Kalten Krieges liegen. Ewa Dabrowska stellt fest:

Da der Krieg gegen die Ukraine sowohl die Psychologie als auch die Geopolitik des Kalten Krieges und den Konflikt zwischen Russland/Sowjetunion und der Nato wiederbelebt hat, haben sich auch Indien und Südafrika auf Narrative aus dieser Zeit berufen.

Es geht jedoch um mehr als nur um Neutralität. Alvin Botes, ein stellvertretender Minister in Südafrika, sieht die Entstehung eines Gegenblocks:

Solange es eine Interessenkonstellation gibt, die von den Großmächten gesteuert wird und die Interessen des unterentwickelten Südens mitunter völlig außer Acht lässt, gibt es einen Bedarf für die Bewegung der Blockfreien.

Der Druck des Westens wird den Widerstand des globalen Südens wahrscheinlich nur noch verstärken. Die derzeitige Position des Südens, so Sarang Shidore vom Quincy Institute, ist "viel weniger institutionalisiert, weniger ideologisch, und basiert mehr auf nationalen Interessen. Das macht sie beständiger und schwieriger, mit den Instrumenten zu bekämpfen, die die Vereinigten Staaten traditionell eingesetzt haben". Schließlich hat der Westen in den letzten Jahren seinen Ruf verloren, prinzipienfest und kompetent zu sein.

Die Entwicklungsländer sehen die Welt eher als multipolar denn als bipolar an, betonen die wirtschaftliche Entwicklung, haben kaum ernsthafte Streitigkeiten mit Moskau (und China) und wollen sich nicht zwischen Russland und Amerika entscheiden.

Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi bringt es derart auf den Punkt: "Wir weigern uns, in einem neuen Kalten Krieg mitzuspielen." Man kann den Kritikern des Westens nicht verübeln, wenn sie glauben, dass die oft beschworene regelbasierte liberale internationale Ordnung weder liberal noch regelbasiert ist und dass ihre Regeln nach Belieben von Washington gebrochen werden.

Der Ukraine-Krieg enthält viele Lehren, unter anderem die, dass die Vorherrschaft des Westens weiter schwindet.

Die Bereitschaft Südafrikas, Militärübungen mit Russland und China durchzuführen, sowie der Widerstand des globalen Südens gegen den Stellvertreterkrieg der Alliierten gegen Russland, deuten darauf hin, dass das 21. Jahrhundert weder das amerikanische noch das chinesische Jahrhundert sein wird, sondern etwas viel Komplexeres.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft in den USA. Übersetzung: David Goeßmann.

Doug Bandow ist Senior Fellow am Cato Institute und ehemaliger Sonderberater von Präsident Ronald Reagan. Zuvor war er bei der Heritage Foundation tätig. Er schreibt eine wöchentliche Kolumne für Antiwar.com. Zuvor war er Kolumnist für Forbes Online. Er hat zahlreiche Artikel in Zeitschriften wie Foreign Policy, Time, Newsweek und Fortune sowie in führenden Zeitungen wie der New York Times, dem Wall Street Journal und der Washington Post veröffentlicht. Er hat mehrere Bücher geschrieben, darunter "Foreign Follies: America's New Global Empire", "Tripwire: Korea and U.S. Foreign Policy in a Changed World" und "The Politics of Plunder: Misgovernment in Washington".