Warum der Staatsschutz eine "Transfrau" vor Linken, Rechten und Islamisten schützen musste

Seite 3: Warum am Ende der Staatsschutz einschreiten musste

Ihre Genossinnen und Genossen in Hamburg waren jedenfalls not amused. In geleakten Chatprotokollen war von Mordgedanken zu lesen.

Bijan Tavassoli: Darüber war ich wirklich entsetzt. Ich hatte schon in der Vergangenheit wegen meiner politischen Aktivitäten ernsthafte Morddrohungen von Nazis erhalten.

Aber dass nun meine eigenen Genossinnen und Genossen, für die ich seit über 15 Jahren, also mehr als mein halbes Leben, Plakate geklebt, Podiumsdiskussionen organisiert und Infostände betreut habe, mir nicht nur offen den Tod wünschen, sondern in einer geschlossenen Telegram-Chatgruppe mit fast 100 Mitgliedern ohne jedes Schamgefühl geradezu lustvoll gemeinsam Tötungsphantasien bis hin zu detaillierten Mordplänen diskutieren, hat mich fassungslos gemacht.

Zum Glück gab es auch in dieser Gruppe, in der Mandatsträger aus Landtagsfraktion und Landesvorstand vertreten waren, anständige Menschen, die zwar nicht den Mut hatten, diesen Plänen offen entgegenzutreten, sie aber durch anonyme Veröffentlichung wirksam vereitelt haben, und zum Glück ist die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes für links- wie rechtsextremistische Gewalttaten sensibilisiert und nimmt geäußerte Tötungsabsichten sehr ernst.

Die Rolle hat sich ja auch zugespitzt: Von der Bewerbung als selbsterklärte Frau bis hin zur islamischen Transfrau. Das hat die Kritik sicher nicht geschmälert, oder?

Bijan Tavassoli: Ganz im Gegenteil! Mir wurde von Teilen der Linken geradezu Blasphemie vorgeworfen und dass ich mit der Verbindung dieser zwei Themen indirekt der extremen Rechten nützen würde. Das war nun keineswegs meine Absicht, weswegen ich diese Kritik auch sehr ernst genommen habe. Die Verbindung von Fragen geschlechtlicher mit religiöser Identität war allerdings nicht willkürlich von mir gewählt, sondern von Geburt an in meiner Person angelegt.

Wenn das Scharia-"Recht" mich als Kind eines im Iran von einem Moslem geborenen Vaters nun einmal ohne mich zu fragen als Moslem ansieht, dann fällt es schwer, meine Identität zu finden, ohne mich eben auch mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Ein berechtigter Vorwurf wäre sicher gewesen, ob ich das unbedingt in dieser Form in der Öffentlichkeit hätte machen müssen. Das sehe ich mittlerweile selbst kritischer. Auf jeden Fall aber ist es nicht schön, wenn man Morddrohungen von Rechten, Islamisten und Linken gleichzeitig bekommt.

Es blieb ja bis zum Ende immer etwas unklar, ob die Rolle satirisch oder ernst gemeint war. Inwieweit war das ein Vorteil, inwieweit Problem?

Bijan Tavassoli: Es gab Missverständnisse durch die fehlende Trennung zwischen realer Person und Kunstfigur, das stimmt. Ein Martin Sonneborn wandelt auf diesem schmalen Grat. Aber ich verstehe jetzt, warum es Künstlernamen gibt und warum man im Journalismus keine Witze machen darf.

Als ich am 1. April meine Absicht verkündete, die Arbeitsgemeinschaft der Transmuslimas in der AfD zu gründen, riefen mich Jugendfreunde an und wollten mir - bis ich sie auf das Datum hinwies - allen Ernstes ausreden, in die AfD einzutreten.

Was war Ihre Intention, wie hat sie sich geändert?

Nach Corona war die Welt auf absurde Art furchtbar ernst geworden. Ich wollte mich bewegen, um meine Fesseln zu spüren, mich in dieser neuen Welt orientieren. Dabei hatte ich nicht die politische Intention eines Zehn-Punkte-Planes. Es waren eher Fragen eines lesenden Arbeiters, Fragen in meinem Kopf, auf die ich keine Antwort fand. Die Antworten habe ich dann in der Wirklichkeit gefunden.

Was haben sie also erreicht?

Bijan Tavassoli: Ich habe der Linkspartei schweren Schaden zugefügt, das meinen jedenfalls einige Funktionäre, die ein Parteiausschlussverfahren gegen mich beantragt haben. Die Bundesschiedskommission sah das anders.

Nein, tatsächlich habe ich viel darüber gelernt, was Geschlechterrollen heute noch für eine realitätsprägende Kraft haben. Vormalige Gewissheiten haben sich für mich und für Menschen, die meine Performance kritisch begleitet haben, in Luft aufgelöst. Auf viele Fragen habe ich keine Antworten, neue Fragen sind dazugekommen.

Zumindest habe ich aber auf allen Seiten des politischen Spektrums eine lebhafte Diskussion angestoßen und so etwas kann doch vitalisierend auf eine demokratische Gesellschaft wirken.

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