"Islamische Transfrau" als Satire: "Nehme die Titulierung Troll als Ehrentitel gerne an"
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Trans oder Troll – oder nichts davon? Bijan Tavassoli über rechte und linke Reaktionen auf eine Gender-Parodie, den Staat und das Intimleben sowie den Ukraine-Krieg. (Teil 2 und Schluss)
Herr Tavassoli, wir sprechen im zweiten Teil dieses Interviews weiter über Ihre Gender-Parodie, die mit einer Kandidatur als selbsterklärte Trans-Frau auf einem Landesparteitag der Linken vor einem Jahr in Hamburg begann.
Über Morddrohungen und Gewaltphantasien in Chatprotokolle der Hamburger Linken haben wir schon gesprochen. Wie fielen die Reaktionen aus? Kritik von Linken, Zuspruch von Rechten – kann man das so sagen?
Bijan Tavassoli: Überhaupt nicht. Viele Rechte mussten ja erst von ihren Gesinnungsfreunden belehrt werden, warum sie mich gut finden müssten. Da gab es hitzige Debatten in Kommentarspalten, in denen simpler gestrickte Rechte abfällige Bemerkungen über meine vermutete sexuelle Orientierung und den Migrationshintergrund meiner Familie gemacht hatten. Schlauere Köpfe aus derselben Szene mussten ihnen dann die kunsttheoretischen Feinheiten der Aktion erläuterten.
Die simpler gestrickten Rechten gingen darauf dann in der Regel aber nicht ein, sondern schrieben stur Kommentare wie: "Der muss das doch ernst meinen". Oder: "egal was der/die/das damit ausdrücken will so etwas hätte es früher in unserem Land nicht gegeben".
Mir taten die Kommentatoren, die da in aufklärerischer Mission in rechten Gefilden unterwegs waren, trotz ihrer Gesinnung, aufgrund der Ignoranz ihrer politischen Wegbegleiter teilweise echt leid.
Es gab offenbar aber auch viele Rechte, die sich durch mich erstmals mit queer-feministischer Theorie konfrontiert sahen, obgleich sie es zunächst nicht ernst nahmen. Aber Sie glauben nicht, wie viele Privatnachrichten ich bekommen habe, nach denen jemand erst durch meine Aktion entdeckt hat, dass er queer ist.
Gleichzeitig gab es auch von Links unter der Hand viel Zuspruch, den sich jedoch, und das ist wirklich zum Problem für die politische Linke geworden, kaum jemand öffentlich zu äußern traute.
Wie haben Sie reagiert?
Bijan Tavassoli: Im "Stolzmonat", also dem von Rechten propagandistisch ausgerufenen Pendant zum "Pride Month", wurde deutlich, wie viele meiner Follower ihr Profilbild zu einer Deutschlandfahne geändert hatten. Das hat mich hart getroffen. Da wurde mir klar, dass ich klare Worte finden muss, um nicht in einem schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer unterzugehen.
Aber auch aus der LGBTQIA+-Community kam harsche Kritik. Warum?
Bijan Tavassoli: Ich habe die Kritik zu spät verstanden, denn die extremsten Stimmen waren die lautesten, aber ich fand sie am wenigsten überzeugend. Als ich für ein Musikvideo zum Song "Ich bin jetzt eine Frau" unbeholfen auf einem Trampolin hüpfte, bekam ich keine queertheoretischen Leseempfehlungen mit Seitenzahlen und Fußnoten.
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Stattdessen warfen mir Kommentatoren vor, ich würde fröhlich auf Leichenbergen ermordeter Transkinder tanzen und verglichen mich mit Diktatoren und Massenmördern. Das löste bei mir zunächst eine Abwehrhaltung aus. Diejenigen, die differenziertere Positionen vertraten, waren zurückhaltender und kamen erst später auf mich zu.
Hatten Sie diese Reaktionen erwartet?
Bijan Tavassoli: Gerade von der queeren Community hätte ich mehr Geschichtsbewusstsein erwartet. Oft wurde ich abwertend als Troll bezeichnet, offensichtlich, ohne dass den Benutzern des Begriffs dessen Etymologie bekannt war. Telepolis-Leser werden den Begriff wahrscheinlich kennen, aber ich hätte auch erwartet, dass die LGBTQIA+-Community den ersten Troll der Netzgeschichte kennt. Es war ein Transgender, Mark Ethan Smith.
Weil er die Beziehungen zwischen Silicon Valley und der Rüstungsindustrie immer wieder kritisierte und vor allem, weil er darauf bestand, dass man die von ihm gewählten männlichen Pronomen respektiert, wurde er als Troll bezeichnet und im Oktober 1986 als erster Mensch aus einem Internetforum geworfen. Heute wird sein Nachlass in den Archiven der Harvard University aufbewahrt.
Wenn ein Troll also einfach jemand ist, der seiner Zeit ein paar Jahrzehnte voraus ist, dann nehme ich die Bezeichnung "Troll" natürlich gerne als Ehrentitel an. Die geschichtsvergessenen Aktivisten, die ihn mir in diffamierender Absicht entgegenschleuderten, meinten es leider anders.
Ihre ganze Aktion hat also mit der Kritik an der Frauenquote begonnen und endete in einem großen Missverständnis? Halten Sie denn an der Kritik an Listenplätzen für Frauen und Genderpolitik fest?
Bijan Tavassoli: In der SPD gibt es eine 40-Prozent-Quote für Männer und Frauen jeweils. Damit wird eine Diskriminierung beider Geschlechter ausgeschlossen. Das halte ich für eine bessere Lösung als die 50-Prozent-Frauenquote der Linken.
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