Warum die Demokraten bei den US-Wahlen so schlecht abgeschnitten haben
... abgesehen davon, dass sie Donald Trump bezwingen konnten. Ein Kommentar.
Auch unabhängig davon, dass sie sich bei den Präsidentschaftswahlen selbst in den sogenannten Swing-States äußerst schwer getan haben, den offensichtlich korrupten, inkompetenten, verlogenen und konzernhörigen Donald Trump zu besiegen, haben die Demokraten am 3. November ein durchaus schlechtes Wahlergebnis eingefahren.
Für den Wahlkampf waren die Demokraten mit doppelt so viel Fonds ausgestattet wie die Republikanische Partei. Doch ungeachtet dieses Finanzpolsters hat die Partei bewiesen, dass schwache Kandidaten ohne eine solide Agenda für den Alltag, die Arbeit und die Familien der Wählerinnen und Wähler ein Garant sind zu scheitern.
Denn am Ende haben die Demokraten sich nicht überzeugend gegen die schlimmste, grausamste, ignoranteste, gesetzesverachtende und realitätsverweigernde Republikanische Partei in deren 166-jährigen Geschichte durchsetzen können.
Den Demokraten gelang es zudem nicht, die Senatsmehrheit zu gewinnen, obwohl auf ihrer Seite fast doppelt so viele Senatoren zur Wiederwahl standen als bei den Republikanern. Im Repräsentantenhaus verlor die Demokratische Partei sogar Sitze. Auch haben es die Demokraten in keinem Bundesstaat geschafft, eine bestehende republikanische Mehrheit zu kippen, sodass sie es den Republikanern ermöglicht, die Wahlbezirke der Bundesstaaten weiterhin zu ihren Gunsten zu manipulieren.
Wird all dies zu einer ernsthaften und selbstkritischen Debatte in der Demokratischen Partei führen? Darauf sollten Sie lieber nicht wetten. Die Republikaner hatten immerhin versucht, aus ihren Verlusten im Jahr 2012 zu lernen, was zu ihrem erneuten Erfolg führte. Die Demokratische Partei sucht stattdessen jetzt bereits nach Sündenböcken, wie etwa Kandidaten von dritten Parteien.
Werden sich die Hauptverantwortlichen dieser unentschuldbaren Niederlage, Senator Chuck Schumer und Abgeordnetenhaussprecherin Nancy Pelosi, erklären? Werden sie ein wenig Verantwortung übernehmen? Werden sie der US-amerikanischen Bevölkerung erklären, warum sie ihre kommerziellen Medienberater so viel Geld für seichte, wenig wirkungsvolle Fernsehwerbung haben verpulvern lassen, um die Wähler – über die Motivation zur Abwahl Trumps hinausgehend – zur Abgabe ihrer Stimme zu motivieren?
Offene Fragen der Anhänger von Sanders und Warren
Ein Drittel aller Wahlberechtigten ist dennoch zu Hause geblieben. Könnte ein Teil des Problems in der 15-prozentigen Provision liegen, die die Berater aus den TV-Werbeeinnahmen erhalten, während ein unentgeltlicher Straßenwahlkampf läuft?
Können führende Persönlichkeiten der Demokraten den Wählern progressiver Kandidaten wie Bernie Sanders und Elizabeth Warren, deren Willen ignoriert wurde, hinreichende Antworten darauf geben? Können sie eine Antwort darauf geben, warum das Existenzminimum, die massive Wirtschaftskriminalität und das von den Republikanern im Mai blockierte Konjunktur- und Entlastungspaket (einschließlich einer Verlängerung der wöchentlichen Zusatzzahlungen von 600 US-Dollar für Millionen verzweifelter Arbeiter und Nothilfe für lokale Behörden während der Covid-19-Pandemie) nicht ins Zentrum der Debatte gestellt wurden? Warum sich die Demokraten weigerten, eine Kampagne für eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle zu führen, die von 70 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung befürwortet wird?
In diesem Zusammenhang hat der Politik- und Medienexperte Bill Hillsman Recht mit seinem Hinweis, dass die Demokraten es verpasst haben, weiße Arbeiter in Industrie und Handwerk anzusprechen, die sich bei der Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump im Jahr 2016 von den Demokraten abgewandt hatten.
Generell hat die Demokratische Partei seit langem ein Problem mit ihrer Authentizität. Angekündigt wurde zwar stets ein umfassendes Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen zum Ausbau der Infrastruktur, das durch die Rücknahme von Unternehmenssteuersenkungen und das Stopfen von Steuerschlupflöchern finanziert werden sollte. Aber das wird von vielen Wählern als ein zu unambitioniertes Vorhaben wahrgenommen.
Die Demokraten hätten auf lokaler Ebene erklären sollen, wie die Modernisierung unserer Schulen, Kliniken, Straßen, Nahverkehrssysteme, Wasserwerke und anderer öffentlicher Dienste mit gut bezahlten Arbeitsplätzen sowie durch Entschlossenheit und Integrität erreicht werden können.
Währenddessen bewiesen die "Trumpsters" wilde Entschlossenheit im Kampf für ihren egozentrischen und diktatorisch agierenden Möchtegern-Staatschef Donald. Sie setzten auf mehr Kundgebungen und Plakate sowie einen verstärkten Tür-zu-Tür-Wahlkampf.
Hohn und Spott ersetzt keine politische Auseinandersetzung
Die Demokraten haben die fehlerhaften Umfragen indes erneut falsch interpretiert, indem sie davon ausgingen, die prognostizierte Rekordwahlbeteiligung komme in erster Linie ihnen zugute und nicht auch dem Trump-Lager, das durchaus auch mehr Stimmen mobilisieren konnte.
Viele Funktionäre der Demokraten sind Trump mit Hohn und Spott begegnet, anstatt deutlich zu machen, wie seine andauernde Gesetzesverachtung und die wiederholten Verletzungen der Verfassung der Bevölkerung geschadet haben und wie er die Regierung dem Großkapital untergeordnet hat, das seither nach eigenem Gutdünken schalten und walten kann.
Trump bricht indes auf kriminelle Weise Bundesrecht. Beispiele dafür sind der Umgang mit dem Hatch-Gesetz oder dem Anti-Defizit-Gesetz, sein Missbrauch von Bundesbesitz, einschließlich des Weißen Hauses, für seine Kampagne, die illegale Verwendung von Geldern und seine dreiste Missachtung zahlreicher Untersuchungsvorladungen des Repräsentantenhauses.
Doch weder Joe Biden oder Barack Obama noch die Demokratische Partei haben diese korrupte Behinderung der Justiz zu zentralen Themen gemacht und auf die politische Agenda gesetzt. Sie ignorierten sogar Trumps wiederholte kriminelle Übergriffe auf Frauen.
Diese zahlreichen offensichtlich verpassten Gelegenheiten hatten Konsequenzen. Leiden die Trump-Wähler und ihre Familien nicht auch unter den eingefrorenen Mindestlöhnen, unter dem Fehlen einer angemessenen (oder überhaupt einer) Krankenversicherung, unter den massiv steigenden Preisen für Medikamente, die Trump nicht gesenkt hat?
Trump hat Luft und Wasser in einem stärkeren Maße als bisher vergiftet und gefährlichere Arbeitsplätze zugelassen. Trump bezeichnet die Gefährdung von Menschen und des Planeten euphemistisch als "Marktöffnung". Doch in Wirklichkeit hat er mit vielen seiner Maßnahmen lediglich seine Financiers aus der Unternehmerschaft entlohnt.
Trump ist in vielerlei Hinsicht aktiver als die Demokraten. Warum fördern die Demokraten nicht mehr Gewerkschaften, mehr Verbraucherkooperativen, mehr Reformen der Wahlkampffinanzierung und warum beschreiten sie nicht andere bekannte Wege, um den direkten Einfluss der Bevölkerung zu stärken?
Demokraten haben Trump zu oft ungeschoren davonkommen lassen
Nein, die Demokraten würden ganz im Gegenteil niemals dafür eintreten, dass die US-amerikanische Bevölkerung und nicht die Konzerne kontrollieren sollten, was ihnen bereits gehört: das öffentliche Land, den öffentlichen Rundfunk oder die aktienbasierten Pensionsfonds, die ihr Geld investieren.
Die Demokraten kommen nicht einmal auf die Idee zu verlangen, dass die US-Steuerzahler am Wachstum moderner Industrien von der Luft- und Raumfahrt- über die Computerindustrie bis hin zur Agrarindustrie, Biotechnologie, der Pharmabranche und anderen Wirtschaftszweigen beteiligt werden, in deren Entwicklung Billionen US-Dollar staatlicher Investitionen geflossen sind.
Während Trump zur Gewalt auf der Straße aufruft und dann laut nach "Recht und Ordnung" schreit, verpassen es die Demokraten, im Gegenzug "Recht und Ordnung" für gewalttätige und umweltschädigende Unternehmen zu fordern, die Kinder, Verbraucher, Arbeiter und Gemeinden betrügen und schädigen sowie Regierungsprogramme wie Medicare abzocken.
Trump ist ungeschoren damit davongekommen, die Bundespolizei für Unternehmenskriminalität abzuwickeln. Auch werden die Demokraten Trump niemals wegen des explodierenden, zügellosen und unkontrollierten Militärbudget zur Rechenschaft ziehen, das dringend notwendige Mittel verbrennt.
Die Demokraten haben es, abgesehen vom Ukraine-Skandal, mehrfach abgelehnt, die Republikaner vor Gerichten anzuklagen. Dabei würde ein landesweit im Fernsehen übertragenes Verfahren über ein Dutzend von Trumps Delikten, die (so wie hier) eine Amtsenthebung rechtfertigten, selbst die überzeugtesten Trump-Anhänger innehalten lassen.
Die Demokraten haben Trump und seinen gesetzlosen Generalstaatsanwalt William Barr mit all seinen korrupten, kriminellen und verfassungswidrigen Handlungen, die das Weiße Haus in einen Tatort verwandelt haben, einfach so davonkommen lassen. Und trotz dieses Delinquenten war Trump kurz davor, das Wahlleutegremium für eine zweite Amtszeit zu gewinnen.
Beim nächsten Mal sollte die Führung der Demokratischen Partei also auf Bürgerinitiativen und Anwälte hören und nicht so selbstgefällig und selbstbezogen handeln.
Lassen Sie uns nun also sehen, wie viele der verheerenden Maßnahmen von Trump Biden zurücknehmen und aufheben wird, um eine wirklich fortschrittliche und mehrheitsfähige Politik umzusetzen.
Ralph Nader ist Anwalt für Verbraucherschutz, mehrfacher Präsidentschaftskandidat und Autor des Sachbuches Only the Super-Rich Can Save Us! Sein Artikel erschien auf Englisch bei Counterpunch.