Warum die Rundfunkgebühren erhöht werden müssen

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Geldwerte Vorteile: Die Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegen nicht in persönlichen Affären leitender Angestellter. Ein Einwurf.

Bild meint: Lückenlos aufklären!

Bild-Zeitung, 19.07.2022

Man kann immer alles besser machen. Menschen versagen. Warum sollte sich das ausgerechnet bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland anders verhalten?

Es kann niemanden ernsthaft überraschen, dass die sogenannte rbb-Affäre von interessierten Kreisen instrumentalisiert werden würde, insbesondere von allen, die schon immer gegen Fernsehgebühren waren. Dass sie nun dazu benutzt wird, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Substanz zu beschädigen.

Aber auch die Lösungsvorschläge, die jetzt präsentiert werden, kommen aus der Mottenkiste. Der alte Mythos von der Demokratisierung des Rundfunks, den die einen jetzt wieder aufwärmen, und die neoliberalen Kürzungsdebatten der üblichen Verdächtigen auf der anderen Seite, verstellen den Blick auf die eigentlichen Probleme.

Denn eine Mittelkürzung wird den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht besser machen, zumal diese nur das Programm betrifft, nicht die verfassungsrechtlich garantierten Einkommens- und Rentenbezüge.

In den letzten Jahren ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ein Opfer allumfassenden Finanzcontrollings geworden. Es ging immer nur um Kürzungen und Etat-"Verbesserung", nie um das Programm.

Das Programm: Die weiche Stelle der Sender

Da das Programm aber zugleich die weiche Stelle eines Senders ist, also der Punkt, an dem am ehesten gekürzt werden kann, wurde auch genau das getan – immer mit dem Argument, man sei ein Vollprogramm, man dürfe nicht nur Fernsehen für die gebildeten und bürgerlichen Schichten der Bevölkerung machen.

Aus solchen Behauptungen hätte man vor einigen Jahrzehnten eine Vorbildfunktion der Gebildeten abgeleitet, ihre Interessen als Zielvorstellung für die zu geschehende breite Bildung der Zuschauerschichten angesetzt. Heute geht es um immer weitere Niveau-Senkung.

Aber auch eine Demokratisierung welcher Art auch immer – auch mit Publikumsräten oder mit Beteiligung von Verbänden – wird die Substanz des Rundfunks überhaupt nicht berühren.

Jeder, der mit öffentlich-rechtlichen Sendern zu tun hat, weiß, dass dort überall schon jetzt viel zu viele, viel zu lange und mit viel zu nebensächlichen Argumenten mitreden, bis noch der letzte Reformvorschlag verwässert und der letzte originelle Gedanke aus Konzepten, Treatments und Drehbüchern herausgeschmirgelt wurde.

Originalität und Verbände

Originalität hat nicht mit Beteiligung vieler zu tun, sondern mit Entscheidungsfreiheit weniger, mit dem, was in anderen Zusammenhängen Intendantenprinzip heißt: Verantwortung muss nicht auf viele Schultern verteilt, sondern auf die Schultern weniger Einzelner konzentriert werden, und diese wenigen Einzelnen müssen für die Öffentlichkeit völlig transparent sein; sie müssen also für ihre Entscheidungen gelobt und kritisiert und zur Verantwortung gezogen werden können.

Die Möglichkeiten, sich auf andere, auf Entscheidungen von Gremien und Kommissionen herausreden zu können, müssen so stark wie möglich reduziert werden.

Die Beteiligungen von Verbänden, Parteien oder sogenannten Publikumsvertretern hätte allenfalls jene Art von Scheindiversität zur Folge, die bedeutet, dass dem "Bergdoktor" auch noch eine "Bergdoktorin" zur Seite gestellt wird.

Jede Niveau-Verbesserung wird hingegen erst recht als elitär und schnöselig kritisiert und damit verhindert werden. Jede grundsätzliche Veränderung wird durch Erhöhung der Mitsprache- und Vetorechte noch schwieriger als sie es jetzt schon ist.

Was gebraucht wird, ist im Gegenteil die Erhöhung der Produktionsmittel. Gebraucht werden zweckgebundene Gelder: für Programmverbesserung.

Das Gerede, dass Deutschland angeblich das beste Fernsehen der Welt habe, das zu dem Gedanken führt, dass man von den Programmmachern anderer Länder sowieso nichts lernen kann, muss ein Ende haben.

Wozu das Geld gebraucht wird

Statt die immer gleichen schlechten Programme zu produzieren, sollten wieder die guten Programme aus anderen Ländern angekauft werden, zum Beispiel jene Kinofilme, wie sie früher in Retrospektiven zu späterer Stunde oder in den dritten Programmen liefen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht auch mehr Informations- und weniger Unterhaltungsprogramme. Es braucht tatsächlich nicht eine eigene Krimireihe in jeder Kleinstadt. Sehr wohl aber sollten die oft kritisierten Sportrechteankäufe keinesfalls dem populistischen Zeitgeist geopfert und an die Privatsender abgegeben werden.

Denn Sport ist einer der wenigen breitenwirksamen, alle Schichten verbindenden Inhalte. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen braucht solche "Straßenfeger".

Wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Zukunft nicht mehr solche Programminhalte bereitstellen sollte, wird es nicht etwa mehr Unterstützung der Bevölkerung gewinnen und beliebter werden, sondern sich mehr Kritik aussetzen, in dem Sinn, dass man ja nun überhaupt nicht mehr wisse, wofür man seine Gebühren zahlen solle.

Wer den populistischen Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachläuft, hat das Spiel schon von vornherein verloren.

Kritik ist notwendig, aber sie wird Gründe nennen müssen. Nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich rechtfertigen, sondern seine Einschränkung durch Kürzung und politische Infragestellung.