Warum sind Rechte so erfolgreich, gegen die Energiewende zu mobilisieren?
Seite 2: Degrowth lenkt ab und ist keine Lösung
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Angesichts der neoliberalen sozioökonomischen Ordnung und ihrer Auswirkungen, die Angst, Unsicherheit und Empörung hervorrufen, ist es nicht schwer nachzuvollziehen, warum die arbeitende Bevölkerung in den Bann rechter Demagogen gerät, die es verstehen, gesellschaftliche Spaltungen auszunutzen und auf Täuschung und Manipulation mit einem politischen Repertoire zurückzugreifen, das auf fremdenfeindlichem Nationalismus sowie Recht und Ordnung beruht.
Es ist auch nicht schwer nachzuvollziehen, warum die Sorge um den klimatischen Kollaps für sie weit weniger Priorität hat, während sie darum kämpfen müssen, über die Runden zu kommen. Das Essen auf den Tisch zu bringen, die Miete zu bezahlen und die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sind Dinge, die den Durchschnittsbürger nachts wachhalten – und nicht die Klimakrise, selbst wenn er sie als große Bedrohung erkennt.
Laut einer aktuellen Umfrage des Pew Research Center genießt der Klimawandel bei den US-Wählern eine "geringere Priorität als Themen wie die Stärkung der Wirtschaft und die Senkung der Gesundheitskosten". Und Frankreichs Gelbwesten-Bewegung spricht Bände über die politischen Risiken von Ökosteuern in Verbindung mit Steuersenkungen für die Wohlhabenden, während sich der Lebensstandard in die falsche Richtung bewegt.
Hier sollte radikales kollektives, soziales und politisches Handeln ansetzen, denn es ist die einzige Hoffnung, die wir für eine nachhaltige Zukunft haben. Der heutigen Linken ist es jedoch bisher nicht gelungen, die arbeitende Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sie eine tragfähige politische Agenda hat, die sowohl ihre unmittelbaren Sorgen als auch die Klimakrise wirksam angehen kann.
Die Wirtschaftsagenden der Linken, insbesondere in Europa, enthalten lediglich Lippenbekenntnisse zur sozialen Transformation, während es ihnen an einem konkreten Aktionsplan zur Bewältigung der Klimakrise durch nachhaltige Entwicklungsstrategien fehlt. Überall in den Industrieländern bleiben die bestehenden Klimapläne unzureichend und gehen einher mit nationalen Plänen zur Erhöhung der Energiesicherheit durch weitere Abhängigkeit von neuen Öl-, Gas- und petrochemischen Infrastrukturprojekten.
Man sollte sich nicht täuschen lassen: "Öl- und Gasprojekte sind wieder in großem Stil im Kommen", wie ein Artikel der New York Times kürzlich feststellte. Und Klimaproteste allein können die globale Erwärmung nicht aufhalten. Sie haben zwar einen positiven Einfluss auf die öffentliche Meinung, doch einigen Studien zufolge können "extreme Protestaktionen" auch nach hinten losgehen.
Zudem haben eine Reihe von schlechten Ideen, wie z. B. Degrowth, an Boden gewonnen und lenken die Aufmerksamkeit von echten Lösungen für die Klimakrise sowie den Übeln des Neoliberalismus ab.
Dringend notwendig ist der Aufbau einer langfristigen progressiven Kraft rund um eine Vision linker Politik, die angetrieben wird davon, die Klimakrise durch eine radikale Beschleunigung des Übergangs weg von fossilen Brennstoffen zu bewältigen und gleichzeitig auf eine strukturelle Transformation der gegenwärtigen Wirtschaft zu drängen.
Mit anderen Worten: eine politische Plattform, die einen soliden Plan zur Stabilisierung des Klimas enthält, der einen gerechten Übergang gewährleistet, viele neue Arbeitsplätze schafft, Ungleichheit verringert und nachhaltiges Wachstum fördert. Genau darum soll es beim Green New Deal (GND) gehen, nur dass es verschiedene Versionen eines GND-Politikplans gibt, darunter auch einen, der von der Europäischen Union verabschiedet wurde.
Europas grüne Ambitionen (sie nennen ihn den "European Green Deal", und das Ziel ist, dass die EU bis 2050 netto null Treibhausgasemissionen erreicht) stehen jedoch im Widerspruch zum Streben der europäischen Länder, auf neue fossile Brennstoffe zu setzen. Weiterhin – und das ist typisch für schlecht formulierte politische Pläne des GND – hat das Europäische Parlament für EU-Vorschriften gestimmt, die Erdgas und Kernenergie als grüne Investitionen ausweisen.
Dennoch wächst die Bewegung für den Green New Deal und zeigt an mehreren Fronten positive Wirkung. Mehrere US-Bundesstaaten und über 100 Städte in den Vereinigten Staaten haben sich zu 100 Prozent sauberer Energie verpflichtet. Der Inflation Reduction Act mag zwar nicht als GND gelten, ist aber dennoch ein historischer Rechtsakt, insbesondere angesichts des derzeitigen politischen Klimas im Land.
Dennoch könnte man sagen, dass wir zur Rettung des Planeten einen umfassenden Green New Deal brauchen, der als weltweites Programm formuliert ist. Wir haben bereits einen solchen Entwurf, der von dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Robert Pollin stammt und vom größten lebenden Intellektuellen der Welt, nämlich Noam Chomsky, uneingeschränkt unterstützt wird.
Degrowth ist nicht die Antwort. Wie Robert Pollin eindringlich und überzeugend dargelegt hat, wird eine Verringerung des Wirtschaftswachstums wenig bis gar keine Auswirkungen auf die anstehende Aufgabe haben, nämlich "eine emissionsfreie Weltwirtschaft zu schaffen". Genauer gesagt, wenn wir auf die Verringerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angewiesen sind, um die Emissionen zu reduzieren, dann folgt daraus, dass wir die Emissionen nur in dem Maße verringern können, wie wir das Wachstum reduzieren.
Wenn das BIP beispielsweise um zehn Prozent schrumpft – eine massive weltweite Rezession –, können wir die Emissionen nur um zehn Prozent senken. Wir müssen die Emissionen aber auf null senken.
Ferner ist die Idee, die Wirtschaft zu schrumpfen, anstatt wachsen zu lassen, politisch gesehen ein selbstzerstörerischer Vorschlag. Alles, was Degrowth bewirken wird, ist mehr Leiden für die Menschen der Arbeiterklasse. Solche Konzepte werden höchstwahrscheinlich auch die Unterstützung für die Rechtsextremen weiter anheizen.
Natürlich argumentieren die Befürworter von Degrowth, dass es sich um ein Projekt für den Globalen Norden handelt und nicht um einen Weg für den Globalen Süden. Aber sollen wir angesichts solcher Behauptungen etwa davon ausgehen, dass es in den Industrieländern keine Klassenungleichheiten gibt. Sind die reichen Länder von den sozioökonomischen Übeln also verschont geblieben, die mit der Umsetzung der rücksichtslosen neoliberalen Politik einhergeht?
Gibt es demnach keine Notwendigkeit, die Lebensbedingungen auch bei uns zu verbessern, die Armutsraten zu senken und die Beschäftigungsmöglichkeiten für die westlichen Bevölkerungen zu erhöhen? Vielleicht steht eine solche Haltung hinter Degrowth. Einige, wenn nicht die meisten Anhänger von Degrowth lehnen daher auch die Idee der Wirtschaftsplanung und damit auch des Green New Deals ab.
In diesem Sinne kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass das Degrowth-Konzept dem Neoliberalismus zuarbeitet und nichts gegen die globale Erwärmung unternimmt. Engagierte Sozialisten sollten mit Degrowth-Vorschlägen nichts zu tun haben.
Das Nachdenken über radikale Vorschläge zur Rettung des Planeten und der Menschheit vor den Auswirkungen der globalen Erwärmung sollte begrüßt werden, da sie Möglichkeiten für kreative Formen des politischen und sozialen Handelns schaffen können. Aber Degrowth ist weder eine radikale Alternative noch basiert die Idee auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage.
Darüber hinaus handelt es sich um eine ziemlich gefährliche politische Idee, da sie vor allem den arbeitenden Klassen schaden und sie direkt in die Arme der Rechtsextremen treiben wird.
Eine radikale Politik im Zeitalter des Klimakollaps geht praktisch nur über einen (globalen) Green New Deal – und nicht über eine Degrowth-Rhetorik, wie sie in einer jüngsten Ausgabe der Monthly Review zur Schau gestellt wird. Es liegt an der sozialistischen Linken, sich diese Vision zu eigen zu machen und dafür zu sorgen, dass sie in die Realität umgesetzt wird.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Nachrichtenportal Common Dreams. Hier finden Sie das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.
C.J. Polychroniou ist Ökonom, Politikwissenschaftler und hat an zahlreichen Universitäten und Forschungszentren in Europa und den Vereinigten Staaten gelehrt und gearbeitet. Seine letzten Bücher sind "The Precipice: Neoliberalism, the Pandemic and the Urgent Need for Social Change" (Eine Sammlung von Interviews mit Noam Chomsky, 2021) und "Economics and the Left: Interviews with Progressive Economists" (2021).