Warum überlebten die Skripals den Anschlag mit dem angeblich tödlichsten Nervengift Nowitschok?
- Warum überlebten die Skripals den Anschlag mit dem angeblich tödlichsten Nervengift Nowitschok?
- Nowitschok an den Türklinken
- Auf einer Seite lesen
Mit der Entlassung von Sergei Skripal aus dem Krankenhaus an einen unbekannten Ort entstehen neue Fragen
Der 66-jährige russische Ex- und Doppelagent Sergei Skripal hat sich offenbar von dem Anschlag vom 4. März erholt und ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden. Bei seiner Tochter Julia war dies viel schneller erfolgt, sie wurde bereits am 9. April entlassen. Der Polizist Nick Bailey, der die beiden auf der Parkbank gefunden hatte, war auch im Krankenhaus behandelt, aber schnell wieder entlassen worden.
Die britische Regierung, die zu schnell und ohne Beweise von einem Nowitschok-Anschlag, der von Russland ausgegangen sein soll, gesprochen hat, will die beiden Skripals weiterhin von der Öffentlichkeit fernhalten. Die Polizei gab bekannt, die Ermittlungen des "Antiterror-Polizeinetzwerks" würden fortgesetzt. Aus Gründen des Schutzes der beiden Skripals wurde weder erklärt, wo sie sich aufhalten, noch welche Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.
Bei Sergei Skripal teilte die Polizei schon gar nichts darüber mit, warum er es vorzieht, an einem geheimen Ort versteckt zu werden und jeden Kontakt mit der Öffentlichkeit zu vermeiden. Julia soll in einem von ihr angeblich verfassten Text, den die Polizei veröffentlichte, erklärt haben, sie wünsche keine Besuche, auch nicht von Verwandten oder von der russischen Botschaft.
Das kann man glauben oder nicht. Seltsam daran ist, dass die Polizei sicher lange und ausgiebig die beiden Skripals verhört hat, ohne dass die Untersuchung dadurch Fortschritte gemacht zu haben scheint. Es wurden nicht einmal neue vorläufige Ergebnisse bekannt.
Zunächst war erklärt worden, dass das Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe - offiziell wurde nicht gesagt, um welches Gift es sich handelt, angeblich soll es A-234 gewesen sein - tödlich wirke, es sei das tödlichste Nervengift, das bislang entwickelt wurde. Es wurde von sowjetischen Wissenschaftlern in militärischen Geheimlabors erfunden, aber nach dem Ende des Kalten Kriegs durch Beteiligte schnell bekannt gemacht.
Formeln und vielleicht Proben im Umlauf
Gerade wurde bekannt, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst bereits Anfang der 1990er Jahre Proben von einem russischen Wissenschaftler erhalten habe, nachdem vorher schon der tschechische Präsident eingeräumt hatte, dass Nowitschok in einem Militärlabor produziert worden sei. Der BND schickte eine Probe an ein schwedisches Labor, wo man sie analysierte und der deutschen Regierung sowie der Bundeswehr dann zumindest die chemische Formel mitteilte.
Spätestens seitdem sind die Formeln und vielleicht Proben im Umlauf im Westen, wahrscheinlich wurden zur Analyse auch kleine Mengen hergestellt, weswegen spätestens jetzt klar ist, dass die Behauptung der britischen Regierung, Nowitschok könne nur von Russland stammen, eine aus politischen Interessen fabrizierte und verbreitete Lüge oder Fake News war.
Dass Nowitschik tödlich wirkt, könnte ein Giftanschlag auf den russischen Geschäftsmann Ivan K. Kivelidi 1995 belegen, der innerhalb weniger Tage ebenso wie sein Sekretär durch das Nervengift starb. Nach einem Bericht von Wladimir Uglew, einer der Wissenschaftler, die an der Entwicklung beteiligt waren, hatte ein Mitarbeiter das Nervengift aus dem Labor entwendet und an Kriminelle verkauft.
"Keine Überlebenschancen"
Gefunden hatte man Spuren nach dem Anschlag angeblich im Telefonhörer. Uglew sagte überdies dem Guardian, dass die Skripals keine Überlebenschancen hätten, wenn sie in Kontakt mit Nowitschok gekommen waren, es sei denn, die Medizin habe seitdem erhebliche Fortschritte gemacht.
Das muss sie offenbar gemacht haben, wenn die drei unmittelbar Betroffenen nun allesamt wieder gesundet sind. Es gibt allerdings auch berechtigtes Misstrauen, das der russische Präsident Wladimir Putin auch äußerte. Wenn die Skripals mit einem militärischen Kampfstoff in Kontakt gekommen wären, wären sie innerhalb von Sekunden oder Minuten gestorben.
Allerdings hatte das britische Militärlabor in Porton Down erklärt, dass bei den an den Tatorten genommenen Proben Nowitschok gefunden worden sei. Die darauf folgende Untersuchung der OPCW an neu genommenen Proben bestätigte den Befund des britischen Labors, sprach aber nicht explizit von Nowitschok, sondern lediglich von einer "toxischen Chemikalie" und einem "angeblichen Nervengift" in hoher Reinheit (OPCW bestätigt Anschlag mit einer "toxischen Chemikalie).
Streit innerhalb der OPCW
Zum Streit innerhalb der OPCW war es gekommen, nachdem der OPCW-Vorsitzende wahrscheinlich den Briten und ihren Alliierten entgegen kommen wollte und behauptete, es seien 50-100 Gramm eingesetzt worden. Ein Sprecher der OPCW stellte daraufhin richtig, man könne die Menge nicht bestimmen, es könne sich aber höchsten um einige Milligramm handeln.
Das Krankenhaus hatte sich zurückhaltend geäußert, man könnte auch sagen, dass offenbar nähere Einzelheiten über das Gift nicht mitgeteilt werden sollten. Die Skripals und der Polizist seien nach dem Kontakt mit "einem Nervengift" eingeliefert worden, heißt es. Auch wenn diese Patienten nun entlassen wurden, "bleibt ihr Recht auf Vertraulichkeit bestehen und setzt uns Grenzen, eine detaillierte Darstellung der Behandlungen, die diese Menschen erhalten haben, weiterzugeben".
Von detailliert ist in der Tat nichts zu bemerken, die Formulierungen sind äußerst vage und lassen viele Deutungen oder Spekulationen zu: "Die Behandlung von Menschen akut nach einer Vergiftung mit Nervengift erfordert es, sie zu stabilisieren, sie am Leben zu erhalten, bis ihre Körper mehr Enzyme produzieren konnten, um diejenigen zu ersetzen, die vergiftet wurden."
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.