Was der Rauswurf von Vizeadmiral Schönbach bedeutet

Schönbach, bevor er zurückgetreten wurde. Bild: @chiefdeunavy

Marine-Inspekteur stolpert über Rede in Indien. Äußerungen sind auch Ausdruck wachsenden Unbehagens in Militär und Sicherheitskreisen. Dafür gibt es weitere Hinweise

Eine Rede und der folgende Rauswurf des bisherigen Inspekteurs der deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, sorgt weiter für Verstimmungen zwischen Berlin und Kiew. Der ukrainische Botschafter in Deutschland meldete sich wie schon mehrfach in den vergangenen Wochen und Monaten in der Tageszeitung Die Welt zu Wort, in der er die Demission als "unzureichend" bezeichnete.

Das Presse- und Informationszentrum der Marine hatte den Rückzug Schönbachs am Samstagabend gut eine halbe Stunde bekannt gegeben, nachdem die Nachricht schon publik war. Früher am Abend nämlich hatte das Verteidigungsministerium die verteidigungspolitischen Obleute im Bundestag informiert.

Schönbach äußerte sich in dem offiziellen Statement zu einer Rede in Indien, in der er unter anderem für eine diplomatische Lösung im Konflikt mit Russland geworben hatte:

Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden. Meine in Indien gemachten unbedachten Äußerungen zu Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt. Um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, halte ich diesen Schritt für geboten. Frau Bundesministerin hat mein Gesuch angenommen.

Schon vor der Unterrichtung der Obleute der Bundestagsfraktionen im Verteidigungsausschuss hatte das ukrainische Außenministerium am gestrigen Samstag nach Agenturangaben die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, einbestellt.

Wenig später distanzierte sich das Verteidigungsministerium in Berlin von den Äußerungen des Vizeadmirals in Indien. Der Rücktritt wurde damit de facto zum Rauswurf.

In der online dokumentierten und später skandalisierten Rede sowie einem folgenden Hintergrundgespräch hatte Schönbach Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert und China als eigentliche "Bedrohung" bezeichnet.

Was er wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert - und den er mutmaßlich auch verdient.

"Die Krim ist weg" sorgt für Unmut in Kiew

Seine indirekte Forderung einer konzilianten Politik begründete der nun ehemalige Marine-Inspekteur auch religiös. Schönbach bezeichnete sich als strenggläubigen Katholiken, und verwies darauf, dass auch Russland ungeachtet seines atheistischen Präsidenten ein christliches Land sei: "Dieses große Land, auch wenn es keine Demokratie ist, auf unserer Seite als bilateralen Partner zu haben, (...) hält möglicherweise Russland von China fern."

Für Unmut in Kiew sorgten folgende Äußerungen des Vizeadmirals zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Die Halbinsel Krim sei "weg, sie wird nicht zurückkommen". Schönbach stellte zugleich in Abrede, dass sich Russland weiteres ukrainisches Territorium aneignen wolle, dies sei "Unsinn".

Nach den Distanzierungen aus Berlin und dem Protest aus Kiew bezeichnete Schönbach diese Äußerungen auf Twitter als "unbedacht" und "fehleingeschätzt in der Situation". In dem Tweet heißt es weiter: "Hätte ich das so nicht tun dürfen, (…) das war ein klarer Fehler."

Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, bezeichnete den Rücktritt des deutschen Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach in der Welt indes als unzureichend. "Wir begrüßen zwar, dass Herr Schönbach seinen Rücktritt angeboten hat", so Melnyk, der aber "einen Scherbenhaufen" sowie die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands "massiv in Frage" gestellt sah.

Der ukrainische Botschafter sprach zudem von einer "zynischen Verharmlosung der völkerrechtswidrigen Krim-Besetzung" und einem mit Hochnäsigkeit vorgetragenen Bezweifeln der Souveränität der Ukraine. Aus der Rede Schönbachs habe "deutsche Arroganz und Größenwahn" gesprochen.

Melnyk kritisierte, dass einer der führenden Köpfe der Bundeswehr von einer "heiligen Allianz" mit "Kriegsverbrecher Putin" und einem deutsch-russischen "modernen Kreuzzug gegen China" träume.

Wachsende Unruhe in Militär und Sicherheitskreisen

Der Eklat um die Rede des Vizeadmirals scheint ungeachtet des Ausgangs auch ein Ausdruck erheblicher Unruhe im deutschen Militär und sicherheitspolitischen Kreisen zu sein. So hatte in Telepolis Johannes Varwick, Professor für internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle sowie Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, unlängst für eine realpolitische Sicht auf den Konflikt zwischen der Nato und Russland geworben:

Sollen wir bei diesem fragilen Status quo stehen bleiben oder brauchen wir nicht einen wirklich neuen politischen Anlauf, um diese brisante Lage zu entschärfen? Worin liegen die tieferen Ursachen dieses Scheiterns und was können wir daraus lernen? Was ist denkbar und umsetzbar – und welche Schritte sind dafür erforderlich?

Die Drohgebärden Russlands gegenüber der Ukraine und das Imponiergehabe gegenüber Nato-Staaten in Übungen sind inakzeptabel. Dennoch führen Empörung und formelhafte Verurteilungen nicht weiter. Vielmehr ist jetzt Realpolitik angezeigt.

Eine vorwiegend auf moralische Empörung und Abschreckung setzende Politik war und ist nicht erfolgreich. Wirtschaftlicher Druck und die Verschärfung von Sanktionen haben – dies zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre – Russland nicht zur Umkehr bewegen können.

Prof. Johannes Varwick in: "Raus aus der Eskalationsspirale mit Russland"

Varwick war auch Initiator eines entsprechenden Aufrufs, der von Dutzenden Militärs, Sicherheits- und Friedensforschern sowie Diplomaten unterzeichnet worden war. Dieser Text konstatiere nüchtern, dass die Welt in eine Lage zu geraten drohe, in der ein Krieg in den Bereich des Möglichen rücke, schrieb Telepolis-Autor Leo Ensel: "Nun müsse umgehend alles dafür getan werden, die Eskalationsspirale zu durchbrechen."

Die Autoren ließen keinen Zweifel daran, dass sie keine Russland-, gar "Putin-Versteher" sind, so Ensel. Als Sicherheitsexperten aber sei ihnen bewusst, "dass Gespräche immer und namentlich zu Krisenzeiten eine Conditio sine qua non sind, die niemals an Bedingungen geknüpft werden darf."