Was die FDP sein könnte
Seite 2: Macron als Vorbild?
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Das alles könnten aber die Themen der FDP sein. Und dann ist da Macron. Der französische Präsidentschaftsanwärter hat im vergangenen Jahr vorgemacht, wie ein modernes liberales Profil aussehen könnte. Macron macht eine Art liberalen Wahlkampf und scheint so etwas wie die Blaupause zu bieten, was die FDP heute sein könnte: Optimistisch, weltoffen, zukunftsorientiert, reformfreudig, mutig, technikfreundlich, individualistisch, europäisch, laizistisch, patriotisch, rationalistisch, spielerisch, regulierungsskeptisch und bevormundungsfeindlich, nicht "links" oder "rechts", sondern vorn: progressivistisch. Gegen nostalgische, romantische, rückwärtsgewandte Politikentwürfe, gegen "political correctness", gegen den Status quo, anti-nationalistisch, anti-fanatisch. Wo wäre eine Partei in Deutschland, die auch nur annährend solche Positionen vertritt?
"Schauen wir nicht länger zu"
Wenn man einen Parteitag der FDP besucht, verliert man dann leider aber auch einige Illusionen, nicht nur weil alles weitaus weniger imposant aussieht als im Fernsehen. Ein Parteitag ist vor allem Vereinsmeierei: viel Tagesordnung, kleine Punkte und Sprachregelungen an den Vorlagen, unglaubliches Klein-Klein und Formalien, dazu gegenseitiges Schulterklopfen und Netzwerken, viel Arbeit, auch am öffentlichen Bild.
Die riesigen Hallen der Kreuzberger Station sind zweigeteilt. Im hinteren Bereich sitzen die Delegierten, das Pult für Redner und Präsidium ist in FDP-Gelb gehalten. In den Fernsehkameras wirkt es fast Giftgrün. Noch immer irritieren die dazugehörigen neuen Farben: Vor allem das Telekom-Magenta, das nach wie vor so billig und schrill aussieht, das einem sofort wieder der selige Guido Westerwelle einfällt, den man schon fast vergessen hatte. Dazu wurde das Blau aufgehellt, mehr in Richtung CSU- oder AfD-Blau.
Auf den knallgelben Mappen, die alle Delegierten und Tagungsgäste bekommen, und die ein fettes Antragsbuch enthalten, steht etwas zu hip in Schablonen-Design: "Schauen wir nicht länger zu" - was man als selbstironisches Statement einer Partei ansehen kann, die aus den meisten Parlamenten geflogen ist und sich selbst derzeit gern "APO" nennt. Es bekommt allerdings durch das schwarze Gefahrenzeichen GHS 02 eine dramatisierende Note. "Löschen wir den Brand der unsere Freiheit bedroht!" mahnt es auf der Innenseite.
Bevor man in die eigentliche Tagungshalle betritt, muss man durch eine zweite, genauso große gehen. Dort stehen die Stände der Sponsoren und Lobbyverbände, die mit ihren "Botschaften" auf die FPD einwirken wollen. Viel Geld zahlen nicht nur Microsoft ("Virtual Reality") und Philip Morris, nicht nur Audi und VW, sondern auch das Baugewerbe, Wohnungsbesitzer, Versicherungen, Geflügelzüchter, Windkraftgegner, als Verbraucherschützer getarnte libertäre Deregulierer und Leitplankenhersteller, die ausgerechnet mit einem SPD-roten Energydrink den Kreislauf der Delegierten auf Trab halten.
Das passt ein bisschen zu sehr ins Bild der "alten" FDP, deren miserables Image Lindner & Co loswerden wollen, als dass nicht auffiele, was fehlt: Menschenrechtsverbände und andere NGOs, Greenpeace, Warentester. Etwas einseitiger als erhofft, also ...
Bildung, Netzpolitik und Staatsbürgerrecht
Die neue FDP wird auf Dauer nur Erfolg haben, wenn wirklich gilt: man ist entweder liberal, oder nicht. Wenn sie keinen Unterschied mehr macht zwischen Wirtschaftsliberalen und Sozialliberalen. Wenn sie die Möglichkeiten des Einzelnen, seine Chancen, sich zu verwirklichen, die Gleichheit dieser Chancen ins Zentrum stellt.
Dazu gehören die jetzt beschlossenen Programmpunkte Bildung, Netzpolitik und Staatsbürgerrecht zentral. In der Theorie liest sich Letzteres auch schon mal gut, etwa im soeben beschlossenen Wahlprogramm:
Wir Freie Demokraten wollen, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz und endlich auch ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht aus einem Guss bekommt - so wie andere erfolgreiche Einwanderungsländer auch. Die bestehenden Herausforderungen in der Integration bestärken uns in dieser Überzeugung. Viel zu lange haben Konservative genauso wie die politische Linke die Notwendigkeit verbindlicher Integration ignoriert. Konservative wollten keine verbindliche Integration, weil sie nicht anerkannt haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Linke verweigerten Integration, weil sie in dem naiven Glauben verharrten, jeder Einwanderer sei per se eine Bereicherung und Integration gelinge von allein. Beides war eine gravierende Fehleinschätzung. Wir Freie Demokraten treten für verbindliche Integration ein, mit dem Ziel, dass Einwanderer zu Verfassungspatrioten werden und sich mit unserer offenen Gesellschaft identifizieren.
In der Praxis ist es komplizierter. Die Gefahr des Populismus, ja der Demagogie gibt es auch für die FDP: Schon am Freitagabend erklärten FDP-Vorderleute dem Journalisten ungefragt, "der Christian" habe doch eigentlich ganz was anderes gemeint, als das, was die Agenturen pünktlich zum Parteitagsauftakt zitierten: Lindner verlange, dass der Fußball- Nationalspieler Mesut Özil die Nationalhymne singe. Eine gezielte Provokation, erst recht in der Woche nach dem Türkei-Referendum und den Talk-Shows über das Votum der Deutschtürken - trotzdem hat er selbst dann vom "Özil-Gate" gesprochen. Es könne jeder singen, was er wolle, er wolle auch keine Hymnenpolizei, aber man dürfe sich doch die Hymne als Teil des Verfassungspatriotismus wünschen. So geht Aufmerksamkeits-Politik.
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