Was die "StopptCOVID"-Studie des RKI aussagt – und was nicht

Seite 4: Fazit: "StopptCOVID"-Studie ohne belastbare Aussagen zur Effektivität von Corona-Maßnahmen

Aus den o.g. Problematiken der "StopptCOVID"-Studie des RKI und der Universität Bielefeld ergibt sich, dass daraus keine belastbaren Aussagen bezüglich der Wirksamkeit von Corona-Maßnahmen ableitbar sind. Bereits der zu Grunde gelegte Modellansatz ist nicht für eine Kausalanalyse ausgelegt, so dass ein "kausaler Einfluss" bereits aus formalen Gründen gar nicht nachgewiesen werden kann.

Hinzu kommen schwerwiegende Probleme in der formalen Gestaltung des Modells: Der Modellansatz gibt faktisch das Ergebnis bereits bis zu einem gewissen Grad vor. Weiterhin ist auch festzustellen, dass die inhaltlichen Schlussfolgerungen der Studie teilweise den eigenen Ergebnissen direkt widersprechen und diese Widersprüche entweder ohne Belege wegargumentiert oder gar nicht erklärt werden.

Es gibt noch weitere methodische Schwierigkeiten: Ein fundamentales Beispiel betrifft die Teststrategie bei Geimpften. Da Geimpfte teilweise von den Corona-Tests befreit wurden, ging der R-Wert automatisch zurück.

Im vorliegenden Modell des RKI wird dieser auf das Testverhalten zurückzuführende Effekt nicht berücksichtigt und somit zumindest zum Teil fälschlicherweise als positiver Effekt der Impfung deklariert.

Des Weiteren ist der in der Studie herangezogene R-Wert mit einigen Mängeln behaftet, die einer zuverlässigen Erfassung von Zusammenhängen im Wege stehen. So ist der R-Wert als zeitlich hinterherhinkendes Maß definiert, sodass er in der Tat noch stärker vor den Maßnahmen agiert, als dies in der RKI-Studie zum Vorschein kommt.

Ferner sind Auswirkungen von Maßnahmen auf den R-Wert häufig schwer interpretierbar, da letzterer auf einer unzureichenden Datengrundlage basiert, die neben der bereits im letzten Absatz genannten Teststrategie beispielsweise auch Meldeverzögerungen durch die Ferienzeit ignoriert.

Somit ist zu konstatieren, dass die vorzeitige Wirkung der Maßnahmen und der hohe Effekt von Maßnahmen und Impfung auf die Infektionsausbreitung wahrscheinlich weitgehend Symptome eines verzerrten Modells charakterisieren und daher ein falsches Bild der Realität geben.

Statt aufgrund dieser auffälligen Ergebnisse – inklusive der paradoxen Effekte – das angewendete Modell einschließlich der Eingangsdaten zu hinterfragen und eine weitergehende Analyse anzustoßen, werden die Richtigkeit des Modells weiterhin angenommen und die Schlussfolgerungen der Studie einfach an dessen Ergebnisse angepasst – was in vielen Fällen zu fragwürdigen Erklärungsansätzen führt. Diese Vorgehensweise wird einer sorgfältigen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen nicht gerecht.

Das muss übrigens alles nicht heißen, dass die Impfung gar keine Auswirkung auf das Infektionsgeschehen hatte, nur ist dieses Studiendesign nicht in der Lage, diese Fragestellung zu beantworten. Es ist an dieser Stelle auch noch zu betonen, dass das RKI von einer starken Wirkung der Impfung auf die Ausbreitung von Corona annimmt; es geht hierbei nicht um die Senkung des Risikos schwerer Verläufe, die im Wesentlichen unstrittig ist.

Was für die Impfung gilt, gilt auch für jede einzelne Corona-Maßnahme: Es ist hier nicht der Beweis erbracht worden, dass keine Maßnahme irgendeinen Effekt auf das Infektionsgeschehen hätte – umgekehrt ist aber der belastbare Beweis, dass eine Wirkung da ist, in der RKI-Studie nicht erbracht werden. Und zwar, weil die Studie hierzu nicht in der Lage ist.

Aus diesen Gründen empfehlen wir dringend eine Re-Analyse der Studie, d.h. eine vollständige Neubearbeitung auf der Grundlage des bestehenden Datensatzes, durch eine unabhängige Instanz. In unserem Kommentar geben wir Hinweise auf die aus unserer Sicht korrekte Anwendung des statistischen Instrumentariums. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir weiterhin die vollständige Veröffentlichung des zugrunde gelegten Datensatzes sowie des Quellcodes der Auswertung, wie es das RKI in der Vergangenheit bereits getan hat.