Was geschieht mit den Kohlerevieren – und wieviel wird es kosten?
Wie sich der Kohleausstieg auf die Rekultivierung der Tagebau-Gebiete auswirkt. Ein Blick auf den massiven Strukturwandel in Ostdeutschland
Der bisher beschlossene Kohleausstieg bis 2038 führt dazu, dass die Förderung in einigen ostdeutschen Tagebauen deutlich früher endet als bisher geplant. Damit wurde es notwendig, die Vorsorgevereinbarungen für die langfristige Rekultivierung anzupassen. Die finanzielle Vorsorge selbst ist noch eine Rechnung mit Unbekannten.
Der bundesweite Kohleausstieg hat größere Auswirkungen auf die finanzielle Vorsorge für die Rekultivierung der ostdeutschen Braunkohle-Tagebaue. Das gilt bereits für den bisher beschlossenen Kohleausstieg bis zum Jahr 2038. Derzeit ist in der Bundespolitik auch schon ein Ausstieg bis zum Jahr 2030 [1] im Gespräch. Was nach dem Ende der Kohleverstromung mit den Tagebauflächen geschieht, wird allerdings bisher noch wenig diskutiert.
Doch auch nach dem Ende der Kohleförderung müssen die ausgekohlten Tagebauflächen noch mehrere Jahrzehnte lang rekultiviert, wieder nutzbar gemacht und nachgesorgt werden. Dafür ist viel Geld nötig, das die Tagebaubetreiber aufzubringen haben. Und es muss über diese langen Zeiträume sicher verfügbar bleiben.
Dazu hatten die Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt in den Jahren 2018 und 2019 sogenannte Vorsorgevereinbarungen [2] mit ihren Betreibern der Braunkohle-Tagebaue geschlossen. Dabei handelt es sich um die LE-B Lausitz Energie Bergbau AG mit Sitz in Cottbus und um die Mibrag Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH mit Sitz in Zeitz.
Beide Unternehmen befinden sich im Besitz tschechischer und slowakischer Gesellschafter, die ihre Anteile über ein teilweise recht undurchsichtiges, international weitverzweigtes Geflecht von Zweckgesellschaften verwalten.
LE-B betreibt jeweils zwei Tagebaue in Brandenburg und Sachsen. Mibrag fördert Braunkohle aus einem Tagebau in Sachsen und aus einem weiteren Tagebau, der teilweise in Sachsen und größtenteils in Sachsen-Anhalt liegt. Üblicherweise werden Braunkohle-Tagebaue schon schrittweise mit der laufenden Förderung rekultiviert: In den neuen Abbaufeldern graben die Bagger noch die Kohle aus dem Flöz, während in den ausgekohlten Feldern schon die Löcher in der Landschaft geschlossen und die so entstehenden Flächen wieder nutzbar gemacht werden.
Viel Geld für Jahrzehnte
Solange die Kohle gefördert wird und die Erlöse aus ihrem Verkauf fließen, ist das ein kontinuierlicher Ablauf, bei dem die Finanzierung gesichert ist. Schwieriger wird es, wenn die Kohleförderung endet und keine Verkaufserlöse mehr fließen. Dann müssen die ausgekohlten Tagebauflächen noch über mehrere Jahrzehnte rekultiviert und wieder nutzbar gemacht werden. Dazu sind die Bergbauunternehmen verpflichtet. Und dazu müssen sie für jeden Tagebau viele hundert Millionen Euro zurücklegen, die über sehr lange Zeiträume sicher verfügbar sein müssen. Das ist natürlich mit einigen Unsicherheiten verbunden.
Die Landesbehörden hatten deshalb in den Vorsorgevereinbarungen mit LE-B und Mibrag einige Sicherheitsmaßnahmen für die Rekultivierungsgelder vereinbart. Im Wesentlichen geht es dabei darum, dass die Unternehmen sogenannte Sondervermögen für die Rekultivierungsgelder anlegen, die sie an die Länder verpfänden oder von ihnen überwachen lassen. Auch Bankbürgschaften und andere Garantien spielen eine Rolle. Viele Einzelheiten der Vorsorgevereinbarungen sind allerdings auch nicht bekannt, weil sie als Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen gelten.
Eine offensichtliche Schwierigkeit der damaligen Vorsorgevereinbarungen bestand darin, dass sie noch auf die damals geplanten Laufzeiten der Tagebaue ausgerichtet waren. Diese Laufzeiten reichten teilweise bis ins Jahr 2042. Sie wurden spätestens dann hinfällig, als im Sommer 2020 der bundesweite Kohleausstieg für das Jahr 2038 beschlossen wurde. Danach passten die Braunkohle-Unternehmen ihre Revierpläne [3] an den Kohleausstieg an.
Verkürzte Tagebau-Laufzeiten
Das führte je nach Stilllegungszeitpunkt der belieferten Kraftwerke und landespolitischen Rahmenbedingungen zu sehr unterschiedlichen Laufzeit-Verkürzungen für die einzelnen Tagebaue: Während für den letzten Brandenburger Tagebau Welzow-Süd das Förderende im Jahr 2030 geplant ist, soll aus den sächsischen Tagebauen Nochten und Reichwalde noch bis zum letztmöglichen Jahr 2038 die Braunkohle gefördert werden. Dabei will LE-B für Nochten sogar noch den Ort Mühlrose wegbaggern.
Die verkürzten Laufzeiten der Tagebaue wirken sich wohl auch auf die Kosten der Rekultivierung aus. So ist für die Brandenburger Tagebaue Jänschwalde und Welzow-Süd bekannt, dass durch das frühere Förderende von Welzow-Süd dort Mehrkosten von 138 Millionen Euro entstehen sollen. Diese Mehrkosten und andere Rekultivierungskosten sollen allerdings durch eine großzügige Entschädigung des Bundes abgedeckt werden.
Bei dieser Entschädigung kommt die LE-B-Schwestergesellschaft LE-K Lausitz Energie Kraftwerke AG ins Spiel. Beide Unternehmen agieren unter der Dachmarke "Leag". Für den Kohleausstieg soll LE-K schrittweise mehrere Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen stilllegen, weshalb LE-B auch seine Tagebaue früher als bisher geplant auslaufen lässt. Dafür will der Bund als Entschädigung insgesamt 1,75 Milliarden Euro an LE-K zahlen. Dieses Geld soll LE-K an LE-B weiterreichen, damit es gemeinsam mit den LE-B-eigenen Mitteln für die Rekultivierung der Tagebaue in Brandenburg und Sachsen eingesetzt werden kann.
Die veränderten Laufzeiten der Tagebaue und die Entschädigungsgelder des Bundes machten es notwendig, die Vorsorgevereinbarungen zu überarbeiten. Sachsen ging dabei voran und passte im Juli 2021 seine Vorsorgevereinbarung mit LE-B für dessen zwei sächsische Tagebaue an. Brandenburg folgte im September mit der Anpassung für die beiden dortigen Tagebaue.
Mit Mibrag verhandelt Sachsen derzeit noch über die Anpassungen für dessen Tagebau Vereinigtes Schleenhain, dessen Laufzeit sich von 2041 auf 2035 verkürzt hat. Der Mibrag-Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt war dagegen von vornherein auf ein Förderende im Jahr 2035 ausgelegt. Daher ist er vom Kohleausstieg nicht direkt betroffen. Die zuständige Landesbehörde rechnet allerdings damit, dass sich Mibrags länderübergreifendes Gesamt-Vorsorgekonzept ändern könnte. Das würde dann wohl auch Auswirkungen auf die eigene Vorsorgevereinbarung haben.
Rechnung mit Unbekannten
Derzeit ist die Vorsorge für die ostdeutschen Tagebaue allerdings auch noch eine Rechnung mit mehreren Unbekannten. Dazu gehört, ob und in welcher Höhe die Bundes-Entschädigung an die Leag-Unternehmen überhaupt gezahlt werden kann. Denn derzeit prüft die Europäische Kommission noch in einem Beihilfeverfahren [4], ob diese Entschädigung und eine noch größere Entschädigung für den Energiekonzern RWE überhaupt gerechtfertigt sind. Mit einer Entscheidung dürfte hier in den nächsten Wochen oder Monaten zu rechnen sein.
Eine Frage für die nächsten Jahre ist, ob der Kohleausstieg noch weiter vorgezogen wird. In den Sondierungsgesprächen für die nächste Bundesregierung war das Jahr 2030 als möglicher früherer Ausstiegstermin genannt worden. Das würde sich dann sicher auch wieder auf die Rekultivierungskosten und die Vorsorgevereinbarungen auswirken.
Eine mittelfristige Frage ist, ob in den Sondervermögen genügend Geld gebildet wird, um alle Rekultivierungskosten für die Tagebaue zu decken. Langfristig bleibt zu beobachten, ob die vereinbarten Sicherungsmaßnahmen dafür ausreichen, dass das notwendige Rekultivierungsgeld auch in den nächsten Jahrzehnten sicher verfügbar bleibt.
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[1] https://www.heise.de/tp/features/Sondierungspapier-mit-hohem-FDP-Anteil-6220501.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Milliarden-fuer-Rekultivierung-ostdeutscher-Braunkohle-Tagebaue-6000046.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Braunkohle-kleiner-und-grosser-Ausstieg-in-Ostdeutschland-6000034.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/EU-Kommission-ueberprueft-Milliarden-Entschaedigung-fuer-Kohlekonzerne-5070130.html
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