Milliarden für Rekultivierung ostdeutscher Braunkohle-Tagebaue
Unternehmen wollen geheim halten, welche Summe nötig ist, um abgebaggerte Flächen wieder für Landwirtschaft, Naturschutz und Erholung nutzbar zu machen, kassieren aber dafür zum Teil öffentliche Gelder
Die Betreiber von Braunkohle-Tagebauen legen während der Kohleförderung umfangreiche Rückstellungen an, damit die abgebaggerten Flächen langfristig rekultiviert werden können. Bei den Unternehmen Leag (Lausitz Energie Bergbau AG) und Mibrag (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft) haben sich in den letzten Jahren ernsthafte Fragen dazu ergeben, wie sicher verfügbar diese beträchtlichen Finanzmittel sind.
Der Kohleausstieg bis spätestens zum Jahr 2038 steht fest. Für die ostdeutschen Braunkohle-Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt zeichnen sich dabei zwar sehr unterschiedliche Varianten und Zeitpunkte für den Kohleausstieg ab. Eine große Herausforderung hat allerdings für alle drei Länder gleichermaßen schon lange begonnen: Sie müssen zuverlässig sicherstellen, dass die großen Tagebauflächen von den Bergbauunternehmen über Jahrzehnte hinweg rekultiviert und wieder für Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz und Erholung nutzbar gemacht werden.
Während ein Bergbauunternehmen die Kohle aus einem Tagebau fördert und dafür regelmäßig neue Flächen in Anspruch nimmt, rekultiviert es gleichzeitig die Flächen, die schon ausgekohlt worden sind, und macht sie wieder nutzbar. Das Geld, das für diese Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung im laufenden Betrieb nötig ist, verdient das Unternehmen in dieser Zeit damit, dass es Rohkohle und veredelte Kohleprodukte verkauft. Nach dem Ende der Kohleförderung, wenn kein Geld mehr aus den Kohleverkäufen fließt, funktioniert dieser Kreislauf nicht mehr. Doch dann gibt es natürlich immer noch große Tagebaulöcher in der Landschaft, die über mehrere Jahrzehnte hinweg rekultiviert werden müssen.
Damit diese verantwortungsvolle langfristige Aufgabe von den Bergbauunternehmen finanziert werden kann, bilden sie sogenannte "bergrechtliche Rückstellungen". In den Unternehmensberichten werden sie mitunter auch als "Rückstellungen für ökologische Altlasten und bergbaubedingte Verpflichtungen" geführt. Umgangssprachlich sind sie eher als "Rekultivierungs-Rückstellungen" bekannt. Dabei geht es um große Summen, die für einen Tagebau mehrere hundert Millionen Euro betragen können.
Wie viel Geld dafür tatsächlich gebraucht wird, ist zwischen den Unternehmen und Umweltschützern eher umstritten. Die öffentliche Diskussion über dieses Thema wird nicht dadurch erleichtert, dass die Tagebaubetreiber ihre Kalkulationen und Prognosen dafür weitgehend als Geschäftsgeheimnis einstufen.
Zeitweise starker Einbruch
Die Zahlen und Fakten, die dann doch an die Öffentlichkeit kommen, werfen mitunter sehr ernsthafte Fragen auf. So gab es bei dem Bergbauunternehmen Mibrag, das die Tagebaue Profen und Vereinigtes Schleenhain in Sachsen-Anhalt und Sachsen betreibt, zeitweise einen starken Einbruch bei den Rekultuvierungs-Rückstellungen: Standen sie im Jahr 2009 noch bei 231 Millionen Euro, wurden sie nach dem damaligen Eigentümerwechsel unter undurchsichtigen Umständen teilweise aufgelöst und bis 2011 auf nur noch 99 Millionen Euro abgesenkt.
Vermutlich konnten dadurch höhere Gewinne an die damals neuen tschechischen und slowakischen Eigentümer ausgeschüttet werden. Zu ihnen zählten damals schon die beiden heutigen Mehrheitseigentümer des tschechisch-luxemburgischen Mutterkonzerns EPH Energetický a průmyslový, Daniel Křetínský und Patrik Tkáč.
Seitdem sind Mibrags Rekultivierungs-Rückstellungen allmählich wieder angewachsen. Dass dies nicht aus eigenem Antrieb geschah, sondern möglicherweise von den zuständigen Behörden veranlasst worden sein könnte, lässt sich indirekt aus den Unternehmensberichten herauslesen. Am Ende des Geschäftsjahres 2019 lagen Mibrags Rekultivierungs-Rückstellungen bei 267 Millionen Euro und damit erstmals wieder über dem Stand von 2009. Auf welche konkreten Werte sie sich beziehen, ist dabei bisher weitgehend unbekannt. Mibrags Barmittel-Reserven waren 2019 jedenfalls mit 18 Millionen Euro recht knapp bemessen. Dass es sich bei den übrigen Rekultivierungswerten auch um reichlich vorhandene Darlehensforderungen und um Tagebau-Großgeräte handeln könnte, ist bisher nur eine Vermutung.
Journalistische Anfragen des Autors zu diesem Thema hat Mibrag zuletzt nicht mehr beantwortet. Hier könnte das Unternehmen also noch einiges zu Information und Aufklärung beitragen.
Der Braunkohlekonzern Leag betreibt die Braunkohle-Tagebaue Jänschwalde und Welzow-Süd in Brandenburg sowie Nochten und Reichwalde in Sachsen. Bei ihm haben sich in den vergangenen Jahren ebenfalls ernsthafte Fragen zu den Rekultivierungsgeldern ergeben, auch wenn sie hier etwas anders gelagert sind. Ihren Ursprung haben sie im Jahr 2016. Damals hatte der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall seine Lausitzer Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke an ein international weitverzweigtes Konsortium übergeben.
Hinter diesem Konsortium stehen heute ebenfalls Křetínský und Tkáč, hinzu kommt hier der tschechische Milliardär Petr Kellner. Vattenfall hatte im April 2016 angekündigt, dass die Lausitzer Braunkohlegesellschaften zum Zeitpunkt des Eigentümerwechsels im September 2016 über flüssige Finanzmittel von insgesamt 15 Milliarden Schwedischen Kronen (damals rund 1,6 Milliarden Euro) verfügen sollten.
Der größere Teil davon - 872 Millionen Euro - würde sich ohnehin auf den Lausitzer Konten befinden. Der kleinere Teil - 763 Millionen Euro - wollte Vattenfall kurz vor dem Verkauf dorthin überweisen. Damit sollte gewährleistet werden, dass die verkauften Gesellschaften über genügend Geld verfügen würden, um künftig die Tagebaue rekultivieren und Umweltschäden beheben zu können. Später stellte sich allerdings heraus, dass der schwedische Staatskonzern die angekündigten 763 Millionen Euro dann doch nicht überwiesen hatte. Vielmehr hatte er sich mit dem Käuferkonsortium auf eine viel weniger gut nachvollziehbare Geldfluss-Methode geeinigt: Vattenfall sollte in den Jahren 2016 bis 2019 eine Summe von 700 Millionen Euro über Termingeschäfte für Strom und Kohlendioxid gesichert zu Leag fließen lassen.
In den Jahresabschlüssen der Leag wurde diese spezielle Form des Geldflusses allerdings nicht direkt sichtbar oder erwähnt, obwohl es sich doch um sehr beträchtliche Finanzmittel handelte. Sie ließ sich nur durch zielgerichtete journalistische Anfragen an die Pressestelle ermitteln. Erst im Leag-Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2019 kamen die Barmittel mit 1,3 Milliarden Euro annähernd in eine Größenordnung, die eigentlich schon drei Jahre zuvor zu erwarten gewesen wäre. Fragen ergeben sich hier allerdings noch zu dem Umstand, dass Leags Guthaben aus Handelsgeschäften im selben Geschäftsjahr um mehrere hundert Millionen Euro zurückging und deutlich ins Minus rutschte. Dazu gab es diesmal keine Antworten aus der Presseabteilung.
Eine gute und dauerhafte Barmittelausstattung sollte bei einem Bergbauunternehmen gewährleistet sein, damit es die langfristige Rekultivierung der Tagebauflächen und die Beseitigung von Umweltschäden zuverlässig finanzieren kann. Für diesen Zweck hatte Leag zum Jahresende 2019 Rekultivierungs-Rückstellungen von 1,87 Milliarden Euro gebildet. Wie bei Mibrag ist auch bei Leag nicht bekannt, welche konkreten Werte eigentlich hinter diesen Rückstellungen stehen. Nach Vattenfalls Ankündigung vom April 2016 wäre eigentlich zu erwarten, dass dazu mindestens 1,6 Mrd. Euro Barmittel gehören sollten.
Maschinen dürften mit Kohleausstieg an Wert verlieren
Die Rückstellungen könnten aber auch teilweise in Bergbaumaschinen und -anlagen gebunden sein, die mit dem Kohleausstieg vermutlich stark an Wert verlieren werden. Zum anderen ist es auch möglich, dass ein Bergbauunternehmen seine Rekultivierungs-Rückstellungen auch teilweise auflöst und als Gewinne an die Gesellschafter ausschüttet - wie Mibrag das schon einmal praktiziert hat. Als denkbar erscheint ebenso, dass eine Kohlegesellschaft künftig Verluste erwirtschaftet oder sogar in die Insolvenz geht. Es gibt also durchaus einige Risiken für die Rekultivierungs-Rückstellungen. Deshalb ist bisher nicht sicher, ob sie nach der Auskohlung der Tagebaue tatsächlich noch vollständig verfügbar sein werden.
Sollten sie nicht reichen, müssten wohl die Steuerzahler dafür aufkommen, dass aus den Bergbauflächen wieder intakte Landschaften hergestellt werden können.
Diese Risiken haben die Behörden der betroffenen Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt erkannt und in den vergangenen zweieinhalb Jahren spezielle Vorsorgevereinbarungen mit Leag und Mibrag abgeschlossen. Je nach Bundesland gibt es dabei etwas unterschiedliche Modelle. Die bisher bekannt gewordenen Eckdaten sind dabei sehr sparsam gehalten. Viele wichtige Informationen sind als Geschäftsgeheimnisse der Kohleförderer eingestuft worden. In Brandenburg und Sachsen müssen die Vorsorgevereinbarungen auch noch angepasst werden, weil ihnen längere Tagebau-Laufzeiten zugrunde liegen, als nun mit dem Kohleausstieg im Jahr 2038 möglich sind.
Entsprechend den Vorsorgevereinbarungen mit Brandenburg und Sachsen hat Leag inzwischen zwei Vorsorge-Zweckgesellschaften gegründet, in denen zweckgebundene Sondervermögen für die Tagebau-Rekultivierung gebildet werden sollen. In diese Sondervermögen können möglicherweise auch Haushaltsmittel des Bundes fließen. Denn das Kohleausstiegs-Gesetz und ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sehen vor, dass die Leag für die vorzeitige Stilllegung von Kraftwerken und Tagebauen eine Entschädigung von 1,75 Milliarden Euro erhält.
Dieses Geld soll dazu dienen, die Kosten der Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung der Tagebaue und alle Tagebau-Folgekosten zu decken. Eine gleichartige, wenn auch mit 2,6 Milliarden Euro noch höhere Entschädigung soll ebenso der RWE-Konzern erhalten. Die Wettbewerbsbehörde der Europäischen Kommission sieht diese Zahlungen allerdings skeptisch und hat eine eingehende Untersuchung dazu eingeleitet.
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