Sondierungspapier mit hohem FDP-Anteil
Keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, kein Tempolimit und ein "Bürgergeld" mit Sanktionsmöglichkeiten: Wo sich der kleinere "Königsmacher" durchgesetzt hat
Die FDP wäre zwar der kleinere Juniorpartner in einer "Ampel"-Koalition, hat sich aber in den Sondierungsgesprächen schon in wichtigen Punkten durchgesetzt. So nahmen SPD und Grüne bereits von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes Abstand, die beide Parteien in ihren Wahlprogrammen vorgesehen hatten, um wichtige Infrastruktur- und Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Auch das Tempolimit ist vorerst vom Tisch.
Grünen-Ko-Chef Robert Habeck bezeichnete jedoch andere im Sondierungspapier enthaltene Punkte als so wichtig, dass dieses Ergebnis trotzdem als "tragfähig" für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen eingestuft werden könne. "Wir muten uns mit diesem Papier etwas zu", räumte Habeck laut einem Bericht der ARD-tagesschau vom Sonntag ein. "Aber die anderen auch."
Das "Bürgergeld" wird nicht sanktionsfrei
Eine der Kröten, die die FDP zu schlucken hat, ist auf den ersten Blick die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Arbeitsstunde, die SPD und Grüne im Wahlkampf versprochen hatten. Allerdings droht diesbezüglich Uneinsichtigen auch eine entsprechende EU-Richtlinie für Mindestlöhne in "angemessener Höhe", die laut EU-Kommission "umfassende wirtschaftliche Vorteile" mit sich brächten.
Arbeitslosengeld II oder Hartz IV soll es laut Sondierungspapier dem Namen nach nicht mehr geben. Stattdessen ist nach FDP-Diktion von einem "Bürgergeld" die Rede. Es solle "die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein". Sanktionsfrei soll es aber nicht sein: "An Mitwirkungspflichten halten wir fest und prüfen, wie wir hier entbürokratisieren können", erklären die "Ampel"-Parteien. Zuverdienstmöglichkeiten sollen allerdings verbessert werden. Ein wirksames Instrument gegen Mietwucher ist dafür bei den "Ampel"-Sondierungen gänzlich unter den Tisch gefallen.
Die Grünen verbuchen eine Passage zum Klimaschutz als Erfolg für sich, denn einen früheren Kohleausstieg hatte zunächst auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz abgelehnt und 2038 als Enddatum verteidigt. Im Sondierungspapier steht nun: "Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030." Dafür würde der erste der im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritte bereits in der 20. Legislaturperiode vorgenommen.
Finanzierung völlig unklar
Entscheidend dürfte allerdings sein, ob der Ausbau der Erneuerbaren Energien schnell genug gelingt, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und das ist wiederum eine Frage der Finanzierung. Nachdem sich die FDP in steuerlichen Fragen durchgesetzt hat, warb die Grünen-Ko-Chefin Annalena Baerbock an diesem Montag für neue Schulden. Für die gemeinsam von SPD, Grünen und FDP erarbeiteten Infrastrukturmaßnahmen seien rund 50 Milliarden Euro nötig, betonte sie im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Das Aussetzen der Schuldenbremse aufgrund der Corona-Pandemie biete den Spielraum zur Umsetzung.
SPD und Grüne haben der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen bereits zugestimmt. FDP-Chef Christian Lindner warb am Sonntag zumindest dafür: "Im Sondierungspapier sind viele Anliegen der FDP enthalten", sagte er laut tagesschau. Es habe selten eine größere Chance gegeben, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren. "Diese Chance wollen wir nicht verstreichen lassen."
Noch bevor seine Partei zugestimmt hat, gab Lindner bereits zu erkennen, dass er Finanzminister werden will. Habeck kritisierte das laut einem Bericht im Tagesspiegel als "nicht hilfreich". Bei der Bundestagswahl am 26. September hatte die FDP gerade einmal 11,5 Prozent der Stimmen erhalten, die SPD 25,7 Prozent und die Grünen 14,8 Prozent.
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