Was hat sie sich bloß dabei gedacht?

Pegida-Demonstration, 2015. Bild: Kalispera Dell / CC BY 3.0

Warum wir das Interview mit Dunja Hayali in der Jungen Freiheit nicht lesen sollten. Ein Kommentar

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Dunja Hayali ahnt gar nicht, wie sehr ich sie für ihren Mut bewundert habe, Teilnehmende der Pegida- bzw- AfD-Demonstrationen persönlich über ihre Motivation zu befragen. Eine Ansammlung von Menschen, in deren Augen ihre bloße Existenz eine Provokation ist. Eine kleine, zierliche Reporterin mitten in der Höhle der Löwen. Chapeau!

Eine der wenigen Frauen, deren Stimme in dem Medienzirkus was gilt. Zu einem bestimmten Thema, aber immerhin. Neben Anja Reschke eine der prominentesten Anti-Rassistinnen, nicht nur in der deutschen Medienlandschaft, sondern dieses Landes. Ihre Rede bei der Verleihung der "Goldenen Kamera" im vergangenen Jahr hat Millionen Menschen gerührt. Auch mich hat sie sehr berührt.

Umso unverständlicher ist es mir, dass sie ihre Prominenz nutzt, um Klicks für ein rechts-nationales Medium zu generieren.

Gelungener PR-Coup: Genau so wurde die AfD groß gemacht

Genau so wurde die AfD groß gemacht: Alle suchten plötzlich den Dialog, Frauke Petry und Björn Höcke wurden von Talkshow zu Talkshow gereicht, schlussendlich setzte die AfD die Themen. Den Rang hat ihnen derzeit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan abgelaufen. Aber das kann sich schnell wieder ändern.

Nach Höckes verbaler Entgleisung bezüglich des Holocaust-Mahnmals in Berlin wurden Berichte darüber unzählige Male in sozialen Medien geteilt, mitsamt seines Konterfeis. Dieses ist unterdessen vermutlich weiter verbreitet als die Portraits von Che Guevara und Lady Di. Die Redaktion der Jungen Freiheit (JF) war so "nett", die Internet-Version des Hayali-Interviews (das ich hier bewusst nicht verlinke) bereits zwei Tage vor dessen Abdruck freizuschalten. Glückwunsch an die PR-Abteilung der JF für diesen gelungenen PR-Coup!

Denn seitdem es freigeschaltet ist, wird es munter in sozialen Netzwerken geteilt. Wahlweise mit dem Zusatz "mutig", "richtig, wir brauchen den Dialog" oder "geht gar nicht". Aber es wurde und wird geteilt. Ebenfalls mitsamt des Konterfeis von Dunja Hayali.

Nun ist mir grundsätzlich zwar der Anblick einer mutigen Journalistin lieber als der eines Politikers, der selbst für die AfD zu rechts und zu rassistisch ist. Indes, mir gefällt der Zusammenhang nicht. Dieses Interview bewirkt nur eines: Aufmerksamkeit für die JF!

Nein!

Wenn die prominenteste Anti-Rassistin dieses Landes dem Blatt ein Interview gibt, kann es so verkehrt ja nicht sein. Wenn ich dieses Interview lese, kann ich ja mal gucken, was sonst noch so berichtet wird. Wenn ich schon mal die Seite angeklickt habe … Wenn ich diese Woche gucke, kann ich es nächste Woche wieder tun. Mal schauen, was es dann interessantes zu entdecken gibt. "Aber hey, das ist ihre Sache", schrieb Anja Maier in der taz.

Nein! Das ist es nicht. Bilder drängen sich mir auf, wie dieser Dialog als Pilotprojekt für die neue deutsche Diskussionskultur Schule macht, und Dunja Hayali und der Interviewer als Positiv-Beispiel durch die Talkshows tingeln.

"Akzeptierende Sozialarbeit"

Übertragen auf die Sozialwissenschaften nennt sich dies das "Konzept der akzeptierenden Sozialarbeit". Im Rahmen dessen wurde um Verständnis für rechtsradikale Jugendliche geworben - um Verständnis und Gelder. Für Projekte, die ihnen einen unkomplizierten Treffpunkt verschafften, und zu ihrer freien Entfaltung beitrugen. Am Ende standen No-Go-Areas, beachtliche Waffen- und Sprengstoffansammlungen. Seit 1990 gibt es knapp 200 rassistisch motivierte Morde in diesem Land.

Für das Jahr 2016 weist die Kriminalstatistik einen eklatanten Anstieg rassistisch motivierter Straftaten aus. Dabei kamen allein 43(!) Kinder zu Schaden.

Dunja Hayali kennt diese Zahlen. Nochmal: Umso unverständlicher ist es mir, dass sie ihre Prominenz nutzt, um Klicks für ein rechts-nationales Medium zu generieren.

Wer mitreden will, muss lesen, was sie zu sagen hat, wurde mir von vielen gesagt. Auch mich interessiert, was sie zu sagen hat. Dennoch werde ich dieses Interview nicht lesen. Aus einem ganz einfachen Grunde: Auf den perfiden PR-Trick der JF werde ich nicht hereinfallen, und deren Seite schlicht nicht anklicken. Und trotzdem mitreden …