Was ist Leben?
Die von einem Wissenschaftler vorgeschlagene kybernetische Definition sieht Ameisenhaufen und Viren als lebendig an, aber nicht unfruchtbare Menschen
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Genau definierbar ist Leben bislang nicht. Meist verwendet man zur Definition von Leben eine mehr oder weniger lange Liste von Merkmalen, zu denen in aller Regel die Fähigkeiten der Replikation, der Evolution, des Metabolismus, der Reaktion auf Stimuli und der Reparatur von Schäden gehören. Ob dazu die Kohlenstoffchemie oder die DNA gehören, ist hingegen schon umstritten, weil das möglicherweise andere Lebensformen im Weltall oder auch künstliches digitales Leben ausschließen würde. Natürlich gibt es auch Definitionen wie die des Evolutionsbiologen Carl Woese, der sagt, Leben sei, wenn eine Entität von sich eine Kopie aufgrund von Teilen herstellen kann, die alle sehr viel einfacher sind als sie selbst. Insgesamt bleibt immer problematisch, dass wir bislang nur irdisches Leben kennen, was den Blick sehr verengen könnte, wenn es denn andere Formen des Lebens geben sollte.
Eine eigenwillige Definition hat Bernard Korzeniewski hat vom Institut für Molekularbiologie der Universität Krakau entwickelt (Cybernetic Formulation of the Definition of Life, in: Journal of Theoretical Biology, Vol. 209, No. 3, April 2001). In diesem Fall hat er versucht, eine "kybernetische Definition" zu geben, die sich auf die Funktionen, nicht auf die möglichen Eigenschaften von Leben konzentriert, deren Beschreibung nicht ausreicht, um bei Unkenntnis aller möglichen Lebensformen entscheiden zu können, ob etwas lebendig ist oder nicht: "Trotz der großen Vielfalt der Lebensformen", so Korzeniewski gegenüber New Scientist, "sind die grundlegendsten Prinzipien der biochemikalischen Strukturen und Funktionen einander überraschend ähnlich."
Die Definition ist so abstrakt wie einfach: "Ein Netzwerk aus unteren negativen Feedbacks, die einem höheren positiven Feedback untergeordnet sind." Damit ist ein System beschrieben, das keineswegs einzelne verkörperte Lebewesen als Leben kennzeichnet, sondern ganz allgemein sich so verhält, dass es seine Identität aufrechterhält oder reproduziert.
Interessanterweise wären so einzelne Arbeiterameisen, die sich nicht selbst fortpflanzen, nicht lebendig, dafür aber der ganze Ameisenhaufen, an deren Aufrechterhaltung alle Individuen beteiligt sind: "Eine Ameise ist so lebendig, wie dies beispielsweise eine Leber oder ein Herz ist, sie lebt nur als Teil eines größeren Systems." Dabei spielt auch Komplexität keine Rolle, schließlich soll die Definition auch die Ursprünge des Lebens in seinen einfachsten Formen umfassen können, also auch die ersten RNA-Moleküle einschließen, die in der Lage waren, sich zu replizieren.
Auch Viren, Krebszellen oder funktionslose DNA, die weiter vererbt wird, sind für den polnischen Wissenschaftler lebendig, da sie Enzyme erzeugen können, aufgrund derer sie sich letztlich reproduzieren können. Was sich nicht reproduzieren kann wie Prionen oder Viroide, kann daher ausgeschlossen werden. Das gelte auch für unfruchtbare Menschen, die demgemäß aus dem Lebendigen herausfallen würden (was möglicherweise, wollte man zynisch sein, den Zwang erklären würde, sich dann künstlich fortzupflanzen). Dementsprechend wären dann auch Kinder (noch) nicht lebendig, wenn nicht potentiell reproduktionsfähig ausreicht.
Eine solche Definition, die vieles nicht nur für den common sense Lebendiges ausschließt und politisch sowie moralisch auf jeden Fall nicht "korrekt" ist, wird sicher nicht zufriedenstellend das Problem lösen können, Leben zweifelsfrei zu identifizieren, zumal die Definition eher eine Version des stets bei der Liste der Kriterien für Lebendiges befindlichen Homoöstase zu sein scheint, die auch heißt, sich für eine gewisse Zeit im Sinne der Selbsterhaltung reproduzieren zu können.
PS: Dieser Artikel war bereits in Telepolis veröffentlicht, wurde aber durch einen Fehler mit einem anderen Artikel überschrieben. Ein Telepolis-Leser, dem dafür gedankt sei, hatte aber noch eine Kopie des Artikels, so dass wir ihn wieder online stellen können, wenn auch unter einer anderen URL und dem neuen Datum.