Was ist wie gesund?

Seite 2: Schlagabtausch der Wissenschaftler

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der wissenschaftliche Schlagabtausch geht bei der Frage des Cadmium-Gehalts weiter, wenngleich hier die Einwände von einer anderen Universität kamen. Prof. Tom Sanders von der School of Medicine am King’s College London wandte ein, dass der Cadmium-Gehalt in pflanzlichen Produkten stark von der Beschaffenheit der Böden abhänge und deshalb kein Kriterium für die qualitative Bewertung von biologischer oder konventioneller Produktion sein könne. Leifert moniert, dass dieses Argument völlig an der Sachlage vorbei gehen würde:

Soils clearly differ in Cd levels, but this does not explain that there was a difference between Cd-levels in organic and conventional crops; suggesting this would mean that organic farms are, for some magical reason, based in regions with soils naturally low in Cd, while conventional ones are located on regions with high Cd soils", which is off course non-sense.

Für den signifikant höheren Cadmium-Gehalt in konventionellen Produkten macht Leifert die Dünger verantwortlich, die in der biologischen Landwirtschaft eben nicht eingesetzt werden dürfen:

The main reason for differences in Cd concentrations is likely to be the much greater mineral phosphorus fertiliser inputs (which are known to contain Cd) used in conventional farming systems.

Cadmium ist aus wissenschaftlicher und speziell aus medizinischer Sicht tatsächlich ein komplexes Feld. Denn obwohl hoch giftig, ist Cadmium Bestandteil unserer täglichen Nahrung, der sich nicht gänzlich vermeiden lässt. Die Aufnahme wiederum hängt von verschiedenen anderen Faktoren wie beispielsweise der Versorgung mit Zink ab. So empfiehlt die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES):

Generell wird KonsumentInnen und vor allem Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangeren und Stillenden empfohlen, auf eine gute Mineralstoffversorgung von Eisen, Zink und Calcium zu achten, damit die Cadmium-Aufnahme verringert wird.

Besonders gefährdet gelten Raucher, da diese enorm hohe Mengen aufnehmen. Ansonsten nimmt der Mensch Cadmium hauptsächlich über die Nahrung auf. Die Werte bei Früchten aus konventioneller Produktion liegen aber meist weit unter den offiziellen Grenzwerten, was auch die Studienautoren einräumen. Die am höchsten mit Cadmium belasteten Lebensmittel sind Muscheln, Schalentiere, Innereien, Wildpilze, Kakao und verschiedene Ölsaaten. Diese waren aber nicht primär Gegenstand der Untersuchung. Allerdings sind die Grenzwerte umstritten und gelten vielen Experten als zu niedrig. Inzwischen haben etliche Länder als Reaktion auf neuere Risikoabschätzungen den erlaubten Cadmium-Gehalt für Dünger in der landwirtschaftlichen Produktion gesenkt.

Cadmium in konventionellen Düngemitteln

Demnach lässt sich nur festhalten, dass bisher (und zwar dort, wo cadmiumhaltige Dünger in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt wurden) der Newcastle-Studie zufolge ein Vorteil der biologischen Anbauweise zu erkennen ist. Wird der Einsatz von Cadmium in der konventionellen Landwirtschaft verboten, so würde hier das Argument der Newcastle-Forscher eines gesundheitlichen Vorteils von Bio-Produkten nicht mehr halten. Viele gesundheitsorientierte Verbraucher werden sich zumindest gefühlsmäßig der "simplified"-Aussage der Newcastle-Forscher anschließen, die in den Presseunterlagen festhielten:

In biologisch angebauten Produkten wurde zudem eine wesentlich tiefere Konzentration verschiedenster giftiger Schwermetalle gefunden, besonders Cadmium (im Schnitt 48 & tiefer). Cadmium ist, zusammen mit Blei und Quecksilber, eines der Metalle, für welche die Europäische Kommission einen Höchstwert in Lebensmitteln festgesetzt hat. Jegliche Verringerung von Cadmium ist daher positiv, da es sich bekanntlich im Körper ansammelt (besonders in der Leber und den Nieren).

Zurückhaltung bei Bio-Verbänden

Was mögliche gesundheitliche Vorteile von Bio-Lebensmitteln anbelangt, halten sich Bio-Verbände und Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace zumindest seit Erscheinen der FSA-Studie aus dem Jahr 2009 mit "vollmundigen" Aussagen eher zurück.

Umweltverbände beispielsweise betonen immer wieder, dass es ihnen bei der Unterstützung biologischen Landbaus primär um die Förderung des Aufbaus ökologisch nachhaltiger Strukturen gehen würde. Ähnlich argumentiert der "Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft" (BÖLW). Die Headline der Pressemitteilung zur Newcastle-Studie lautet zwar "Bio-Produkte sind gesünder". Im Nachsatz betont der Vorsitzende des Branchenverbandes Felix Prinz zu Löwenstein aber den Primat der Nachhaltigkeit:

Und trotzdem liegt mir daran, festzuhalten, dass gesündere Produkte nur der Zusatznutzen von dem sind, weshalb wir uns für den ökologischen Landbau engagieren: Denn in erster Linie geht es den Erzeugern, Verarbeitern und Händlern von Bio-Produkten um die positiven Wirkungen der ökologischen Produktion auf Natur und Umwelt sowie um den respektvollen Umgang mit Nutztieren. Unser Anliegen ist es, eine funktionierende Alternative zu einer Land- und Ernährungswirtschaft zu schaffen, die unsere natürlichen Ressourcen übernutzt, die artgemäßen Bedürfnisse der Tiere missachtet und deshalb nicht zukunftsfähig ist.

Weitere Studien notwendig

Die Forscher um Leifert halten fest, dass es weiterer Studien bedarf, um die aufgezeigten Unterschiede darzulegen. Insbesondere weitere Ernährungsstudien zu biologischer Ernährung werden gefordert:

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen klar, dass eine Notwendigkeit besteht, gut überwachte, ernährungsbasierte Interventionsstudien mit unterschiedlichen Gruppen von Menschen sowie Kohortenstudien mit Befragungen von großen Stichproben der Bevölkerung durchzuführen. Nur so können die Auswirkungen eines Wechsels zu biologischen Nahrungsmitteln auf die Gesundheit identifiziert und quantitativ bestimmt werden.

Allerdings sind solche Studien sehr aufwändig und teuer, wie bereits das Schweizer "Forschungsinstitut für biologischen Landbau" (FiBL) im Zusammenhang mit der FSA-Studie aus 2009 festhielt. Es wird sich weisen, ob ausreichend Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.