Was ist wie gesund?

Biologische Landwirtschaft hat etliche ökologische Vorteile. Über einen möglichen gesundheitlichen Bonus wird aber auch nach einer neuen Metastudie diskutiert

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Gegenüber Lebensmitteln aus konventioneller Produktion weisen biologische Produkte signifikant mehr Antioxidantien, weniger Cadmium und deutlich weniger Pestizidrückstände auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von 343 wissenschaftlichen Untersuchungen, die kürzlich von der Universität Newcastle vorgestellt wurde. Kritiker meinen, die ermittelten Unterschiede erscheinen nur auf den ersten Blick hin groß, aus ernährungsphysiologischer Sicht wären sie aber nicht relevant. Das wollen die Studienautoren allerdings nicht so ohne weiteres gelten lassen. Sie räumen allerdings ein, dass die vorgelegte Meta-Analyse nur als Grundlage dienen kann um weitere Forschungen über gesundheitliche Vorteile anzuregen und zu legitimieren.

Bild: public domain

Über Jahrzehnte hinweg gab es in Forscherkreisen, zwischen den verschiedenen Interessensverbänden und in den Medien eine Diskussion darüber, ob Bio-Lebensmittel tatsächlich gesünder sind als Produkte aus konventioneller Produktion. Insbesondere die Annahme der meisten Verbraucher, dass "bio" auch nährstoffreicher und somit gesünder sei, wurde von Wissenschaftlern oft als Werbeargument der Bio-Lobby angesehen.

Im Jahr 2009 sorgte schließlich eine Studie der britischen Lebensmittelbehörde FSA (Dangour et al.) für erhebliche Aufregung unter Bio-Fans und -Verbänden, da hier gesundheitliche Vorteile nicht festgestellt wurden. Nach Sichtung von 162 Studien gelangten die Wissenschaftler damals zur Ansicht, dass es keine Belege für signifikante Unterschiede beim Nährstoffgehalt geben würde. Eine 2012 veröffentlichte Meta-Studie der Stanford Universität kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die Forscher fanden keine auffälligen Unterschiede beim Vitamingehalt, die Verteilung von Fetten und Proteinen war bei Produkten aus biologischer und konventioneller Anbauweise ähnlich. Einig ist man sich bisher nur darüber, dass die Pestizidrückstände bei biologischen Lebensmitteln deutlich geringer sind.

Kritiker der Meta-Studien aus den Jahren 2009 und 2012 bemängelten neben vermeintlicher Methodenschwächen, dass Faktoren welche aus gesundheitlicher Sicht durchaus relevant wären, gar nicht erst berücksichtigt wurden, zum Beispiel eine Prüfung des Gehalts an Antioxidantien ("Radikalfänger"). Diesen Aspekten trägt die neue Studie der Universität Newcastle Rechnung. Finanziert wurde sie hauptsächlich mit Fördergeldern aus dem sechsten Forschungsrahmenprogramm der EU-Kommission. Die Ergebnisse wurden im British Journal of Nutrition (Cambridge University Press) veröffentlicht. Als Grundlage dienten der Metaanalyse 343 durch Peer-Reviews geprüfte wissenschaftliche Untersuchungen. Wie die Forscher betonen, berücksichtigte man auch Ergebnisse aus Studien, die erst nach der FSA-Publikation von 2009 veröffentlicht wurden.

Das Forscherteam konzentrierte sich auf biologische Feldfrüchte, Obst und Gemüse. Fleisch und Milchprodukte fanden im Gegensatz zur FSA-Studie keine Berücksichtigung. Die Wissenschaftler aus Newcastle konnten nach eigener Einschätzung auf einen "Datenvorteil" gegenüber der FSA-Studie bauen, zumal inzwischen mehrere relevante Einzelstudien vorliegen würden. Die Auswertung der Daten nach "neueren statistischen Methoden" zeige "signifikante Unterschiede" zwischen biologischer und konventioneller Produktion. Zusammenfassend hält Studienleiter Carlo Leifert, Professor für biologische Landwirtschaft an der Universität Newcastle fest:

Die Untersuchung zeigt, dass nach biologischen Standards produzierte Nahrung zu einer erhöhten Aufnahme ernährungsphysiologisch erwünschter Antioxidantien und zu einer geringeren Gefährdung durch toxische Schwermetalle führen kann.

Speziell bei Antioxidantien wie zum Beispiel Polyphenole wiesen Bio-Lebensmittel bedeutend höhere Konzentrationen auf: "Die Unterschiede werden für Phenolsäure, Flavanole, Stilben, Flavone, Flavonole und Anthocyane (Flavenole) auf 19 % (±14%, Vertrauensintervall), 69 %(±56%), 28 %(±16%),26 %(±22%),50 %(±22%) und 51% (±34%) geschätzt."

Wie wichtig sind Antioxidantien?

Antioxidantien werden vielfach als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, was Fachleute gerne als "Humbug" bezeichnen, zumal sie dort isoliert ohne natürliche Begleitstoffe vorkommen. Häufig wurden entsprechende Produkte von Herstellern als "Krebsvorbeugung" propagiert (fragwürdige Gesundheitsversprechen, die inzwischen behördlich eingeschränkt wurden).

Wie die deutsche Krebsgesellschaft mitteilt, gibt es zwar Hinweise auf positive Effekte bezüglich des Krebsrisikos, eindeutige wissenschaftliche Belege gibt es derzeit jedoch nicht. Antioxidantien könnten in manchen Fällen das Krebswachstum sogar befördern, wie "Die Welt" unter Berufung auf den Medizin-Nobelpreisträger James Watson 2013 berichtete Anders sieht es bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen aus. Experten sind sich durchgängig einig, dass gesunde Ernährung, die auch Antioxidantien in ausreichendem Maße miteinbezieht, eine wichtige Prävention darstellt. Da die besten Lieferanten dafür Obst und Gemüse sind, wurde die Kampagne "Fünf mal am Tag" von offiziellen Gesundheitsstellen forciert. 650 Gramm Obst und Gemüse täglich, lauten die offiziellen Empfehlungen.

Gesundheitlich nicht relevant?

Bezüglich der Newcastle-Studie und des ernährungsphysiologischen Werts der höheren Konzentration von Antioxidantien in Bio-Lebensmitteln zitiert die taz Professor Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel, der sich skeptisch äußerte. Für ihn sei die ermittelte höhere Antioxidantien-Konzentration "gesundheitlich nicht relevant". Ähnlich äußerten sich auch andere Kritiker.

Die Antworten Leiferts auf sämtliche Experten-Einwände wurden auf der Universitäts-Homepage veröffentlicht. Insbesondere die Kritik, dass es sich ja nur um "einzelne Antioxidantien" handle, wollten die Forscher nicht so einfach auf sich beruhen lassen, zumal in anderen Zusammenhängen ein höherer Gehalt einzelner Substanzen in einer Pflanze sehr wohl als gesundheitlich relevant dargestellt wird und entsprechende Projekte im Bereich gentechnisch modifizierter Pflanzen finanziell gefördert werden.

Gentech-Tomate versus Bio: Zweierlei Maß?

Die Logik einiger Kritiker lässt sich tatsächlich nicht ganz nachvollziehen, wenn man etwa folgenden Einwand und die Replik von Leifert liest. So hielt der Leiter des Food and Health-Programms des Institute of Food Resarch fest, dass es sogar wahrscheinlich ist, dass biologisch produzierte Lebensmittel einen höheren Gehalt an Antioxidantien aufweisen würden. Dies wäre eine Art natürliche Reaktion von Pflanzen, die biologisch produziert werden, zumal weniger Chemie die pflanzeneigenen Abwehrmechanismen ankurble. Ein gesundheitlicher Mehrwert ließe sich daraus aber nicht ableiten, argumentierte Prof. Mithen vom IFR sinngemäß. Doch eben genau das "Institute of Food Research" unterstützt ein Projekt zur Züchtung einer gentechnisch veränderten violetten Tomaten-Art, die mehr Antioxidantien enthalte, weil damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden könnten, kontert Leifert in seiner Replik. Leifert zitiert aus der Projekt-Beschreibung der gentechnisch veränderten "Purple Tomatoe":

...Purpose and significance of project: The aim of this project is to undertake highly controlled dietary interventions to assess whether increased anthocyanin consumption reduces CVD risk. This will be achieved using genetically modified tomatoes that contain high levels of flavonoids and comparing their effects with the control tomatoes that do not express the flavonoids.

In seiner Replik hält Leifert fest, dass diese IFR-Beschreibung potenzieller gesundheitlicher Vorteile stark dem Design der Newcastle-Studie ähnelt:

The description of potential health impacts on the IFR website is very similar to how our study describes the current knowledge about potential health impacts. The gap of knowledge regarding quantifying their impacts on human health is also very similar; we point to the need of well-designed human dietary intervention or cohort studies to measure health impacts of increased antioxidant/(poly)phenol intake.

Letztlich stimmt Leifert dem Kritiker des IFR "sarkastisch" zu, dass es sicher einen großen Unterschied machen wird, Anthocyanin in Form einer gentechnisch veränderten violetten Tomate zu sich zu nehmen oder auf biologische Früchte umzusteigen:

I would agree that there may well be a great difference in the health impacts between increasing anthocyanin intake via (a) eating genetically engineered purple tomatoes and/or (b) switching to organic fruit and veg consumption.