Was können 750 Millionen transgene Mücken anstellen?
Ab 2021 startet ein Pilotversuch in Florida. Im Kampf gegen Malaria hilft auch die Bill & Melinda Gates Stiftung mit
Es ist ein Thema, bei dem Umweltschützer vor Risiken warnen: Das Bekämpfen von Mücken mit gentechnisch veränderten Mücken. Eine Form der Geburtenkontrolle im Insektenreich mit unabsehbaren Folgen. Im amerikanischen Bundesstaat Florida sollen 750 Millionen gentechnisch veränderte Tigermücken eingesetzt werden, um Krankheitsausbrüche zu verhindern. Diese sollen ab 2021 die invasive Spezies der ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti) ausrotten, die auch unter dem Namen Gelbfiebermücke oder Denguemücke bekannt ist, nicht umsonst. Sie ist auch in der Lage das Zikavirus zu übertragen.
Statt wie gewöhnlich zu Insektiziden zu greifen, sollen die natürlichen Tigermücken mit einer Armada von gezüchteten Tigermücken mit der Bezeichnung OX5034 von der britischen Biotechnologie-Firma Oxitec (Oxford Insects Technologies) bekämpft werden. Oxitec, ein Tochterunternehmen der amerikanischen Intrexon, hat bereits ein Trademark auf das Produkt: "Friendly Mosquito". Die freundlichen Mücken sollen effizienter und umweltfreundlicher sein als die gewöhnliche Bekämpfung mit Insektiziden.
Bereits 2017 traf sich die EPA mit Oxitec, um Möglichkeiten zur Bekämpfung der Ausbreitung des Zika-Virus zu erörtern, wie es heißt. Nach einem gescheiterten Versuch vor zwei Jahren hatte Oxitec letztes Jahr eine neue Generation ihrer gentechnisch veränderten Friendly Mosqiuto zur Überprüfung durch die US-Umweltschutzbehörde EPA eingereicht. Die EPA geht davon aus, dass dies "angesichts der wachsenden Resistenz gegen die derzeitigen Insektizide ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Ausbreitung bestimmter von Mücken übertragener Krankheiten wie des Zikavirus sein könnte."
Geburtenkontrolle bei Mücken
Bekanntlich stechen nur weibliche Mücken und übertragen Krankheiten. Bei OX5034 handelt es sich um männliche Tigemücken, denen ein Gen namens Tetrazyklin-Transaktivator (tTAV) eingepflanzt wurde. Es führt zum Tod der weiblichen Tiere noch im Larvenstadium. Paaren sich OX5034-Mücken mit wild lebenden Weibchen, überlebt also nur der männliche Nachwuchs, das wiederum das tTAV-Gen trägt, sich fortpflanzt und weitere weibliche Nachkommen ausschaltet bis nach einigen Generationen auch sie selbst gemäß der Mendelschen Regeln verschwinden. So verkauft es Oxitec.
Vielfach wird berichtet, dass die beiden Bundesstaaten Texas und Florida seit einem Zika-Ausbruch 2016 mit Infektionen durch das von Mücken übertragene Virus zu kämpfen hätten, doch laut Centers for Disease Control (CDC) wurden in den USA dieses und letztes Jahr keine Zika-Fälle durch Übertragung von Mücken bekannt. Im Mai erteilte die EPA die Genehmigung zur Produktion der gentechnisch veränderten Mücken und dem Einsatz in Florida als auch in Texas. Am Dienstag gaben Beamte des Florida Keys Mosquito Control District (FKMCD) die endgültige Genehmigung, 750 Millionen der modifizierten Moskitos über einen Zeitraum von zwei Jahren freizulassen.
In einem offiziellen Antragsdokument von Oxitec heißt es, es werde erwartet, dass die weiblichen Nachkommen der OX5034-Mücken in der Umwelt sterben, bevor sie erwachsen werden und daher ist eine Exposition gegenüber stechenden weiblichen Mücken nicht zu erwarten. Doch schon bevor Oxitec seine veränderten Moskitos in Brasilien, Malaysia und auf den Cayman-Inseln in Pilotversuchen freisetzte, wusste das Unternehmen, dass das eingefügte Gen nicht zwangsläufig tödlich war. Labortests hatten gezeigt, dass bei der Paarung der gentechnisch veränderten Männchen mit wilden Weibchen etwa 3 % ihrer Nachkommen überlebten, berichtete Science letztes Jahr.
"Das Wichtige ist, dass etwas Unvorhergesehenes passiert ist", sagt der Populationsgenetiker Jeffrey Powell von der Universität Yale, der die Studie mit brasilianischen Forschern durchgeführt hat. "Wenn Menschen transgene Linien oder irgendetwas zur Freisetzung entwickeln, stammen fast alle ihre Informationen aus Laborstudien. Die Dinge laufen aber nicht immer so, wie man es erwartet."
Gates Stiftung
Oxitec forscht auch an einer Bekämpfung von Malaria mithilfe ihrer Mücken-Methode. Malaria fordert jährlich über 600.000 Tote. Kürzlich erinnerte Bill Gates in einem Blogeintrag daran. Auch inmitten der Corona-Krise sei es wesentlich, die durch die Insekten übertragene Krankheit Malaria nicht zu vergessen. Millionen von Menschen würden ihm zufolge jede Nacht damit infiziert und alle zwei Minuten ein Kind durch die Folgen sterben.
Allerdings ist die Sache hier schwieriger, da Malaria von vielen Mückenarten übertragen wird. 2018 bekam Oxitec 5.812.666 US-Dollar von der Bill & Melinda Gates Stiftung, um die Gen-Technologie auch auf Malaria übertragende Mückenstämme (Anopheles) anzuwenden. Unter dem Dach von Target Malaria, einem gemeinnützigen Forschungsverbund, wurden im Juli 2019 erstmals gentechnisch veränderte Anopheles-Mücken in Burkina Faso freigesetzt. Die männlichen Mosquitos wurden durch Gentechnik steril gemacht, um die Mückenpopulation zu verringern und so die Übertragung von Malaria einzudämmen.
Als Alternative zu gentechnisch veränderten Mücken zur Bekämpfung gilt die Wolbachia Methode: Mücken werden mit einem Bakterium infiziert. Die Bakterien konkurrieren im Mückenkörper mit Viren wie Dengue, Zika, Chikungunya und Gelbfieber. Dadurch wird es für die Viren schwieriger, sich in den Moskitos zu vermehren. Und die Stechmücken verbreiten die Viren viel seltener von Mensch zu Mensch. Das Weltmoskitoprogramm (WMP) züchtet die Wolbachia-übertragende Moskitos.
Die Bill und Melinda Gates Stiftung fördert auch dieses Programm. Gemeinsam mit dem Wellcome Trust haben sie dem Weltmoskitoprogramm über drei Jahre über 30 Millionen US-Dollar zugewiesen, womit sich ihr Gesamtbeitrag seit 2010 auf 133 Millionen US-Dollar beläuft.