Was macht synthetische DNA im Blut?

Nachweis von Gentech-DNA aus Monsanto-Mais in Tierorganen und -blut wirft viele Fragen auf

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Italienische Forscher fanden bei Fütterungsversuchen mit Schweinen Bruchstücke des synthetischen Gens der Gentech-Maissorte MON810 aus dem Hause Monsanto in Blut, Leber, Milz und Nieren. Jetzt stellt sich die Frage, welche Auswirkungen synthetische DNA aus gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln auf Mensch und Tier haben könnte.

In Informationsmaterialen über Gentechnik und Lebensmittel wird häufig betont, dass genetische Information (DNA) aus der Nahrung im Magen- und Darmtrakt vollständig abgebaut wird. Das konnte bisher tatsächlich gesagt werden, räumt auch die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 ein. Denn lange Zeit konnte die Sequenz der synthetischen Gene gentechnisch veränderter Organismen (GVO) nicht nachgewiesen werden. Allerdings vermuteten einige Wissenschaftler, dass es nur eine Frage der Zeit sei, eine Frage der Verfeinerung der Nachweismethoden, bis auch Sequenzen gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) im Blut gefunden werden würden.

Das Team um Raffaele Mazza von der Universität Piacenza (Italien) führte einen fünfunddreißig Tage dauernden Fütterungsversuch mit Schweinen durch. Die Studie wurde von Monsanto unterstützt. Dabei wurde eine Gruppe der Versuchstiere mit konventionellem Mais gefüttert, die andere mit der gentechnisch veränderten Monsanto-Sorte MON810. Beobachtet wurde die Präsenz von Pflanzen-DNA in Blut, Leber, Milz und Nieren. Die Monsanto-Sorte MON810 zählt zu den insektenresistenten Gentech-Pflanzen. Für diese Art der gentechnisch veränderten Pflanzen nutzen Forscher die Erbinformation eines Bodenbakteriums, die ins Genom eingeschleust wird. Der GV-Mais produziert dann selbst Giftstoffe, die gegen Schadinsektbefall wirken sollen. Bei MON810 handelt es sich dabei um die transgene DNA Cry1A(b).

Die wissenschaftlich inzwischen begutachteten Ergebnisse (Assessing the transfer of genetically modified DNA from feed to animal tissues, Mazza et al. 2005 – Anm. Das wissenschaftliche Dossier liegt der Redaktion vor) des italienischen Forscherteams zeigten, dass Cry1A(b) nicht vollständig im Magen- und Darmtrakt abgebaut wurde. Fragmente fanden sich in Blut, Leber, Milz und Nieren. Die vollständige transgene DNA konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, wie die Forscher betonen. Auch sei es nach diesen Ergebnissen unwahrscheinlich, dass es höhere Aufnahmewerte bei gentechnisch verändertem Mais gebe als bei konventionellem.

Dass DNA aus konventionellen Nahrungsmittel die Magen-Darm-Passage passieren können, ist seit längerem bekannt. Als bahnbrechend gelten die Forschungen der deutschen Genetiker Walter Doerfler und Rainer Schubbert in den 80er und 90er-Jahren. Die Wissenschaftler wiesen in verschiedenen Tierversuchsreihen nach, dass DNA aus der Nahrung über die Darmschleimhaut in den Organismus gelangt. Gentech-Gegner werteten diese Ergebnisse als weiteres Indiz für unabwägbare Risiken von GVOs.

Gegen diese Auslegung wehrten sich aber wiederum die Wissenschaftler. In einem 1997 im deutschen Ärzteblatt erschienen Artikel schreiben die beiden:

Es erscheint unrealistisch, sich über "genmanipulierte Nahrungsmittel" zu beunruhigen, wenn man realisiert, dass wir allen diesen in "gene food" verwendeten Genen und Tausenden anderer Gene in den vielfältigsten Kombinationen seit Jahrmillionen in unserer Nahrung ausgesetzt waren und weiterhin sein werden.

Wirkung auf das Immunsystem?

Genau diese Schlussfolgerung halten Gentech-Kritiker für unzulässig, zumal transgene DNA bei den heute gängigen Gentech-Sorten in dieser Form noch nie in unserer Nahrung zu finden gewesen wäre. Generell wisse man noch viel zu wenig über die Wirkung von fremder DNA auf den tierischen oder menschlichen Organismus. Der österreichisch Risikoforscher Werner Müller präzisiert:

Unklar ist nach wie vor, warum der Körper genetische Sequenzen aus der Nahrung überhaupt aufnimmt und nicht abbaut und ausscheidet. Offenbar dürfte bei der Nahrungsaufnahme neben den Fetten, Kohlenhydraten und den Eiweißen auch noch die genetische Information eine Rolle spielen. Doch welche Rolle die Nahrungs-DNA hat, ist eines der vielen ungelösten Rätsel bei der Bewertung gentechnisch veränderter Organismen.

Müller verweist in diesem Zusammenhang auch auf Forschungen von Wissenschaftlern des Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem. Sie wiesen 2004 in einer Studie die Wirkung von Nahrungs-DNA auf das Immunsystem nach. Die Wissenschaftler kamen bei ihren Versuchen zur Wirkungsweise von Probiotika zu dem Schluss, dass die schützenden Wirkungen der Probiotika durch ihre eigene DNA vermittelt werden und nicht durch ihre Stoffwechselprodukte oder ihre Fähigkeit, den Dickdarm zu besiedeln. Das heißt, dass Nahrungs-DNA Wirkungen auf das Immunsystem zeigen kann. Mögliche Auswirkungen von fremder DNA auf den Organismus von Säugetieren wurden aber bisher kaum für die Risikobewertung bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) berücksichtigt.

Den jüngsten Nachweis von transgener DNA im Blut beurteilt Global 2000 deshalb kritisch. In einer Stellungnahme heißt es:

Der Gedanke, dass nach dem Konsum eines Frühstücks mit Cornflakes, im Blut von Kindern und Erwachsenen synthetische genetische Sequenzen im Blut herumschwimmen und von dort in verschiedenen Organen gelangt, ist keineswegs beruhigend. Handelt es sich doch bei diesen Sequenzen um menschengemachte künstliche (synthetische) Sequenzen, die in keinem einzigem Lebewesen der Erde vorkommen. So wie Pestizide im Blut nichts verloren haben, so haben auch künstliche Gene nichts im Blut verloren.

Tatsächlich lässt die bisherige Zulassungspraxis von gentechnisch veränderten Pflanzen für Futter- oder Lebensmitteln auf EU-Ebene viele Fragen zu gesundheitliche Risiken unberührt. Über langfristige gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen lässt sich derzeit nichts Stichhaltiges sagen, zumal weltweit kaum systematische Forschung betrieben wird. Dass noch kein Amerikaner nach dem Verzehr von Lebensmitteln aus GVO tot umgefallen sei, wie Gentech-Befürworter gerne betonen, wird den skeptischen europäischen Konsum kaum beruhigen. Selbst in den USA landet nämlich das meiste an GV-Ware noch in Futtertrögen und Mastvieh hat bekanntlich nicht die gleiche Lebenserwartung wie ein Mensch.

Der Mensch kommt heute meist nur mittelbar, also bei Verzehr tierischer Produkte, damit in Berührung. In verarbeiteten Nahrungsmitteln kommen Substanzen aus gentechnisch veränderten Pflanzen heute fast ausschließlich nur in Spuren vor. Nichts Genaues weiß man nicht. Das ist eigentlich das einzige, was man derzeit über gesundheitliche Folgen von GV-Lebensmitteln wirklich sagen kann.

Die von den italienischen Forschern getestete GV-Maissorte MON810 sollte übrigens nach Wünschen des Herstellers Monsanto per Eilverfahren dieses Jahr in Deutschland für den kommerziellen Anbau durchgesetzt werden. Allerdings wiesen die zuständigen Richter den Antrag inzwischen ab.

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