Was wenn Invasoren keine Reparationen zahlen wollen?
Griechenland und Polen pochen gegenüber Deutschland auf Reparationen. Doch Berlin verweigert diese regelmäßig. Einst schämten sich Grüne für diese Haltung und heute tragen sie sie mit.
Wegen des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine verlangt der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj bereits seit dem Frühjahr 2022 Reparationen von Russland.
Diesbezüglich hat die UN bereits eine Resolution verabschiedet, gemäß der Russland der Ukraine Reparationen schuldet. Wie die Zahlung durchgesetzt werden kann, ist noch nicht bekannt. Wenn sich schon Deutschland so sehr gegen die Zahlung von Reparationen sträubt, wie wird dann erst Russland unter Wladimir Putin handeln?
Polnische Verzichtserklärung
Um einen etwas älteren Angriffskrieg handelt es sich beim Anspruch Griechenlands und Polens auf deutsche Reparationen. Polen fordert 1,3 Billionen Euro von Deutschland und ist, wie Griechenland, mit der Weigerung der deutschen Außenministerin konfrontiert, über das Thema auch nur zu diskutieren.
Polen hatte 1957 auf Druck der UdSSR eine Verzichtserklärung unterschrieben, auf welche sich Annalena Baerbock nun beruft. Die polnische Regierung verweist dagegen darauf, dass das Land damals als Satellitenstaat des Warschauer Pakts nicht souverän gehandelt habe.
Die griechischen Forderungen erscheinen im Vergleich geringer. Sie werden, seit 1981, immer wieder angesprochen und seit der deutschen Einheit bei jeder Gelegenheit erhoben, auch beim Staatsbesuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Athen im Oktober 2022. Zwischen 269 Milliarden und 332 Milliarden Euro soll Deutschland Griechenland schulden.
Wie sich die Forderungen zusammensetzen, ist unter anderem in einem nun auf Deutsch erschienen Buch des Diplomaten Aris Radiopoulos zu lesen. Der Autor stützt sein Werk auf Dokumente des griechischen Außenministeriums und war in Deutschland auf Diskussions- und Lesereise.
Deutschland lehnt solche Forderungen regelmäßig ab. Stets wird auf den Zwei-plus-Vier Vertrag zur deutschen Einigung verwiesen. Wobei die Griechen, anders als die Polen, weder dann noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt auf Reparationen verzichteten.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. Juni 2003 – III ZR 245/98 zudem entschieden, dass zivile Opfer von Massakern, die als Kriegsverbrechen von den Besatzern begangen wurden, keinen Anspruch auf Entschädigung haben.
Londoner Schuldenabkommen
Tatsächlich hatte die polnische Unterschrift unter den Schuldenerlass auch den Grund, den damaligen sozialistischen Bruderstaat DDR zu unterstützen. Ein ähnliches, wenn auch nicht so striktes Abkommen schlossen die westlichen Staaten mit der jungen Bundesrepublik.
Eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkriege herrührenden Forderungen von Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen [...] wird bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt.
Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953
Eine Folge des Londoner Schuldenabkommens und des Bundesentschädigungsgesetzes war, dass Zwangsarbeiter als besetzten Staaten, die nicht aufgrund von "politischen Gegnerschaft, der Rasse, des Glaubens oder wegen ihrer Nationalität vom nationalsozialistischen Regime verfolgt worden waren" leer ausgingen.
Betroffen davon sind vor allem Zwangsarbeiter aus Osteuropa, darunter auch Menschen aus der heutigen Ukraine. Ehemalige polnische Zwangsarbeiter kämpfen auch heute noch um ihre Rechte gegenüber ihren ehemaligen Unterdrückern.
Für den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer war das Abkommen "von grundlegender Bedeutung für die Wiederherstellung des deutschen Kredits und die Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft". Für die damals junge Bundesrepublik bedeutete dieses Abkommen den Schlüssel zum Wirtschaftswunder, weshalb das Abkommen als Blaupause für die Ukraine angesehen wird.
Demnach sollte die Ukraine nach dem Krieg, die von Russland zu erwartenden Reparationsgelder und die westlichen Aufbaukredite nur für den Wiederaufbau und nicht für die Bedienung von Vorkriegsschulden verwenden. Ein interessanter Nebenaspekt ist die Tatsache, dass Anträge aus Griechenland, mit einem ähnlichen Abkommen wie damals die Bundesrepublik einen Schuldenschnitt, die sozial einschneidenden Spardiktate nach der Staatspleite von 2010 abzufedern, am deutschen Widerstand scheiterten.
Griechenland erhebt außer auf Reparationen auch Ansprüche auf einen von den Besatzern erhobenen Zwangskredit. Auch dessen Rückzahlung wird von Deutschland verweigert, während die damals mit dem Dritten Reich verbündeten Italiener den von ihnen erhobenen Zwangskredit bereits zurückgezahlt haben.
Die Bundesrepublik hat nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Londoner Schuldenabkommen jedoch tatsächlich einmal Reparationen an Griechenland gezahlt. 1974 wurden dem im Ersten Weltkrieg neutralem Griechenland 42 Millionen D-Mark überwiesen, weil die Kaiserliche Reichswehr ein Handelsschiff versenkt und den Hafen von Thessaloniki bombardiert hatte.
Grüne Sicht vor und nach der Regierungsübernahme
Auch weil diese Reparationen einige Jahrzehnte verspätet ausgezahlt wurden, haben die griechischen Politiker die Hoffnung auf eine Einsicht einer Bundesregierung noch nicht aufgegeben. Der griechische Außenminister Nikos Dendias wunderte sich jedoch im Juli 2022 über die strikte Ablehnung der griechischen Forderungen durch seine Amtskollegin Baerbock.
Hatten doch die Grünen ein Jahr zuvor, noch in der Opposition die Ablehnung der Forderungen durch die Große Koalition kritisiert. Sie sei "geradezu demütigend", hieß es. Die damalige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth schämte sich für die Haltung Deutschlands. Heute ist sie Kabinettsmitglied einer Regierung, die in dieser Frage konstant die Meinung der Vorgängerregierungen vertritt. Dendias sprach Baerbock direkt auf die Äußerungen von Roth an.