Wasserstoff, Rote Khmer und Cannabis-Regeln im Straßenverkehr

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schreibt Wasserstoff eine wichtige Bedeutung für den motorisierten Individualverkehr zu. Darüber wurde in den letzten Wochen breit berichtet. In einem Leserbrief an Telepolis wird der Artikel "Willkommen in Deutschlands schöner neuer Wasserstoffwelt" von David Goeßmann kritisiert. Goeßmann hatte geschrieben:

Daher warnen immer mehr Experten davor, dass eine auf Wasserstoff ausgerichtete Energiewirtschaft die Emissionen sogar noch erhöhen wird. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein Beratungsgremium der Bundesregierung, hat beispielsweise erklärt, dass Wasserstoff "keine übergeordnete Rolle" bei der Lösung der Klimakrise spielen kann.


David Goeßmann, Telepolis

Neben anderer Kritik am Artikel hält der Leser dieses Zitat für verkürzt und damit verfälschend. Der ganze Absatz in der Stellungnahme des SRU vom Juni 2021 lautet: "

Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein für das Erreichen der langfristigen Klima- und Umweltziele. Er kann jedoch keine übergeordnete, sondern vielmehr eine ergänzende Rolle übernehmen. Dazu sollte Wasserstoff unter Einbeziehung von Umweltkriterien und Sozialstandards – dunkelgrün – hergestellt und effizient im Gesamtsystem genutzt werden.


SRU

Doch etwas anderes behauptet Goeßmann gar nicht in seinem Artikel, vielmehr kritisiert er explizit, dass neben Bereichen, in denen Wasserstoff (beziehungsweise damit hergestellte synthetische Kraftstoffe) als Ersatz von fossilen Brennstoffen nahezu alternativlos sein wird, nämlich in der Stahlindustrie, der Schifffahrt und der Luftfahrt, Wasserstoff (bzw. damit produzierte E-Fuels) auf Wunsch des Verkehrsministers auch für Autos mit Verbrennungsmotor zur Verfügung stehen sollen.

Das wäre nun eine Verschwendung des knappen Guts (grüner) Wasserstoff und vor allen Dingen ineffizient. In der Stellungnahme des SRU heißt es zu den Antriebsarten von Pkw explizit:

Zwischen den verschiedenen Antrieben ergeben sich erhebliche Unterschiede im Wirkungsgrad über die gesamte Herstellungs- und Prozesskette (sog. Well-to-Wheel-Effizienz, s. beispielhaft für Pkw Abb. 10). Der gleiche Primärenergieeinsatz führt bei einem batterieelektrischen Fahrzeug zu einem Vielfachen der Reichweite eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor und E-Fuels. Aufgrund der Umwandlungsverluste und des geringen Wirkungsgrades erreichen E-Fuels häufig erst bei 70 bis 80 % erneuerbarer Energien am verwendeten Strommix einen Klimavorteil gegenüber fossilen Kraftstoffen (...).

Zumindest im kommenden Jahrzehnt werden sowohl die verfügbaren globalen Liefermengen an grünem Wasserstoff (...) als auch die Synthesekapazität von E-Fuels noch sehr begrenzt sein. Diese Kraftstoffe sollten deshalb mit steigender Verfügbarkeit dort zum Einsatz kommen, wo keine volkswirtschaftlich günstigeren und ökologisch sinnvolleren Alternativen zur Verfügung stehen.


SRU

Auch die von der FDP geforderte "Technologieneutralität" hält der SRU für nicht angebracht: "Ein rein technologieneutraler Ansatz vernachlässigt jedoch sektorale Pfadabhängigkeiten, die der vorherrschenden Antriebstechnologie des Verbrennungsmotors zugutekommen", heißt es in der Stellungnahme. "Die verbrennungsmotorgetriebene Mobilität stellt in diesem Sinne ein stabiles sozio-technisches System dar, das beispielsweise von der existierenden Infrastruktur wie Tankstellen profitiert (SRU 2017, S. 108)."