Wasserstoffantrieb für Auto, Lastenrad & Co.: schöne Idee, aber vorerst unrealistisch
Es gibt viele Ideen, wo Wasserstoff in Zukunft eingesetzt werden könnte. Deutsche Wissenschaftler betonen nun den Vorrang des Einsatzes in der Industrie
Wasserstoff spielt eine entscheidende Rolle dabei, Deutschland klimaneutral zu machen - darüber sind sich die meisten Akteure in der Bundesrepublik einig, vor allem wenn es sich um sogenannten grünen Wasserstoff handelt. Allerdings fehlt bislang Klarheit darüber, in welchen Bereichen er in Zukunft eingesetzt werden soll. Die Ideen für seinen Einsatz sind vielfältig.
Rolls-Royce will zum Beispiel die Notstromaggregate von Rechenzentren, die aktuell noch vor allem mit Diesel angetrieben werden, durch Brennstoffzellen ersetzen. Ein solches System präsentierte das Unternehmen beim Weltklimagipfel in Glasgow - und die Vertreter von Rolls-Royce spekulierten schon über einen zukunftsträchtigen Massenmarkt für ihr Produkt.
Vorerst noch Vision: Alle 150 Kilometer zehn Minuten tanken
Niederländische Designer haben eine weitere Idee: ein Lastenrad mit Wasserstoffantrieb. Bislang benötigen diese mitunter schwere Batterien, die längere Zeit zum Laden bedürfen, wenn sie leergefahren sind. Die Batterien, so die Idee, sollen durch einen Gastank und eine Brennstoffzelle ersetzt werden. 150 Kilometer weit soll man damit kommen können und das Tanken dauere nur knappe zehn Minuten.
Andere wollen Autos mit Brennstoffzellen antreiben oder Züge, wieder andere wollen Wasserstoff als Heizgas nutzen. So vielfältig die Ideen auch sind - in den nächsten Jahren wird nicht genug grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen. Deutsche Wissenschaftler warnen nun - einmal mehr -, das Gas als Allheilmittel für alle Anwendungsbereiche zu betrachten.
Am Dienstag berichtete das Handelsblatt über ein Dossier des vom Bundesforschungsministerium geförderte Ariadne-Projekts. Sechs Institute haben daran mitgearbeitet, unter anderem das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das Deutsche Luft- und Raumfahrzentrum (DLR). Die Autoren des Papiers halten es demnach für unwahrscheinlich, dass grüner Wasserstoff schon in wenigen Jahren in Hülle und Fülle vorhanden sein wird.
Bis mindestens 2030 sei er ein knappes Gut, heißt es. Und selbst dann dürfte die Europäische Union auf den Import großer Mengen angewiesen sein.
Grüner Wasserstoff wird aus der Elektrolyse von Wasser gewonnen, die nötige Energie dafür stammt aus erneuerbaren Quellen. Bis zum Jahr 2030 sollen in der Europäischen Union Elektrolyseure mit einer Gesamtkapazität von 40 Gigawatt errichtet werden. Selbst wenn das Ziel erreicht würde, heißt es in dem Bericht, ließe sich damit nur ein Prozent der Endenergie-Nachfrage in der EU decken.
Einsatz zunächst nur angedacht, wo es keine Alternativen gibt
Statt alles auf grünen Wasserstoff zu setzen, solle es eine andere Priorität auf dem Weg zur Klimaneutralität geben: Alles, was direkt elektrisch betrieben werden kann, solle auch elektrifiziert werden. Wasserstoff solle zunächst nur dort eingesetzt werden, wo es keine Alternativen gebe: in der Stahl- und Chemieindustrie sowie im Flugverkehr.
Damit bekräftigen die Wissenschaftler Forderungen, die schon länger in Diskussion stehen. Im Mai hatten die Grünen schon ein klares Bekenntnis von der Bundesregierung gefordert, dass der knappe Energieträger in erster Linie in der Industrie zum Einsatz kommen solle.
Dort wird Wasserstoff auch relativ schnell benötigt - schneller als die notwendig erforderliche Infrastruktur für grünen Wasserstoff erreicht sein dürfte. Deshalb schlagen die Wissenschaftler vor: "Eine ‚blaue Wasserstoffbrücke‘ könnte das Angebot klimafreundlichen Wasserstoffs erhöhen und eine frühere Transformation hin zu Wasserstoff ermöglichen". Blauer Wasserstoff wird mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen. Dabei entsteht Kohlendioxid, das abgetrennt und unterirdisch gespeichert wird.
Auch damit bekräftigen die Wissenschaftler eine Forderung, die schon länger in Diskussion ist. Unter anderem hatte Gazprom im letzten Jahr beim deutsch-russischen Rohstoff-Forum entsprechende Pläne vorgestellt. Erdgas würde demnach über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 geliefert und dann in der Nähe der deutschen Anlandungsstellen zu Wasserstoff verarbeitet. Das anfallende Kohlendioxid könnte dann wieder über eine Röhre nach Russland transportiert werden, wo es unterirdisch gespeichert werden soll.
Ähnliche Vorstellungen hatte auch BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller im Mai geäußert. Über das bestehende Erdgasnetz, so schlug er vor, könnte dezentral gelagerte Methanpyrolyse-Anlagen mit Erdgas versorgt werden, die dann lokal Wasserstoff erzeugen könnten. Bei der Methanpyrolyse entsteht kein Kohlendioxid, sondern fester Kohlenstoff. Auf diese Art könnte nicht nur die Wasserstoffproduktion schnell hochgefahren werden, betonte Brudermüller, man würde auch an Infrastruktur sparen.
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