Weber will Parteien, die gegen die EU sind, die Mittel streichen
FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer kritisiert Vorhaben mit Verweis auf rechtsstaatliche Grundsätze
Manfred Weber, der Kommissionspräsidentenkandidat der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament, fordert in der Tageszeitung Die Welt, dass "europäische Parteien, deren Ziel es ist, die Europäische Union zu zerstören, [...] künftig kein Geld mehr erhalten aus europäischen Töpfen". Als Beispiele dafür, welche Parteien ihm dabei vorschweben, nennt der Niederbayer "weite Teile der AfD" und "die Rechtsradikalen von Le Pen", wobei er offen lässt, ob er damit den wegen entsprechender Äußerungen aus dem Rassemblement National ausgeschlossenen Jean-Marie Le Pen oder dessen umbenannte ehemalige Partei meint, die von dessen Tochter Marine Le Pen angeführt wird.
Ähnliche Vorstöße hatte Weber bereits 2013 und 2017 unternommen. Damals forderte er sogar, "dass sich diejenigen Parteien, die öffentliche Gelder erhalten wollen, zu den Grundlagen der EU-Verträge von Lissabon bekennen" (vgl. Weber: Keine EU-Mittel für Finanzierung von EU-kritischen Parteien). Den Vorstoß begründete mit dem Argument, man könne keine "EU-Gelder" verschwenden, um Anstrengungen zur Abschaffung der EU zu finanzieren. Manche Steuerzahler, aus deren Taschen die "EU-Gelder" kommen, könnten das anders sehen.
Nicola Beer widerspricht
Gegen Webers Forderung platzierte sich Nicola Beer, die Europawahlspitzenkandidatin der FDP. Sie twitterte mit Hinweis auf rechtsstaatliche Grundsätze, der CSU-Politiker solle sich lieber "bemühen, Populisten inhaltlich zu stellen": "Entweder eine Partei ist verboten, oder sie hat dieselben Rechte."
Setzt sich Weber mit seiner Forderung durch, könnte das in der Tat interessante Konsequenzen haben, wenn Gerichte, die den Gleichheitsgrundsatz berücksichtigen müssen, darüber urteilen (vgl. Verfassungsfeindlichen Parteien soll Steuergeld verwehrt bleiben). Die Konsequenz daraus müsste nicht unbedingt eine Gewährung von Steuergeld für Parteien sein, die Weber von der Finanzierung ausschließen will. Denkbar ist auch, dass dadurch Debatten angestoßen werden, die in einer Kürzung der Steuermittel für alle Parteien münden.
Österreich: Pilz fordert Halbierung der Parteienförderung, ÖVP und FPÖ erhöhen
In Österreich ist so eine Debatte bereits im Gange: Dort beantragte die in "Jetzt" umbenannte Liste Pilz gestern im Nationalrat eine Halbierung der Parteienförderung von 4,6 auf 2,3 Euro pro Wähler und anteilig dazugerechneten Nichtwähler. ÖVP und FPÖ, die dort über eine Regierungsmehrheit verfügen, einigten sich stattdessen auf eine automatische jährliche Erhöhung dieses Zuschusses aus Steuergeld, der Wahlkampfkostengrenze und der Grenzwerte für die Offenlegung von Parteispenden, die 2019 mit zwei Prozent beginnen soll. Die Große Koalition aus ÖVP und SPÖ hatte vorher sogar eine Erhöhung um 7,8 Prozent vorgesehen, wurde aber abgewählt.
In Deutschland erhöhte sich die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD kurz nach dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 die Mittel für die Parteienfinanzierung aus der Steuerkasse im Schnellverfahren von bisher 165 auf zukünftig 190 Millionen Euro. Diese Erhöhung war nicht etwa ein Inflationsausgleich über einen längeren Zeitraum (der ohnehin automatisch erfolgt), sondern wurde auf diesen Inflationsausgleich draufgeschlagen (vgl. Normenkontrollklage gegen 25 Millionen schwere Erhöhung der Parteienfinanzierung?).
Indirekte Finanzierung über Fraktionen, Abgeordnete und Stiftungen
Darüber hinaus finanzieren sich die deutschen Parteien zu großen Teilen indirekt über Zahlungen an Fraktionen, Abgeordnete und Stiftungen, seit das Bundesverfassungsgericht 1966 und 1968 Urteile sprach, die der direkten Parteienfinanzierung aus dem Steuersäckel Grenzen setzen sollten. Danach explodierten die Ausgaben für Abgeordnetenmitarbeiter, Fraktionen und Stiftungen.
Der Ansicht des Verwaltungswissenschaftlers Hans-Herbert von Arnim nach fungieren Abgeordnetenmitarbeiter mittlerweile als "eigentliches organisatorisches Rückgrat der Parteien", was nicht zuletzt an den vielen Parteifunktionären sichtbar wird, die in den Büros der Parlamentarier auf Steuerzahlerkosten angestellt sind. Bei der Einführung der Abgeordnetenmitarbeiterspesen 1969 hatten Vertreter der Parteien noch hoch und heilig versprochen, mit dem Geld niemals Funktionäre bezahlen zu wollen.
Damit sich der Bundesrechnungshof nicht an diesen Funktionären (und am Anteil der Öffentlichkeitsarbeit, den die Abgeordnetenmitarbeiter betreiben) stört, entzogen ihm die deutschen Parteien einfach die Kontrolle über sie und die Fraktionen. Von den Ausgabenerhöhungen bekam die Öffentlichkeit aber auch deshalb praktisch nichts mit, weil Erhöhungen bei Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und Parteistiftungen über bloße Änderung von Titeln im Gesamthaushalt versteckt und nicht im Gesetzblatt veröffentlicht werden. Und die Oppositionsparteien hatten als Mit-Nutznießer kein Interesse daran, dass Bürger darüber debattieren. Erst, als sie keine Karriere mehr zu verlieren hatten, konnten Politiker wie der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler zugeben, wovon heute auch der überwiegende Teil der Politikwissenschaftler ausgeht: Dass die "Trennung zwischen parlamentarischer und parteipolitischer Arbeit" in Wirklichkeit nur mehr bloße "Fiktion" ist.
Problematisch ist die verschleierte Parteienfinanzierung Arnim zufolge nicht nur wegen der grundgesetzwidrigen Benachteiligung von Parteien, die nicht oder nur mit wenigen Mandaten in Parlamenten vertreten sind, sondern auch, weil sie die Parlamentsparteien seiner Ansicht nach von "Mitglieds- und Bürgerparteien" zu "bürgerfernen Staatsparteien" werden lässt, was dem "Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien widerspricht" und für eine "zunehmende Lücke zwischen Politik und Bürgern mit verantwortlich" ist.
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