Weg vom Image der Anti-Internet-Partei
Nach Siegfried Kauders Vorstoß für ein Three-Strikes-Modell melden sich seine innerparteilichen Gegner mit einer "Initiative faires Urheberrecht" zu Wort
Am 1. Oktober berichteten wir davon, wie die Forderung des CDU-Politikers Siegfried Kauder nach Internetsperren für Nutzungsrechtsverletzungen nach hinten losging und auch in der Union eine Debatte um ein faireres Urheberrecht anstieß, das nicht nur die Interessen von Verwertern, sondern auch die von Urhebern und Nutzern berücksichtigt. Nun stellte eine Gruppe, der unter anderem die CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Tauber, Thomas Jarzombek sowie die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär angehören, ihre drei Säulen dazu vor, die mittlerweile auch in der Bundestagsfraktion diskutiert werden.
Die erste dieser drei Säulen ist eine Vereinfachung. "Damit Gesetze befolgt und akzeptiert werden können", so das Papier, "müssen sie zunächst verstanden werden". Weil aber das bestehende Urheberrechtsgesetz "nicht nur für juristische Laien kaum zu verstehen" ist, sind unabsichtliche Übertretungen in einer durchdigitalisierten Welt, in der jeder ständig selbst zum Hersteller und Verbreiter von Werken wird, "an der Tagesordnung". Damit die nächste Urheberrechtsnovelle nicht das Schicksal der beiden Zypries-Körbe teilt und "von breiten Teilen der Bevölkerung nur unzureichend akzeptiert" wird, muss man den Unionspolitikern zufolge bei ihrer Formulierung darauf achten, "dass jedermann intuitiv verstehen kann, welche Rechte und Pflichten er hat und welche Grenzen zu beachten sind".
Die Feststellung, dass " ein Urheberrecht für das digitale Zeitalter […] auch die berechtigten Interessen der Werknutzer berücksichtigen [muss], um gesellschaftliche Akzeptanz zu erfahren" leitet über zur zweiten Säule, auf der ein besseres Urheberrecht stehen soll: Ein Fair-Use-Prinzip, wie in den USA. Dessen Aufnahme ins deutsche Urheberrechtsgesetz ist den Initiatoren nach auch deshalb notwendig, weil es "dem Gesetzgeber nicht möglich [ist], das Urheberrecht" ständig neuen Entwicklungen "anzupassen". Damit Gerichte mit der Klausel auch Urteile sprechen, "die der Lebenswirklichkeit entsprechen", sollen ihnen Definitionskriterien im Gesetz Hilfestellungen geben.
Die dritte Säule ist der Verzicht auf Netzsperren als Sanktionsinstrument gegen Immaterialgüterrechtsverletzungen. Hierzu stellt die Initiative schlicht fest, dass solch ein "massiver Grundrechtseingriff […] unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit evident verfassungswidrig" erscheint und "die bestehende Rechtslage […] hinreichende zivil- als auch strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten für Urheberrechtsverletzungen" bietet.
Davon, Inhalt der Parteiprogramme von CDU und CSU zu werden, scheinen die drei Säulen allerdings noch weit entfernt. Denn neben den internetfreundlichen Flügeln, die die Initiative starteten, gibt es in beiden Parteien auch sehr stark internetfeinliche Kräfte, die von der Bayerntrojanermutter Beate Merk bis zur Parteimimose Wolfgang Bosbach reichen. Auch Siegfried Kauder gehört in diese Gruppe. Letzterer scheint derzeit abgetaucht und lässt Fragen dazu, welche Zuwendungen er, seine Partei oder eine der Firmen, für die er tätig ist oder war, in den letzten 10 Jahren von der Musik-, Print- oder Film-Industrie erhalten hat, mittlerweile auch dann unbeantwortet, wenn sie von der Presse kommen.
Während Kauder schweigt, wagt sich der SPD-Politiker Sebastian Edathy, der in eine ähnliche Affäre verwickelt ist, schon wieder an die Öffentlichkeit: Mit einer Äußerung, mit der der gelernte Soziologe, der vorher die Überwachung der Kommunikation sämtlicher Bürger mit einer ihm zugesandten Plastikvagina rechtfertigte, plötzlich die Verhältnismäßigkeit entdeckt zu haben scheint: "Man dürfe", so Edathy zum Platzen der Verhandlungen zwischen SPD und Grünen in Berlin, "eine Koalition nicht an drei Kilometern Autobahn scheitern lassen".
Edathy selbst könnte bei der nächsten Bundestagswahl an einer Taktik scheitern, die derzeit in der Union noch auf rein informeller Ebene diskutiert wird: Dort denkt man darüber nach, die Begeisterung für die Piratenpartei eventuell dadurch zu nutzen, dass man direkt gewählten und besonders wenig netzaffinen SPD-Abgeordneten wie Edathy, Brigitte Zypries oder Angelika Krüger-Leißner in ihren Wahlkreisen Kandidaten entgegensetzt, die eher die Tauber-Bär-Linie fahren. Eine Methode, die freilich auch die SPD gegen Unionskandidaten wie Hans-Peter Uhl, Norbert Geis oder Günter Krings nutzen könnte.
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