Zypries im Ausschuss für Medien
SPD-Altlasten werden ohne Rücksicht auf Kenntnisse mit Posten versorgt
Aufgrund des historisch schlechten Wahlergebnisses hat die SPD nicht nur deutlich weniger Bundestagsabgeordnete, sondern darf auch entsprechend weniger Personal in die ständigen Ausschüsse entsenden. Trotzdem soll nach Auskunft der SPD-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien eine Abgeordnete Platz nehmen, die von einem Browser so viel Ahnung hat wie von "Google SMS": Die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries.
Gerechtfertigt wird dies damit, dass es "Brauch" sei, ehemalige Minister nicht in die mit ihren Ex-Ressorts verbundenen Ausschüsse abzuordnen. Tatsächlich wäre eine Person, die nicht nur unzutreffende Vorstellungen von der Rechtslage zur Privatkopie verbreitete, sondern ebenso zum Inhalt des Verfassungsgerichtsurteils über die Informationelle Selbstbestimmung, auch im Justizausschuss nicht sehr viel richtiger am Platz. Und irgendwo musste man Zypries, die Fraktionsführer Steinmeier bereits seit ihrem Studium kennt, offenbar unterbringen.
In dem nun für sie gefundenen Ausschuss für Kultur und Medien soll auch die Umfragen zufolge unbeliebteste Figur im letzten Kabinett Platz nehmen, die ehemalige Gesundheitsministerin und gelernte Sonderschullehrerin Ulla Schmidt. Nicht ganz so fachfremd wurden Ex-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und der vormalige Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee verstaut: Sie nimmt im Auswärtigen Ausschuss Platz, er im Wirtschaftsausschuss. Und der frühere Finanzminister Steinbrück kann im Europaausschuss immerhin Kommentare zur geplanten EU-Extrasteuer abgeben. Franz Müntefering wurde im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sogar mit einem Posten versorgt, auf dem er gleich in mehrerlei Hinsicht mitreden kann.
Vieles spricht dafür, dass sich Zypries im Kultur- und Medienausschuss wohlfühlen und dort schnell heimisch werden könnte: Neben der Three-Strikes-Befürworterin und Grundgesetzkritikerin Angelika Krüger-Leißner findet sich dort auch Lukrezia Jochimsen, die in der letzten Legislaturperiode sogar Obfrau war. Als kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion sprach sich die Fernsehjournalistin in der Vergangenheit vehement gegen Bagatelleklauseln bei Urheberrechtsverletzungen aus, weil diese den "Respekt" vor dem "Geistigen Eigentum" schwächen würden.
Die Grünen entsenden in dieser Legislaturperiode ihr politisch korrektes Vorzeigeobjekt Claudia Roth in den Ausschuss für Kultur und Medien. Der direkt gewählte Anwalt Hans-Christian Ströbele nimmt dagegen sowohl im Auswärtigen als auch im Rechtsausschuss Platz. In letzterem wird (ebenso wie im Europaausschuss) wieder sein Kollege Jerzy Montag sitzen. Auch in den anderen ständigen Ausschüssen ist die Parteiprominenz eher nach Interessenschwerpunkt vertreten - im Wirtschafts- und Technologieausschuss unter anderem durch die Ex-INSM-"Botschafterin" Christine Scheel.
Bei Union und FDP stellt sich das Problem der Unterbringung bekannter Namen in Ausschüssen weniger dringlich, da die Parteien zahlreiche Minister- Staatssekretärs- und ähnliche Ämter vergeben konnten. Den Innenausschuss führt zukünftig der ehemalige Fraktionsvize Wolfgang Bosbach an, den Rechtsausschuss Siegfried Kauder und den Auswärtigen Ausschuss wie bereits in der letzten Legislaturperiode Ruprecht Polenz.
Der Europaausschuss wird ab dem 25. November vom früheren MLP-Berater Gunther Krichbaum geleitet, der Immunitätsausschuss von Thomas Strobl (der in der letzten Legislaturperiode eine Ausweitung der Internet-Sperrlisten auf "Killerspiele" ins Spiel brachte), der Tourismusausschuss vom farblosen Sachsen Klaus Brähmig und der Kulturausschuss von Monika Grütters (die früher unter anderem Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Bonner Oper und die Berliner Bankgesellschaft machte). Bei der CSU erhielt die Ex-Ministerin Dagmar Wöhrl den Vorsitz im Entwicklungshilfeausschuss und Eduard Oswald den des Wirtschaftsausschusses.
Von FDP-Abgeordneten werden demnächst drei Ausschüsse geleitet: Der Finanzausschuss vom Ex-Richter Volker Wissing, der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom Einzelhandelsgeschäftsinhaber Hans-Michael Goldmann und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der Nebeneinkünfteangaben-Gegnerin Sibylle Laurischk.