"Weg zu den Sternen"
Professoren fordern eigenständiges Schulfach Astronomie für ganz Deutschland
So manches im ostdeutschen Schulsystem hatte durchaus seine Vorzüge, seien es die Schulgärten, die langsam wiederentdeckt werden, oder das Pflichtfach Astronomie, das bei den Schülern durchaus beliebt war, doch in Berlin und Brandenburg bereits 1992 abgeschafft wurde und nun auch 2007 in Sachsen abgeschafft werden soll. Aus der ursprünglichen Protestbewegung gegen diese Entscheidung ist mittlerweile eine bundesweite Kampagne „Pro Astronomieunterricht“ entstanden.
Während es nicht ganz so einfach ist, Schüler für Mathematik oder Geschichte zu begeistern, sind Raumfahrt und Astronomie immer schon beliebte Themen gewesen, die dann auch die Tür zu Mathematik, Physik und Chemie öffnen (Thema "Weltraum" macht Naturwissenschaften interessant). In Westdeutschland wurde Astronomie allerdings maximal als Wahlkurs in den letzten Jahren am Gymnasium angeboten – was dann wegen Überlastung der Lehrer ähnlich wie Wahlkurse über Computer oder Elektronik meist nicht zustande kam.
Im Osten ist das Schulfach Astronomie dagegen seit den 60er-Jahren bis heute in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen eine gern gesehene Pflicht, auf die manche Institute im Westen neidisch schauten. Nur in Berlin und Brandenburg wurde Astronomie bereits 1992 aus dem Lehrplan gestrichen und kann erst seit 2004 als Wahlfach wieder belegt werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sah hier 2003 einen klaren Vorsprung der Schulen im Osten:
Ein sehr positives Beispiel für die öffentliche Bildung ist der Schulunterricht in Astronomie in einigen der Neuen Bundesländer – ein Beispiel welches im wahrsten Sinne des Wortes „Schule“ machen sollte.
Umso ärgerlicher, dass 2002 in Sachsen beschlossen wurde, das Pflichtfach Astronomie (seit 1959, aber wohlgemerkt nur eine Wochenstunde in der 10. Klasse!) aufzugeben. 2007 soll diese Entscheidung trotz jahrelanger Proteste und entgegengesetzt lautender Gutachten von Experten umgesetzt werden. Auch wenn es weiterhin den Schulen in eigener Regie erlaubt sein wird, Astronomie als Wahlfach anzubieten, werden ohne Pflichtfachstatus keine neuen Astronomielehrer mehr eingestellt, weshalb das Angebot eines Wahlfaches nach einigen Jahren schlichtweg nicht mehr existent sein wird, falls sich nicht zufällig mal ein Hobbyastronom unter den Lehrern findet.
„Die Astronomie ist so umfassend und komplex geworden, dass sie von Lehrern anderer Fächer nicht mehr 'so nebenbei' unterrichtet werden kann“, so das Urteil der Fachleute. Angesichts der Tatsache, dass Sachsen aktuell den Ruf genießt, in Wissenschaft, Forschung und Lehre weit vorne zu liegen, möglicherweise ein Eigentor, das dem neu erworbenen Image abträglich sein könnte.
Die ursprünglich lediglich zur Beibehaltung des sächsischen Astronomieunterrichts gegründete Initiative „Pro Astro 10“, jetzt "Pro Astro Sachsen", die laut eigener Aussage bereits 40.000 Unterschriften zum Erhalt des Faches gesammelt hat, plant mittlerweile jedoch Größeres: Ein von 114 Professoren, 6 Präsidenten wissenschaftlicher Gesellschaften und unter anderem solchen bekannten Persönlichkeiten wie Prof. Dr. Rudolf Kippenhahn, ehem. Direktor am MPI für Astrophysik Garching, Prof. Dr. Gerhard Neukum von der FU Berlin und dem Astronauten Prof. Dr. Ulrich Walter unterzeichneter Appell wird heute nicht nur, wie ursprünglich geplant, den Dresdner Landesabgeordneten, sondern auch anderen Bildungspolitikern und Abgeordneten Deutschlands zugehen.
Ziel ist nämlich mittlerweile nicht nur, die Abschaffung des Pflichtfaches Astronomie in sächsischen Schulen zu stoppen, sondern es im Gegenteil nun auch im Westen populär zu machen und einzuführen. Astronomie wird dabei als eine Wissenschaft verstanden, die mehr als nur wissenschaftliche Kenntnisse vermitteln soll:
Das Fach Astronomie zeigt die Erde als Teil des Kosmos, entwickelt Achtung vor der Natur und hilft, ein humanistisches Menschenbild zu formen.
Die Internationale Astronomische Union (IAU) verkündete bereits 2003 in Sydney ähnlich lautend: „Die kulturellen, historischen, philosophischen und ästhetischen Werte der Astronomie tragen zu einem besseren Verständnis zwischen Naturwissenschaft, Kunst und Geisteswissenschaft bei.“
Das Bild, das die Menschen vom Universum, von ihrer Welt haben, beeinflusst schließlich auch ihr Denken im Alltag, auch wenn man nicht unbedingt als Astronaut selbst die Erde aus dem All sehen muss, um ihren Wert zu erkennen. Prof. Dr. Steinert, Erstunterzeichner des Appells, leitete in den 60er bis 80er Jahren in Dresden die Ausbildung mehrerer Hundert Astronomielehrer im Fernstudium und begutachtete 2004 im Auftrag des Sächsischen Kultusministeriums den Entwurf des Physiklehrplanes für Mittelschulen (= Realschule + Hauptschule), der nach der Streichung des Faches Astronomie entstanden war. Er urteilte:
Die Astronomie fasst gegen Ende der Mittelschule die erworbenen Kenntnisse in den naturwissenschaftlichen Fächern […] unter starker Beteiligung von Mathematik und Informatik, aber auch in den geisteswissenschaftlichen Fächern […] zusammen und leistet somit zur Entwicklung eines komplexen wissenschaftlichen Weltbildes bei den Schülern einen wesentlichen Beitrag.
Als „Lehre vom Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ würde sicher auch Douglas Adams für die bundesweite Einführung des Astronomieunterrichts stimmen. Ob man allerdings im Westen Deutschlands inzwischen emanzipiert genug ist, einen Vorschlag ernsthaft zu prüfen, der aus dem Osten kommt, wird sich zeigen müssen.