Wegen Soros-Uni: EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn
Kommission "beobachtet" auch NGO-Registrierungspflicht und Migrationspolitik
Gestern teilte der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis der Presse mit, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet wurde. Darüber, so der Lette, habe man die ungarische Regierung bereits schriftlich informiert. Anlass für das Vertragsverletzungsverfahren ist das neue ungarische Hochschulgesetz. Es sieht unter anderem vor, dass Träger außerhalb der EU nur noch dann einen Universitätsbetrieb anbieten dürfen, wenn sie das auch in ihrer Heimat in vergleichbarem Umfang machen oder wenn es zwischenstaatliche Vereinbarungen gibt. Durch diese Änderung sieht die in Budapest vom US-Milliardär George Soros eingerichtete Central European University (CEU) ihre Existenz gefährdet (vgl. Ungarn: Soros-Universität sieht Existenz gefährdet).
Dombrovskis Angaben nach macht die EU-Kommission geltend, dass das neue ungarische Hochschulgesetz gegen die Regeln des Binnenmarktes, die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die akademische Freiheit, das Recht auf Bildung, die unternehmerische Freiheit und internationale Handelsabkommen verstoße. Bemerkenswert große Kaliber für eine Einrichtung mit nur etwa 1.800 Studenten. Die ungarische Regierung hat nun einen Monat lang Zeit, ihren Standpunkt zu diesen Vorwürfe darzulegen.
Neben dem Hochschulgesetz "beobachtet" die EU-Kommission Dombrovski zufolge in Ungarn auch die Registrierungspflicht für NGOs und migrationspolitische Maßnahmen wie die Pflicht, Asylverfahren in Transitzentren an den Grenzen abzuwarten. Außerdem kritisierte der Lette eine Volksbefragung zur Politik der EU, in der es unter anderem heißt: "Was sollte Ungarn tun, wenn Brüssel es zwingen will, illegale Einwanderer ins Land zu lassen - trotz der jüngsten Serie von Terrorangriffen in Europa?" Volljährige Ungarn können als Antwort auf diese Frage entweder "Wir sollten illegalen Einwanderern erlauben, sich frei im Land zu bewegen" oder "Illegale Einwanderer müssen überwacht werden, bis die Behörden über ihren Fall entscheiden" ankreuzen.
Orbán, Soros, Erdoğan und Gülen
Auch wenn das neue Hochschulgesetz nicht nur von der CEU, sondern auch von anderen Einrichtungen Änderungen verlangt (wie der ungarische Bildungsminister betont), spricht viel dafür, dass ein Ziel der Vorschrift eine Verringerung des Einflusses von George Soros ist. Das Verhältnis zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem ungarischstämmigen US-Investor wird manchmal mit dem zwischen dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen aktuellem "Staatsfeind Nummer Eins" Fetullah Gülen verglichen, der vorher sein Verbündeter war: Auch Orbán studierte mit einem Soros-Stipendium und galt in den 1990er Jahren als Verfechter einer Politik, die dem Globalismus des Amerikaners entgegenkommt.
2005 gewährte der damalige wirtschaftsliberalen Bildungsminister Bálint Magyar Soros ungewöhnlich freie Hand beim Betrieb seiner Budapester "Kaderschmiede" für Osteuropa. Ein Vertrag mit den USA oder mit einem der US-Bundesstaaten, der den Weiterbetrieb der CEU nach neuem Hochschulrecht möglich macht, würde Soros' damals gewährte Handlungsfreiheit voraussichtlich einschränken.
Demonstrationen könnten Eindruck der Notwendigkeit eines Gesetzes zur Beschränkung von Soros' Einfluss verstärkt haben
Von der Ausgestaltung der Verträge hängt ab, ob auch Soros' Finanzflüsse transparenter werden: Bislang ist lediglich bekannt, dass ein Teil der Mittel für den Betrieb der Hochschule aus der 2005 400 Millionen Dollar schweren CEU Foundation Holland kommt, deren Gründer und Vorsitzender Soros ist. Darüber, wie der 2015 entnommene Jahresbetrag von über 38 Millionen Dollar konkret verwendet wurde, schweigt die Stiftung.
Nachdem die CEU bekannt gab, dass sie durch das neue Hochschulgesetz ihre Existenz gefährdet sieht, demonstrierten in Budapest etwa 80.000 Personen gegen die Vorschrift - vor allem Angehörige einer jüngeren, wohlhabenderen städtischen Elite. Bei der ungarischen Regierung könnte das den Eindruck der Notwendigkeit eines Gesetzes zur Beschränkung von Soros' Einfluss eher verstärkt haben: Der Investor, der Peter Scholl-Latour nach unter anderem die "Orange Revolution" maßgeblich mitfinanzierte, steht im Ruf, ein Strippenzieher zu sein, der über seine Open-Society-Stiftung unter dem Deckmantel der Philanthropie politische Veränderungen betreibt, die seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen nützen (vgl. Soros: Der Milliardär als Mäzen und Messias der Märkte).
In Deutschland förderte Soros' Open Society Foundation unlängst das zum Facebook-Zensor ernannte Unternehmen "Correctiv" mit über 100.000 Euro. Was "Correctiv" damit anstellt, wirkt nicht unbedingt neutral, sondern eher wie das Vertreten einer Meinung, die man zur Wahrheit überhöht: Am Freitag beschuldigte das Portal beispielsweise den nordrhein-westfälischen FDP-Spitzenkandidaten Christian Lindner einer "komplett falschen" Aussage zur gestiegenen Einbruchskriminalität und verlautbarte: "Anfang März stellte NRW-Innenminister Ralf Jäger die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 vor — und freute sich über den 'deutlichen Rückgang' bei den Wohnungseinbrüchen." Das neutralere Bildblog meinte dazu: "Das mit dem Rückgang stimmt zwar […] für […] 2016' […]. Die [Polizeistatistik] zeigt aber auch, dass die Zahl der Einbrüche in NRW in der Vergangenheit, mit Ausnahme von 2014, jedes Jahr zugenommen hat."
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