Wehretat: Ausgaben für Bundeswehr auf Höhenflug

Kampfpanzer M 48 A2C Kampfpanzer Leopard 1A2 Kampfpanzer Leopard 2A4. Archiv-Bild (2005): powidl/gemeinfrei

Deutsche Armee auf Einkaufstour. So tricksen Militärs und Verteidigungspolitiker, um an mehr Steuermittel zu kommen. Wann wird die Bevölkerung über die wahren Kosten informiert?

Im alljährlichen Fingerhakeln um den kommenden Bundeshaushalt ist es in der Regel üblich, dass es im März zur Verabschiedung der "Mittelfristigen Finanzplanung" für die nächsten vier Jahre kommt.

Deckungslücke von 20 Milliarden Euro

Diesmal verschob Finanzminister Christian Lindner (FDP) allerdings die Veröffentlichung, nachdem sich die Regierung trotz langer und harter Verhandlungen nicht einigen konnte, wie eine Deckungslücke von 20 Milliarden Euro geschlossen werden sollte.

Als Reaktion ging der Finanzminister noch einmal ans Reißbrett, über das vorläufige Ergebnis berichtete nun Spiegel Online am 16. Mai: "Alle Ministerien sollen ihren Beitrag leisten", um die Etatlücke zu schließen.

Lediglich ein Ressort werde "verschont". Gemeint ist das Verteidigungsministerium (BMVg), dessen Haushalt – zusätzlich zum Sondervermögen – sogar noch weiter erhöht wird. Die Bundeswehr wiederum nutzt die Gelegenheit und geht seit einiger Zeit auf umfangreiche Einkaufstour, wodurch die Gelder des Sondervermögens rasch aufgebraucht sein dürften.

Gleichzeitig explodieren die Kosten für Waffenlieferungen an die Ukraine, die nicht einmal als militärische Ausgaben verbucht werden.

Der Anteil offizieller – besonders aber auch inoffizieller – Militärausgaben am Gesamthaushalt ist damit inzwischen immens – und das dafür aufgewendete Geld fehlt natürlich an anderen Stellen, wo es dringend benötigt wird.

Wurde die Bundeswehr wirklich "kaputtgespart"?

Man hört es immer wieder und kann es eigentlich nicht mehr hören, die Aussage, die Bundeswehr sei in den letzten Jahrzehnten regelrecht kaputtgespart worden. Dem kann nicht oft und deutlich genug widersprochen werden (siehe z.B. Legendenbildung vor Geldregen: Arme, klamme Bundeswehr?).

Tatsächlich stieg der offizielle Verteidigungshaushalt zwischen 2014 (32,44 Milliarden Euro) bis 2022 auf stolze 50,33 Milliarden Euro selbst inflationsbereinigt deutlich an. In diesem Jahr beläuft sich das offizielle Militärbudget zwar "nur" auf 50,1 Milliarden Euro, es kommen aber nun erstmals relevante Gelder im Umfang von 8,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hinzu.

Trotz dieser Entwicklung diente die Legende von der chronisch unterfinanzierten Bundeswehr nicht nur zur Rechtfertigung des Sondervermögens von 100 Milliarden, sondern sie wird von interessierten Kreisen auch aktuell gerne weiter bemüht, um noch höhere Ausgaben zu fordern.

Die Wehrbeauftragte Eva Högl etwa geht schon seit einiger Zeit mit ihrer Forderung hausieren, das Sondervermögen müsse auf 300 Milliarden aufgestockt werden.

Fast bescheiden wirkt dagegen die von der Union vor wenigen Tagen erneut geforderte Erhöhung des offiziellen Haushaltes um zehn Milliarden Euro, eine Summe, die auch von Verteidigungsminister Boris Pistorius immer wieder ins Spiel gebracht wurde.

Jetzt sind es also "nur" drei Milliarden Euro mehr geworden – das aber, während alle anderen Ressorts im Schnitt zwei bis drei Prozent ihrer Ausgaben kürzen müssen. Und hinzu kommen dann noch die Gelder aus dem Sondervermögen von geschätzt mindestens 20 Milliarden Euro, sodass sich die Militärausgaben 2024 auf etwa 73 Milliarden Euro belaufen werden.

Eigentlich müssten hierzu übrigens dann auch noch die in den NA-Kriterien versteckten militärrelevanten Beträge hinzugerechnet werden, die nicht Teil des offiziellen Haushaltes oder des Sondervermögens sind (siehe unten).

Quelle: BMVg. Der Betrag für das Sondervermögen 2024 basiert auf einer Schätzung.

Bundeswehr auf Einkaufstour

Auch wenn die Jammerei über die zu geringen finanziellen Ressourcen mit Sicherheit auch jetzt noch weitergehen wird, hat sie also mit der Realität wenig zu tun.

Wenn schon keine Bereitschaft existiert, sich grundsätzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Militär und Aufrüstung nicht zu einem guten Teil zu der heutigen katastrophalen Lage mit beigetragen haben, so wäre es doch das Mindeste darüber nachzudenken, ob weitere Milliarden in das reichlich dysfunktionale Beschaffungswesen gesteckt werden sollen.

Doch weit davon entfernt geht die Bundeswehr in jüngster Zeit verstärkt auf Einkaufstour und setzt alles Mögliche auf den Wunschzettel, das dann von den Parlamentarier:innen im Haushalts- und Verteidigungsausschuss abgenickt wird.

Noch stärker als der Gesamtetat entwickelt sich der Bereich der Rüstungsinvestitionen (Rü-Invest), also der Teil des BMVg-Haushaltes, der allein für die Neuanschaffung von Rüstungsgütern vorgesehen ist. Er stieg von 4,4 Milliarden (2017) auf 9,9 Milliarden Euro (2022) schon vor der sogenannten Zeitenwende deutlich an, nur um jetzt regelrecht zu explodieren, da die Gelder des Sondervermögens ja ausschließlich für diesen Bereich vorgesehen sind.

In diesem Jahr sollen 17,73 Milliarden Euro in Rüstungsinvestitionen fließen, 2024 sind mindestens 22 Milliarden Euro vorgesehen.

Nachdem im Dezember 2022 bereits die ersten großen Rüstungsprojekte aus dem Sondervermögen bewilligt wurden, nimmt die Shoppingtour nun so richtig Fahrt auf. Da wäre etwa die Nachrüstung der restlichen 143 Schützenpanzer Puma auf den neuesten Rüstungsstand "S1".

Die wurde zwar zunächst einmal auf Eis gelegt, nachdem von den bereits aufgebohrten Pumas bei einer Übung im Dezember 2022 spektakuläre 18 der 18 eingesetzten Panzer ausfielen (siehe Pannenpanzer Puma: Ein Debakel). Nach einigem Getöse wurden die Gelder für die Nachrüstung der restlichen 143 Puma, immerhin 770 Millionen Euro, Ende April aber dann dennoch freigegeben.

Mehr noch: Am 10. Mai billigte der Haushaltsausschuss darüber hinaus die Anschaffung weiterer 50 Pumas für 1,5 Milliarden Euro, obwohl Zweifel an deren Einsatztauglichkeit durchaus berechtigt sind. Der Vertrag sieht zudem eine bis 2024 zu ziehende Option zur Anschaffung von insgesamt 229 Panzern vor, wodurch das Gesamtvolumen noch einmal deutlich steigen würde.

Ebenfalls erst kürzlich nahmen die Beschaffungspläne eines schweren Transporthubschraubers Gestalt an, dessen Bereitstellung von deutscher Seite her der Nato zugesagt wurde. Hierfür wurde schon vor einiger Zeit eine Entscheidung für die Anschaffung von 60 Boeing CH47F Chinook getroffen, die die alternden CH-53G Sikorsky ersetzen sollen.

Dafür wurde bei den USA eine Zustimmung zum Verkauf ("Foreign Military Sale") eingeholt, die am 11. Mai erteilt wurde. Der Preis beträgt allerdings nicht mehr, wie ursprünglich geschätzt, fünf bis sechs Milliarden Euro, sondern ist inzwischen auf 7,8 Milliarden Euro geklettert.

Bereits im Oktober 2022 hatte der Bundesrechnungshof angemahnt, das Sondervermögen sei hoffnungslos überplant, es seien also weit mehr Projekte vorgesehen, als sich daraus finanzieren ließen (siehe Sondervermögen der Bundeswehr: Kritik wird schärfer).

Schon damals wurden als Reaktion einige Posten (z.B. die Nachfolge des Transportpanzers Fuchs) zeitlich nach hinten und budgetär in den "normalen" Verteidigungshaushalt verschoben.

Dies dürfte auch noch weiteren bislang im Sondervermögen verorteten Projekten blühen, da steigende Zinsen und Inflation sowie die deutlich höheren Kosten bereits angeschobener Vorhaben wie dem Transporthubschrauber das Sondervermögen sprengen.

Allerdings ist auch im "normalen" Verteidigungsbudget kaum Spielraum für zusätzliche Vorhaben, was dann wiederum genutzt wird, um auf weitere Erhöhungen zu drängen.

Gelder für den Ukraine-Krieg

Weil vorhin die Nato-Kriterien erwähnt wurden: Was hier hinzugezählt wird, halten Nato und Bundesregierung unter Verschluss (siehe Nato-Kriterien: Versteckte Rüstungsausgaben). Immerhin weist die Nato aber einen Gesamtbetrag aus, der im Jahr 2022 mit 55,635 rund 5,5 Milliarden Euro über den offiziellen Angaben lag.

Dieser Betrag dürfte in den kommenden Jahren deutlich ansteigen, da mit einiger Sicherheit die nicht im Verteidigungshaushalt, sondern im "Allgemeinen Haushalt" verorteten Kosten für die Waffenlieferungen an die Ukraine unter die Nato-Kriterien fallen.

Der Wert für 2022 ist außerdem eine vorläufige Schätzung der Nato und es kann davon ausgegangen werden, dass hier die vollen zwei Milliarden Euro, die im "Allgemeinen Haushalt" für Waffenlieferungen an die Ukraine verwendet wurden, noch nicht oder allenfalls ansatzweise eingepreist waren.

Für dieses Jahr waren ursprünglich 2,2 Milliarden Euro vorgesehen, die allerdings bereits Ende März auf 5,4 Milliarden erhöht wurden. Für die kommenden Jahre wurden weitere 8,8 Milliarden Euro an "Verpflichtungsermächtigungen" ausgelobt – was das bedeutet, erläuterte der Spiegel:

Das Verteidigungsministerium kann also Verträge in der entsprechenden Höhe abschließen. Bisher war dafür nur eine Milliarde Euro eingeplant.

Spiegel

Bezahlt wird mit diesem Geld auch der deutsche Beitrag von 25 Prozent an der "Europäischen Friedensfazilität" (EFF). Ursprünglich sollten hierüber im Zeitraum zwischen 2021 und 2027 EU-Militäreinsätze und Waffen für "befreundete" Akteure im Umfang von 5,7 Milliarden Euro finanziert werden (siehe EU-Ertüchtigungsfonds: Tödliches Gerät außer Kontrolle).

Allein bis März 2023 wurden der EFF allerdings bereits 3,6 Milliarden Euro entnommen, weshalb der EU-Rat am 14. März 2023 eine Anhebung der EFF-Obergrenze beschloss (siehe EU und Ukraine-Krieg: Lieferung von Munition an Kiew nur erster Schritt?).

Zunächst einmal ging es dabei um eine Erhöhung von 2,287 Milliarden Euro, mit der die Gesamtsumme auf rund acht Milliarden Euro kletterte. Allerdings wurde gleich auch noch festgehalten, dass dieser Betrag bei Bedarf noch einmal um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt werden könnte.

Und genau diese Option dürfte wohl auch bald gezogen werden, nachdem im April und Mai weitere zwei Milliarden Euro für Waffenlieferungen und länderübergreifende Neubeschaffungen losgeeist wurden und in Kürze wohl eine weitere Marge von 500 Millionen Euro freigegeben werden soll.

Klartext statt Nebelkerzen

Zusätzlich zum rapide steigenden offiziellen Haushalt und der absurd hohen Summe des Sondervermögens kommen also allein schon über die Waffenlieferungen an die Ukraine noch einmal etliche Milliarden an militärrelevanten Ausgaben hinzu.

Angesichts dieser Beträge ist es endlich nötig, Klartext zu sprechen: Es gibt keine chronisch kaputtgesparte Bundeswehr, nur eine an Falschmeldungen grenzende Berichterstattung. Es gibt auch kein Sondervermögen, sondern nur Sonderschulden, die spätestens ab 2031 mit Zinsen zurückbezahlt werden müssen.

Und auch stets von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Zielmarke des Verteidigungshaushaltes zu sprechen, ist grob irreführend – ein Rechenbeispiel: zwei Prozent BIP waren 2022 rund 77 Milliarden Euro in einem Jahr, als sich der Gesamthaushalt auf ca. 480 Milliarden Euro belief, was dann tatsächlich rund 15 Prozent des Haushaltes entspricht.

Angesichts dessen wäre es das Mindeste, es würde der Bevölkerung endlichen reiner Wein über die Dimensionen eingeschenkt, in denen derzeit Gelder ins Militär umgeleitet werden, anstatt hier eine begriffliche Nebelkerze nach der anderen zu zünden.

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