Weihnachtsbeleuchtung in der Matrix
Glauben Sie etwa an den übers Netz fernbedienbaren Weihnachtsmann?
Den ganzen Dezember spielten Websurfer mit der Weihnachtsbeleuchtung am Haus von Alek Komarnitsky. In jeder Sekunde waren etliche Besucher damit beschäftigt, die Lichter an und aus zu schalten. Dachten die Nachbarn, neben einer Disco zu wohnen? Nein, "isch’abe doch gar keine Webcam", gestand Alek nun, nachdem Weihnachten vorbei ist: Es war nur eine Simulation.
Nur zugucken wie bei der "Trojan Room Coffee Cam", die faulen Studenten verriet, ob es sich noch lohnte, Kaffee zu holen oder ob man dann glatt der Depp ist, der eine neue Kanne aufsetzen muss, ist zwar auch ohne Webcam ein in vielen Büros bekanntes Spiel. Die Spiegel-Redakteure, wo das historische Stück inzwischen aufgestellt wurde, können so nun morgens nach dem Weckerklingeln von zuhause feststellen, ob sie schnell ins Büro fahren oder lieber noch eine Runde weiterschlafen sollen, bis die Sekretärin neuen Kaffee gemacht hat. Doch für die Interaktivität des Internet war immer nur Zusehen auf Dauer zu langweilig und Mitmachen angesagt.
Prompt fanden sich Webcams, deren Besucher Aquarienbeleuchtung, Lava- oder Wohnzimmerlampen nach Belieben ein- und ausschalten oder eine Modelleisenbahn fernsteuern konnten. Anderswo konnte ein ganzes Haus beleuchtungstechnisch ferngesteuert werden (Interaktiv im öffentlichen Raum). Auch die Kameras, die nur die vorhandene Landschaft zeigen, aber sich im Blickwinkel fernsteuern lassen, werden immer häufiger – und teilweise auch Ziel von Klagen.
Zu Weihnachten wird es mittlerweile jedes Jahr heller: Weihnachtsbeleuchtungen sorgen mitunter bereits für Engpässe bei der Stromversorgung. Und ein besonders prächtiges Exemplar einer solchen Weihnachtsbeleuchtung hatte Alek Komarnitsky nun an seinem Haus montiert und dachte auch tatsächlich ernsthaft daran, diese Lichtorgie über das Internet fernsteuerbar zu machen.
Doch machte er sich Gedanken über die dazu notwendige Steuerlogik, die Lebensdauer der so gequälten Lampen und die der dann ebenfalls durch ständig wechselnde Lichter gequälten Nachbarn. Und vor allem fand er keine für seine Zwecke geeignete Webcam, die er weit genug vom Grundstück entfernt hätte montieren können!
Also nahm er schließlich einfach die verschiedenen vorgesehenen Schaltzustände der Lichtanlage mit einem Fisheye-Objektiv an seiner Spiegelreflex-Digitalkamera auf, um die Optik einer Webcam zu simulieren. Hinzu kamen Aufnahmen des offenen und geschlossenen Garagentors, vorbeifahrender Autos, Flugzeuge, Sterne und verschieden starker Schneebelag sowie die Zoom- und Schwenkfunktionen der angeblichen Webcam. Vorbeigehende Menschen wurden gar komplett computersimuliert.
Die "fernsteuerbare Webcam" war schon 2002 und 2003 ein großer Erfolg, doch 2004 wuchs sie sich über Blogs und Online-Magazine zum Medienhype aus. Reporter gaben sich die Klinke in die Hand und entweder musste Alek denen erzählen, dass leider gerade eine Elektronik-Komponente ausgefallen sei, oder aber seine Frau mittels Fernbedienung ein bisschen mit den Lichtern spielen lassen. Blogger, die seine Weihnachtsbeleuchtung einmal vor Ort bewundern wollten, kamen dagegen nicht auf das Gelände der Wohnanlage.
Schließlich fliegt Alek sogar mit dem Helikopter des Fernsehkanals 7 aus Denver in 300 Metern Höhe über sein Haus. Und da wächst ihm seine Berühmtheit langsam auch über den Kopf. Er informiert einen Reporter des Wall Street Journals über die Simulation – klar, dass der dies nun erst einmal nicht glauben mag und erst nach Unmengen von Flugzeugen und einem Nachthimmel mitten am Tag seine Meinung ändert.
Aber klar – solange Websurfer auch glauben, dass sie ein Huhn oder eine Weihnachtsfrau live herumkommandieren können ("tanzen, ausziehen, Schlitten fahren"...), werden sie auch bei fernsteuerbaren Weihnachtsbeleuchtungen nicht misstrauisch werden