Weihnachtsgans gesichert

Stundenmittelwerte der Stromerzeugung und des Verbrauchs (rote Linie). Bild: Agora Energiewende

Die Energie- und Klimawochenschau: Schnee macht sich rar, Windstrom deckt mehr als die Hälfte des Bedarfs und in Schottland werden jetzt auch unter Wasser "Windräder" gebaut

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Nichts mit weißer Weihnacht. Für Berlin sind zehn Grad angekündigt, für München neun Grad und in weiten Teilen des Landes wird es regnen, wenn unterm Weihnachtsbaum die Geschenke liegen. Selbst in vielen Skigebieten wartet man seit Wochen vergeblich auf die weiße Pracht.

Wer wirklich auf die Bretter will, muss schon wirklich hoch in die Berge fahren. Entsprechend gucken derzeit viele Hotel- und andere Tourismusbetriebe in die Röhre. Ihnen bleibt bis auf weiteres nur die Hoffnung, dass sich ihre potenziellen Gäste vielleicht auch fürs Wandern in der herbstlichen Landschaft erwärmen können. Ansonsten bekommen sie einen kleinen Vorgeschmack darauf, dass sie sich in einem wärmeren Klima umstellen müssen, weil immer weniger Verlass auf eine ausreichende Schneedecke zur rechen Zeit sein wird.

In weiten Teilen Deutschlands sind weiße Weihnachten ziemlich unwahrscheinlich. Eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent bedeutet, dass im Mittel nur in jedem fünften Jahr über Weihnachten an drei Tagen Schnee liegt. Bild: Deutscher Wetterdienst

Für Flachlandbewohner, vor allem jene im Norden und Westen, ist eine verregnete grau-grüne Weihnacht allerdings ohnehin nichts Ungewöhnliches, sondern eher die Regel. Aus den Wetteraufzeichnungen vergangener Jahrzehnte lassen sich für einzelne Regionen die Wahrscheinlichkeiten für weiße Weihnachten bestimmen. Wie obige Grafik zeigt, stehen am Rhein und an der Nordseeküste die Chancen besonders schlecht, dass vom 24. bis zum 26. eine geschlossene Schneedecke liegt. Auf Helgoland kommt derlei im Mittel nur alle 50 Jahre vor.

Die Statistik wurde vom Deutschen Wetterdienst auf Grundlage der Wetterbeobachtungen zwischen 1951 und 2008 erstellt. Und derartige Wahrscheinlichkeitsaussagen basieren natürlich auf der Voraussetzung, dass es keinen Trend gibt. Der ist allerdings durchaus vorhanden. Auch Deutschland erwärmt sich in etwa parallel zum globalen Trend. Damit werden aller Voraussicht nach auch weiße Weihnachten (noch) seltener werden.

Viel Wind

Die in früheren Jahren so beliebte Weihnachtsgans-Warnung der Energieversorger, ist auch in diesem Jahr ausgeblieben. Es wäre in diesen Tagen auch ein bisschen zu peinlich, vor Überlastung des Netzes zu warnen, nur weil das halbe Land eine Gans in die Röhre schiebt. Wie schon im Vorjahr (Gänsebraten-Blackout: Windige Weihnachten) gibt es auch in diesem Jahr ein überreichliches Angebot an Windenergie rund um die Festtage. Wie die zweite Grafik weiter unten zeigt, liefern Windkraftanlagen schon seit Tagen durchgehend um die 30 Gigawatt, was je nach Tageszeit zwischen gut 40 und etwas über 60 Prozent des Bedarfs ausmachte. Zusammen mit den anderen Erneuerbaren deckte die Windkraft in den letzten Tagen also zu jeder Zeit mindestens 50 Prozent des Bedarfs.

In diesem Zusammenhang noch einmal zum Windkraftrekord vom 12. Dezember, der auch in der nachfolgenden Grafik als Peak gut zu erkennen ist. Nach Angaben der Agora Energiewende hatten Windräder an diesem Tag zwischen 13 und 14 Uhr im Stundenmittel 34,363 Gigawatt (GW) geliefert. Bei der Strombörse EEX werden für die gleiche Zeit allerdings "nur" etwas weniger als 30 GW verzeichnet. Das war allerdings auch in diesem Datensatz ein neuer Höchstwert.

Auf Nachfrage bei Agora erklärt sich die Diskrepanz daraus, dass diese die EEX-Windenergiedaten mit einem Faktor 1,17 hochrechnet. Die EEX-Daten würden die Nettoerzeugung nicht ausreichend abbilden, meint der Verein in einer Mail an Telepolis. Eine Übersicht über alle von Agora verwendeten Skalierungsfaktoren findet sich hier.

Unterm Strich bleibt, dass beide Datensätze offensichtlich nur eine Näherung sind, was bei den vielen einzelnen Daten, die aus diversen Quellen zu erheben sind, sicherlich auch nicht ungewöhnlich ist. Vorstellbar ist auch, dass der Skalierungsfaktor der Agora die Realität nicht immer gleich gut wieder gibt. Eine Erzeugung von über 34 GW erscheint angesichts einer bundesweit installierten Nennleistung von geschätzt rund 36 GW im Dezember 2014 ein bisschen hoch. Ein derart hoher Wert würde bedeuten, dass es im ganzen Bundesgebiet an diesem Tag so gut wie keine Anlagenausfälle gab und dass zugleich fast alle Maschinen mit Volllast liefen.

Gezeitenkraft

Hoch im Norden Schottlands, zwischen dem Festland und den Orkneyinseln, soll demnächst der Bau eines ganz besonderen Kraftwerks beginnen, das sich die dort besonders starken Gezeitenströme zu Nutze macht. Für gewöhnlich sind Meeresströmungen sehr langsam und kommen daher kaum als Energiequelle in Betracht. Daran ändert meist auch die Tatsache nichts, dass das Wasser rund 1000mal so dicht ist und daher auch die Energiedichte der Strömung entsprechend größer. Im Wasser wie in der Luft ist die Energie der Strömungen proportional zur dritten Potenz der Geschwindigkeit und somit bei den niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten die gewöhnlich in den Meeren vorherrschen, nicht sinnvoll zu nutzen.

Es gibt jedoch Ausnahmen. An verschiedenen Küsten rund um die Welt, meist in Meerengen, an Landzungen oder in Fjorden kann der Gezeitenstrom beachtliche Geschwindigkeiten erreichen. Wer einmal in Istanbul an den Ufern des Bosporus gestanden und beobachtet hat, mit welcher Macht dessen stahlblaues Wasser von den Gezeitenkräften von West nach Ost und zurück geschoben wird, kann sich eine Vorstellung davon machen, welche Energie in diesen regelmäßigen Bewegungen der Weltmeere steckt.

Ähnliche Verhältnisse herrschen am schottischen Pentland Firth, wo die kanadische Firma Atlantis Resources ltd. nach eigenen Angaben schon Anfang Januar mit den ersten Arbeiten an Land beginnen will. Geplant ist, am Meeresgrund Rotoren anzubringen, die nach einem den Windkraftanlagen sehr ähnlichen Prinzip Strom erzeugen werden. Im Endausbau sollen 269 Turbinen eine Leistung von 400 Megawatt liefern. Der erste Strom soll bereits im ersten Halbjahr 2016 ins Netz eingespeist werden.

Meeresströmungs-Rotor von Atlantis Resources. Bild: Atlantis Resources

Laut einem vom Anlagenhersteller Siemens gesponsortem Text ist an dem Standort für zehn Stunden am Tag mit einem nutzbaren Gezeitenstrom zu rechnen, der mit einer Geschwindigkeit von 11 Meilen oder 17,6 Kilometer pro Stunde zu rechnen. In Spitzen würden sogar 18 Meilen (28,8 Kilometer) pro Stunde erreicht. Das entspricht Geschwindigkeiten von knapp fünf bis acht Meter in der Sekunde. Für eine Windkraftanlage wäre das vermutlich an der Grenze des ökonomisch Sinnvollen, aber im Wasser liegen die Verhältnisse anders. Hier ist, wie oben erwähnt, die Energiedichte der Strömung bei gleicher Geschwindigkeit um den Faktor 1000 größer, eine Nutzung also allemal vielversprechend.

Nach einem Bericht der britischen BBC vom letzten Jahr ist zunächst eine kleine Demonstrationsanlagen und dann ein erster Bauabschnitt mit einer Leistung von 86 ME geplant. Bei zehn Stunden pro Tag ist also mit rund 3600 Volllaststunden im Jahr zu rechnen. Nehmen wir 3500 Stunden, dann würden bei 86 MW jährlich rund 300 Gigawattstunden oder 0,3 Milliarden Kilowattstunden anfallen. Sollten tatsächlich irgendwann alle 269 1,5-MW-Turbinen installiert werden, dann hätten diese eine kombinierte Leistung von 403,5 MW und könnten per annum rund 1,4 Milliarden Kilowattstunden liefern.

Offensichtlich ist es nicht leicht gewesen, genug Investoren für das Projekt zu finden, aber inzwischen ist zum Beispiel auch Siemens in die Branche eingestiegen, wie der Guardian im Oktober berichtete. Aus dem Beitrag geht auch hervor, dass MeyGen, wie das schottische Vorhaben heißt, inzwischen genug Geld für die erste vier 1,5-MW-Turbinen eingeworben hat. Die genannten Zahlen laufen auf Kosten von zehn Millionen Euro pro MW hinaus, was erheblich teurer als Windenergie wäre, und zwar auch wenn man die höheren Volllaststunden einrechnet. Für Offshore-Windkraft, die vergleichbare Auslastung übers Jahr haben dürfte, gibt der Informationsdienst IWR spezifische Investitionskosten von 4,2 Millionen Euro/MW an. Die Stromgestehungskosten lägen dort je nach Standort zwischen 12,8 und 14,2 Cent pro Kilowattstunde.

Im Vergleich dazu scheint die Gezeitenkraft noch sehr teuer, aber wie bei anderen Technologien zuvor wird offensichtlich mit einer erheblichen Reduktion der spezifischen Ausgaben gerechnet, sobald mehr Erfahrungen vorliegen und in größeren Stückzahlen produziert werden kann. Die britischen Crown Estate, der die Rechte an den Küstengewässern gehören, scheint jedenfalls ziemlich optimistisch, dass die Gezeiten künftig angezapft werden können. Sie hat in bereits mehr als 40 Standorte vergeben. Die Crown Estate ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die die ehemaligen Besitztümer des Monarchen verwaltet. Ihre Einkünfte gehen überwiegend in den britischen Staatshaushalt. Seit 2011 steht ein Teil von derzeit 15 Prozent der Königin zu, der dafür aber die zuvor direkt aus dem Londoner Etat geleisteten Zuschüsse gestrichen wurden.