Welche Freiheiten im Netz?
Konferenz zum Thema "Freiheit und Internet" verstrickt sich in Diskussion über Kinderpornografie
Auf Einladung der Technischen Hochschule von Zürich und der Swiss Internet User Group haben gestern Nachmittag eine Reihe Fachpersonen - unter anderen Andy Müller-Maguhn und der stellvertretende Leiter der Internetpolizei in München - das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Internet ausgelotet. Zumeist bekannte Argumentationsstränge, die ansatzweise in spannende Richtungen wiesen. Die Diskussion wurde - nach der erfolgreichen Lancierung durch den Internetpolizisten - vom Thema Kinderpornographie als Metapher für alles Böse im Netz dominiert.
Keine Frage. Das Begriffspaar Internet und Freiheit ist ideologisch stark konnotiert und sorgt regelmässig für Diskussionsstoff beim Versuch das Verhältnis der beiden Reizwörter zueinander aufzudröseln. Ist nun das Netz als eine Sphäre zu verstehen, die gleichsam außerhalb politisch-staatlicher Organisierung existiert und deshalb einen ihr zu eigenen Freiheitsbegriff kennt? Oder aber ist das Internet nichts anderes als ein Spiegel der Gesellschaft mit all ihren hässlichen Begleiterscheinungen, die mit der ganzen Palette rechtsstaatlicher Zwangsmittel in Schranken gehalten werden sollen? Gestern Nachmittag hat sich eine Schar Fachmänner daran gemacht diesen Fragen nachzugehen. An der technischen Hochschule in Zürich trafen sich Experten aus der Juristerei, Vertreter der Provider- und Anwenderseite und behördlicherseits ein Internetpolizist.
David Rosenthal, Publizist und Dozent an der juristischen Fakultät der Uni Basel, positionierte sich gleich zu Beginn seines Referats als Vertreter der "Mitte" zwischen den Polen repressiv und liberal, was die Sanktionierung von unerwünschten Inhalten im Netz angeht. Solcherlei Einschränkung der Freiheit dürfe aber aus juristischer Sicht keinesfalls beim User oder beim Accessprovider stattfinden. Interventionsmöglichkeiten sieht Rosenthal hingegen bei den Hosting-Providern und der Domain-Namevergabe. In erster Linie soll hier der wirtschaftliche Druck spielen, so dass es sich ein bestimmter Anbieter nicht mehr leisten kann, gewisse Angebote feilzuhalten. Der Druck auf die Provider werde allerdings in Zukunft noch zunehmen, prophezeihte der Jurist. Getreu seiner einleitend erfolgten Positionierung sieht Rosenthal eine Mischform von staatlichem Handeln und ökonomisch bedingter Selbstregulierung, um strafbare Inhalte aus dem Netz zu verbannen.
Den liberalen Pol markierte Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club und Mitglied der Internetbehörde ICANN. Sein Plädoyer für das Internet als freiheitliches Medium gründet auf der Mündigkeit der User, die aufgrund der Spezifika des interaktiven Mediums auch Sender sind, die aktiv am Netz mitweben können und nicht wie zu Fernsehzeiten willfähriges Konsumvieh vor der Glotze sind. Für Müller-Maguhn gibt es nicht so etwas wie "problematischen Inhalte" im Internet, die einschränkende Maßnahmen nach sich ziehen müssen. Jedes Virus zum Beispiel sei letztlich von Nutzen, was das Aufdecken von Sicherheitslecks oder mangelhafte Einstellungen bei Softwareprodukten angehe. Als Voraussetzung für ein solches Verständnis des Internets bedürfe es allerdings einer Medienkompetenz, die einen befähige Inhalte zu bewerten.
André Oppermann hat als Vertreter der Provider mit seinem Referat am Symposium in Zürich eigentlich nur ein Ziel vor Augen gehabt: Die Zugangs- und Diensteanbieter als belangbare Stellen im Zusammenhang mit illegalen Inhalten aus dem Schussfeld zu manövrieren. Provider dürften nicht in die Rolle der Hilfspolizisten gedrängt werden. Ein richtiger Internetpolizist machte den Abschluss der Referate und markierte ganz den starken Staat, der gegen die grassierende Flut von Kinderpornografie und gewaltextremistischen Inhalten im Netz gewappnet sein müsse. Rainer Richard vom Kommissariat 343 des Polizeipräsidiums München verstieg sich sogar zu der These, dass das Internet neue Bedürfnisse im Bereich der gesellschaftlich unerwünschten Inhalte erst geschaffen habe. Nach dem Motto "Das Internet schafft seine Täter selbst", so Richard, müsse vor allem präventiv gehandelt werden. Die Beispiele für die kaum mögliche Durchsetzung von Verboten lieferte der Internetpolizist gleich selbst und relativierte damit das Bestreben mit harter Hand und Zensurmaßnahmen illegale Inhalte im Netz einzudämmen.
Nicht erst mit den Ausführungen des Münchner Polizisten war das Reizwort Kinderpornografie lanciert. Die anschließende Diskussion mit den Referenten kreiste - obwohl der Titel "Freiheit und Internet" lautete - rund um das Pfui-Thema und lieferte in der Folge kaum mehr originelle Ansätze.