Welt der Zombie-Gläubiger
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Geld- und Schuldenblase ohne Bezug zur Realwirtschaft: Wie geht es weiter?
Die Weltwirtschaft ist 2020 so stark eingebrochen wie noch nie seit 1945. Das Weltsozialprodukt ging um etwa 4,4 Prozent auf rund 84 Billionen (84.000 Milliarden) US-Dollar zurück. Zugleich sind die Schulden um etwa 20 Billionen auf ungefähr 277 Billionen Dollar Ende 2020 gestiegen. Die führenden westlichen Notenbanken haben 2020 frisches Geld in ungeheurem Umfang gedruckt. Steigende Schulden, steiler Anstieg der Geldmenge bei sinkender Wirtschaftskraft: Wie sollen die Schulden jemals zurückgezahlt werden? Wie soll der Geldwert stabil bleiben? Wie soll das alles gutgehen? Was kommt da auf uns zu?
Die Entwicklung der Geld- und Schuldenmenge
Seit Beginn der letzten Finanzkrise 2007 hat sich die Geldmenge in den Industrieländern in einem Ausmaß erhöht, das bis vor Kurzem allen Ökonomen als Irrsinn erschienen wäre. Praktisch alle führenden Notenbanken der westlichen Welt habe die Geldnotenpresse in historisch nie dagewesenen Umfang angeworfen und frisches Geld gedruckt. Die US-Federal-Reserve-Bank hat die Geldmenge seit 2007 etwa verneunfacht, die Europäische Zentralbank (EZB) hat sie versiebenfacht, die Bank of England verneunfacht, die Bank of Japan vervierfacht, die Bank of Canada versechsfacht, die Reserve Bank of Australia versechsfacht. Selbst die konservative schweizerische Notenbank hat die Geldmenge verachtfacht.
Der Gelddruckprozess erfolgte in zwei großen Wellen. Die erste Welle im Zuge Auswirkungen der Finanzkrise 2007/9, die zweite Welle, um die Folgen der Lockdownpolitik 2020/21 auf die Realwirtschaft so gut wie möglich abzufedern, das heißt, Wirtschaftsschrumpfung und Arbeitslosigkeit so stark wie möglich einzudämmen. Ohne das massive Aufblähen der Geldmenge, das Überfluten der Banken, Regierungen und großen Unternehmen mit Liquidität wäre die Wirtschaft sowohl nach 2007 wie 2020/21 sicherlich sehr viel schlimmer abgestürzt, als sie es tatsächlich tat.
So gesehen war das Gelddrucken ein großer Erfolg. Es kam weder nach 2007 noch 2020 zu einer sich selbst verstärkenden Wirtschaftsdepression. Die Notenbanken haben die Lektion der Jahre 1929 bis 1932 gelernt. Damals wurde kein frisches Geld gedruckt, die Zinsen nicht auf Null gesenkt, was die Welt in eine vieljährige Deflation, Depression, Massenarbeitslosigkeit und schließlich Krieg gestürzt hat.
Aber nicht nur die Geldmenge hat in den letzten 14 Jahren dramatisch zugenommen. Auch die Schulden, insbesondere die Staatsschulden, sind im Zuge der Lockdowns 2020 in einem fast nie dagewesenen Umfang gestiegen. Vom dritten Quartal 2019 bis zum dritten Quartal 2020 sind die Schulden weltweit um 20 Billionen Dollar (20.000 Milliarden) gestiegen, das entspricht knapp einem Viertel des Weltsozialprodukts. Für Ende 2020 wird die weltweite Verschuldung auf 277 Billionen Dollar geschätzt Bei einem Weltsozialprodukt von etwa 84 Billionen Dollar entspricht das ungefähr 330 Prozent des Weltwirtschaftskraft. Sollten also alle Schulden zurückgezahlt werden, so müssten alle Werktätigen der Welt fast dreieinhalb Jahre lang ohne Lohn und Gehalt arbeiten und alle Wertschöpfung an die Gläubiger abgeben.
Da etwa die Hälfte der Finanzvermögen auf die oberen ein Prozent der Erdbevölkerung entfallen, hieße das konkret, dass die unteren 90 Prozent der Welt über eineinhalb Jahre ohne Einkommen arbeiten müssten, um den oberen ein Prozent ihre Ausleihungen zurückzuzahlen. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand betrachtet ist das unmöglich. Für mich als ehemaligen Investmentbanker heißt das: Es wird zu ziemlich hohen Schuldenausfällen kommen. Kurz: Die Schulden können auf keinen Fall auch nur annähernd in voller Höhe zurückgezahlt werden, wir leben in einer ziemlich großen Schuldenblase.
Geld- und Schuldenberg ist nicht mehr durch Wirtschaftskraft gedeckt
Geld, sei es in Form von einem Geldschein oder auf dem Girokonto ist ein Anspruch auf eine zukünftige reale Wirtschaftsleistung. Konkret: Wenn ich einen Zehn-Euro-Schein in der Hand habe (oder auf dem Girokonto), so glaube ich, dass ich mir in Zukunft den Gegenwert dieser zehn Euro in eine reale Wirtschaftsleistung eintauschen werde können, sei es in Pizza oder einen Haarschnitt.
Gleiches gilt für einen Schuldschein. Wenn ich ein Schuldpapier habe, sei es ein Sparbuch, eine Staatsanleihe oder eine Unternehmensanleihe, so glaube ich, dass ich mein verliehenes Geld vom Schuldner später zurückbekomme und ich mir als Gegenwert Pizza oder einen Haarschnitt dafür kaufen kann. Alles Geld und alle Schulden beruhen also auf einem Glauben, (das Wort Kredit kommt vom lateinischen credere, glauben), auf Vertrauen.
Nun ist der Geldberg in den letzten 14 Jahren aber grob sieben- bis achtmal so stark gewachsen wie die reale Wirtschaftskraft; und auch die Schulden sind deutlich stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Mit anderen Worten: Den Geldscheinen steht heute nicht mehr annähernd so viel reale Wirtschaftskraft gegenüber wie früher - und auch den Schuldpapieren stehen deutlich weniger reale Güter gegenüber als zuvor. Die Inhaber der Geld- und Schuldpapiere glauben aber offenbar immer noch, dass sie eines Tages ihr Geld real zurückbekommen und in reale Wirtschaftsgüter umtauschen können. Das ist aber längst eine Illusion, ein Irrglaube.
Das ungehemmte Geldausgeben der Bundesregierung (und vieler anderer Regierungen) über neue Schulden, die dann wieder zum guten Teil von der Notenbank durch frisches Gelddrucken finanziert werden, beruht darauf, dass Menschen, die vorher Geldguthaben oder Schuldscheine, beispielsweise Ersparnisse, hatten, teilweise enteignet werden. Denn jeder neue Geld- oder Schuldschein, der dazukommt, ohne dass sich die reale Wirtschaftskraft erhöht, entwertet ein klein wenig die bestehenden Geld- und Schuldscheinbestände. Das liegt daran, dass mit jedem neuen Geld- oder Schuldschein die Anspruchsrechte auf die realen Wirtschaftsgüter steigen. Die Leute merken das aber nicht sofort, weil es ein schleichender Prozess ist.
Dem frisch gedruckten Geld und dem steigenden Schuldenberg steht aber keine steigende Wirtschaftsleistung gegenüber. Im Gegenteil ist die reale Wirtschaftskraft 2020 dramatisch um etwa 4,4 Prozent zurückgegangen Das ist der stärkste Weltwirtschaftsabsturz seit Kriegsende. Zum Vergleich: nach der Finanzkrise ging die Weltwirtschaftskraft 2009 nur um 1,7 Prozent zurück.
Kurz: Es wurden 2020 enorm viele neue Papiere in die Welt gebracht, die einen Anspruch auf eine Wirtschaftsleistung darstellen, die gar nicht vorhanden ist. Viele Geld- und Vermögensinhaber leben also in einer Illusion, dem Irrglauben, dass ihre Geld- und Anleihedepots noch voll werthaltig sind. Das sind sie aber schon längst nicht mehr. Wir leben in einer Welt von Zombie-Gläubigern.