Weltmacht gegen Klima: Wie die USA mit Energiesicherheit Geopolitik machen

Seite 2: Energiesicherheit ist Preissicherheit

Unter Energiesicherheit verstanden die USA die Gewährleistung eines ungestörten Ölflusses zu akzeptablen, d.h. möglichst niedrigen Preisen.

Beides lässt sich durch die umfassende Kontrolle möglichst vieler Ölstaaten des Globalen Südens erreichen, vor allem von Ländern wie Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait im Nahen Osten bis Venezuela in Südamerika.

Die so verstandene Energiesicherheit wurde für mehrere Jahrzehnte zu einem der wichtigsten sicherheits- und außenpolitischen Mantras der USA und der Nato.

Die Carter-Doktrin etwa ist ein wichtiger Beleg für den Anspruch der USA, die Energiesicherheit der westlichen Staaten für alle Zeiten gewährleisten zu wollen.

Der damalige US-Präsident Jimmy Carter erklärte in seiner Rede an die Nation im Januar 1980, wenige Monate nach dem Sturz des von den USA abhängigen Schah-Regimes im Iran:

<Um unsere Position absolut klarzumachen : Jeder Versuch einer anderen Macht, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, wird von uns als Angriff auf die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet. Ein solcher Angriff wird mit allen erforderlichen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt, abgewehrt werden.

Unter den Verbündeten der USA hat es nie einen Zweifel daran gegeben, dass es die Vereinigten Staaten sind, die die angeblich so grundlegende Energiesicherheit für ihre Volkswirtschaften gewährleisten können.

Alle westlichen Ölverbraucherstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich usw. in Europa, Japan und Südkorea in Asien, selbst ihrem Wesen nach imperialistische Staaten, nahmen fortan freiwillig in Kauf, dass es auch in ihrem Interesse war, dass die USA eine Sonderrolle, eine superimperialistische Position einnahmen, der sie sich freiwillig unterzuordnen hatten.

Dies ist auch ein wesentlicher Grund für die offensichtliche Abhängigkeit und teilweise bedingungslose Gefolgschaft westlicher Staaten gegenüber den USA in fast allen sicherheitspolitischen Fragen und in allen Kriegen, die die USA in den letzten Jahrzehnten geführt haben.

Neben der Herstellung von Sicherheit in der Ära des Kalten Krieges wurde so die Herstellung von Energiesicherheit zur wichtigsten Grundlage und zu einem festen, aber unsichtbaren Bestandteil der US-Hegemonie.

In Wirklichkeit bedurfte weder der freie Handel mit Öl noch mit anderen Gütern eines militärischen Schutzes.

Die USA hatten jedoch ein fundamentales Interesse daran, unter dem Vorwand der Energiesicherheit einen freien Ölhandel zu fairen, d.h. steigenden Preisen zu verhindern und stattdessen ein System von Öldumpingpreisen zu etablieren.

Mitverantwortung der US-Hegemonie für die Klimakrise

Unter den Bedingungen von Freihandel und fairen Preisen für alle Güter in der Weltwirtschaft, also in dieser rein hypothetischen Betrachtung, wäre die Welt nicht per se zum Paradies geworden.

Aber aller Wahrscheinlichkeit nach wären der Menschheit durch eine freie Weltwirtschaft ohne Kolonialismus und Imperialismus viele Unglücke und Katastrophen wie die beiden Weltkriege, der Faschismus, der Holocaust, die Blockkonfrontation, alle Kriege und Interventionen wie der Vietnamkrieg, die Kriege im Nahen Osten, die Israel-Palästina-Kriege usw. erspart geblieben.

Denn die Hauptursache der globalen Konflikte ist die tatsächliche oder empfundene Ungerechtigkeit und die erlebte Ohnmacht gegenüber den bestehenden Machtungleichheiten in den zwischenmenschlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen. Kolonialismus und Imperialismus bilden letztlich den historischen Rahmen für die gewaltsame Durchsetzung von Ungleichheit in der Nutzung und Verteilung von Ressourcen und Einkommen.

Kolonialismus und Imperialismus haben, wie oben am Beispiel des Energiesektors begründet, nie einen freien Handel zu fairen Preisen zugelassen.

Die unfairen Öldumpingpreise im Energiesektor der letzten sieben Jahrzehnte haben aber nicht nur den Ölbesitzern des Globalen Südens geschadet, sondern auch der gesamten Menschheit die Klimakrise beschert, ein Aspekt, der in der Forschung wie in der öffentlichen Debatte bisher fast völlig ausgeblendet wird.

Denn das unsägliche Interesse der USA an der Kontrolle des Mittleren Ostens beruhte nachweislich kaum auf den Ölimporten aus dieser Region für die eigene Wirtschaft, wie in der Literatur immer wieder behauptet oder stillschweigend unterstellt wurde.

Tatsächlich deckten die USA ihren Ölbedarf zu einem großen Teil durch Importe aus Mexiko und nur zu einem geringen Teil aus dem Nahen Osten, vor allem aus Kuwait und Saudi-Arabien.

Das Hauptinteresse der USA an den Ölquellen des Nahen Ostens bestand, wie oben dargestellt, darin, durch die gewaltsame Kontrolle der Ölstaaten des Globalen Südens für eine Überproduktion und Dumpingpreise zu sorgen, die bis zur Ölkrise von 1973/74 tatsächlich über ein halbes Jahrhundert auf dem Niveau von zwei US-Dollar pro Barrel stabil blieben, um den Verbündeten die eigene Hegemonie plausibel zu machen.

In diesem Zusammenhang spielte die politische Kontrolle Saudi-Arabiens und anderer kleinerer Ölstaaten am Persischen Golf mit ihren riesigen Ölvorkommen und einem Weltmarktanteil von 20 Prozent eine herausragende Rolle.

Ein Anruf des US-Präsidenten bei König Saud hätte in der Regel genügt, um Saudi-Arabien bei drohender Ölknappheit zu einer Erhöhung der Ölproduktion zu bewegen, was heute nicht mehr selbstverständlich ist.