"Weltuntergänge haben eine gewisse Tradition bei den Deutschen"
Seite 2: "Abgesunkene Schichten des Kollektivbewusstseins"
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Welche geistigen Verbindungen existierten für Pohrt zwischen den Grünen, beziehungsweise dem Alternativmilieu und den Nationalsozialisten?
Klaus Bittermann: Wolfgang Pohrt hat sich etwas genauer mit den Verbindungslinien 1984 beschäftigt in einem weitgehend unbeachtet gebliebenen Aufsatz von der "Wiederkehr des Gleichen", als er sich mit dem Buch Ein Volk, ein Reich, ein Führer über die völkischen Ursprünge des Nationalsozialismus von George L. Mosse beschäftigte.
Mosse hatte die völkische Ideologie untersucht, die sich wie Pohrt feststellte in den Programmen, in Äußerungen und in der Ideologie der Grünen wiederfinden lassen, etwa in der Behauptung "erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch".
Die damals aufkommende "Zurück zur Natur"-Ideologie machte aus dem Wald, also aus Natur, einen Bedeutungsträger, der in den abgesunkenen Schichten des Kollektivbewusstseins wieder eine mythische Rolle zu spielen begann. In der Alternativszene beschäftigte man sich nicht mehr mit Klassenkampf, sondern mit dem verlorenen Wissen untergegangener Kulturen von Hexen, Indianern und Schamanen.
Wie konnte sich diese irrationale grüne Ideologie aus dem linksalternativen Milieu der frühen 1980er dermaßen hegemonial im ganzen Land ausbreiten?
Klaus Bittermann: Eine Frage, die ich nicht wirklich beantworten kann. Vielleicht, weil es einfacher ist, auf seine Gefühle zu hören als auf seinen Verstand? Auch die Suche nach Identität spielt da vermutlich eine Rolle. Man entgeht da der Anstrengung, etwas begreifen zu wollen und schürft stattdessen im eigenen Ich. Aber das Ich, das nicht mehr in der Lage ist, von sich zu abstrahieren, ist immer anfällig für das Naturhafte, das Irrationale, das Gefühlige.
Dadurch kommen solche Missverständnisse zustande, dass die Klimaaktivisten "den Planeten retten" wollen, in Wirklichkeit aber sich selbst, denn der Planet kommt auch ohne Menschen aus.
Gab es für Pohrt so etwas wie einen deutschen Nationalcharakter?
Klaus Bittermann: Zumindest eine nationale Identität, die sich in der bürgerlichen Gesellschaft herausgebildet hat. Der im Begriff bereits enthaltene Nationalismus ist die granitene Basis.
Das Spezifische, Ahistorische ist gerade seine Besonderheit, seine Eigenart, und sie erklärt, wieso er unter wechselnden Bedingungen immer derselbe bleiben konnte und dabei so zeitlos wie modern, von gleichbleibender Antiquiertheit und Aktualität in einem.
Wolfgang Pohrt
Ein besonderes Augenmerk richtete Pohrt auf die linke Israelkritik in Deutschland. Was war seine Position?
Klaus Bittermann: Eine linke Israel-Kritik gab es schon in den 1970ern, aber 1982 wurde sie mit dem Libanonkrieg virulent. Man warf den Israelis eine "Ausrottungspolitik der Palästinenser" vor und machte sich Gedanken darüber, wie man einen Stillstand der israelischen Kriegspolitik bewirken könne.
Da es aber eine Geschichte gab, in der die Deutschen die Täter waren, warf Pohrt den von historischer Schuld sich frei wähnenden Linken vor, dass sie sich quasi das "Sorgerecht" und die "Vormundschaft" aneignen wollten. Als Söhne der Nazieltern verpflichte der Massenmord an den Juden Deutschland dazu, "Israel mit Lob und Tadel moralisch beizustehen, damit das Opfer nicht rückfällig werde." (Wolfgang Pohrt)
Können Sie zum Schluss noch eine Einschätzung abgeben, was Wolfgang Pohrt von "Fridays For Future", der Woke-Bewegung, dem Postkolonialismus und dem Gendertum gehalten hätte?
Klaus Bittermann: Vermutlich nicht viel. Interessant wäre seine Einschätzung gewesen. In jedem Fall hat sich an der Gültigkeit seiner Kritik hinsichtlich solcher Phänomene und Bewegungen wenig geändert, soweit sie sich von der Angst leiten lassen, denn Angst ist nicht nur ein schlechter Ratgeber, sondern immer reaktionär, wenn sie zum Leitfaden der Politik und des Handelns wird.