Weltweite Netzdemo der Bilder gegen Krieg und Zensur

Bilderstreit statt Political Correctness

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Während die Medien dem Verhandlungs-Schauspiel zwischen Bagdad, UN-Sicherheitsrat in New York und dem Weißen Haus in Washington immer neue wahnwitzige Nuancen abgewinnen, bilden sich verschiedenste Protestformen auch im Internet gegen den absehbaren Kriegskurs der USA und ihrer Verbündeten aus.

Darunter MoveOn , von Hollywood-Größen wie Dustin Hoffmann, Martin Sheen und Sean Penn, der sogar nach Bagdad reiste (vgl. Schändliches Vermächtnis. Hierbei geht es um die telefonische Belagerung der Regierungsmitglieder, Senatoren und Abgeordneten, wie sie auch Michael Moore in "Stupid White Men" gefordert hat. Es ist bezeichnend, dass George W. Bush diese Aktionen allesamt mit dem Spruch gekontert hat:

Ein mieser Hollywoodfilm. Den möchte ich nicht noch mal sehen.

Netzdemo der Bilder gegen Krieg und Zensur

Gut. Die Zensur von missliebigen Bildern steht unmittelbar bevor. Der neueste Golf-Krieg wird uns nur das in die Wohnzimmer bringen, was der letzten Supermacht genehm ist. Und selbst die kritischen Kommentatoren können den Bildverlust kaum ersetzen. Die Kölner Galerie Lichtblick hat daher einen anderen Aufmerksamkeits-Focus für den Protest gegen den Krieg gewählt: "Images against war, Bilder gegen Krieg".

Unter diesem Titel hatte Tina Schelhorn zur Ausstellung in der Galerie professionelle Fotografen eingeladen. Unter dem Druck des anstehenden Krieges direkt per E-Mail. Die elektronische Kommunikation hatte Folgen: Sofort entwickelte sich das Projekt zur Demonstration im Netz, zum Aufstand zahlloser Bilder, die seit 20. Februar 2003 unter der Adresse www.imagesagainstwar.com eindrucksvoll versammelten.

Die beteiligten Fotografen erkannten die Chance einer visuellen Plattform gegen Krieg und Zensur: Ein schnell erreichbarer, flexibler nutzbarer und vor allem unzensierter Ort mit Aussagekraft. Für Fotografien, die frei nebeneinander ins Netz gestellt werden und bei denen sich künstlerische Qualität, politischer Widerstand und journalistische Aktualität gegenseitig verstärken können.

Jetzt stoßen zu dieser Aktion tagtäglich neue Bilder aus aller Welt: Es melden sich Fotografen aus Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Haiti, Holland, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Kuba, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Spanien, USA...

Bilderstreit statt Political Correctness

Die Bildproduzenten verfolgen recht unterschiedliche Aussagestrategien, um dem Ziel der Kampagne "Bilder Gegen Krieg" gerecht zu werden. Political Correctness wird ausgeschlossen. Meinungsfreiheit und Streitkultur stehen im Vordergrund, werden aber per Bild und nicht durch Wort ausgetragen. Das gemeinsame Credo: Nur ein Bilderstreit kann Zensur und Krieg verhindern. Tina Schelhorn nennt folgende thematische Perspektiven:

Die Bilder...

  1. protestieren gegen die Grausamkeit des Krieges,
  2. wenden sich gegen die Zensur globaler Kriegsberichterstattung,
  3. zeigen offen und unzensiert seelische und körperliche Wunden,
  4. spiegeln die paramilitärische Schnelllebigkeit des Medienzeitalters wider,
  5. prangern die Gier nach ständigen Katastrophen an,
  6. ironisieren Action- und Kriegsfilm-Muster,
  7. erinnern an zivile Möglichkeiten der Koexistenz,
  8. appellieren an Chancen des friedlichen und toleranten Zusammenlebens.

Während das Fernsehen die Bildgeschwindigkeit immer weiter erhöht, fordern die Internet-Fotos Augenblicke der Muße, Reflektion und Kritik ein. Sie provozieren persönliche Kommentare der Betrachter. Unter den bisher 250 eingegangenen visuellen Statements von zum Teil weltweit renommierten Fotografen fallen z.B. die medienkritischen und satirischen Inszenierungen aus Beijing, China auf.

Chinesische Künstler bilden Avantgarde

Quinsong Wang stellt den "langen Marsch zum Kapitalismus" dar als Feldzug mit den Marken-Insignien der Zukunft. Ein respektlos-ironisches Selbstporträt des Künstlers als Soldat. Liu Jin transformiert in einem kondensierten Remake die Kriegs- und Terror-Erfahrung des Vietnam-Kriegs. Er importiert sie über alle alten ideologischen Schützengräben hinweg mitten in die chinesische Metropole. Wie eine irrwitzige Jugend-Werbe-Szene aus einem MTV-Clip wird die historische Erschießung eines nordvietnamesischen Offiziers durch den Polizeichef von Saigon und die Erinnerung an ein von Napalm entstelltes Mädchen, das die Entrüstung gegen den Krieg in die freie westliche Welt trug, in einer Einstellung verdichtet. Feng Mengbo hat bereits auf der letztjährigen Documenta durch seine Auseinandersetzung mit den PC-Kriegs-Spielen für Aufsehen gesorgt. Auch in diesem Anti-Kriegs-Beitrag liefert er eine, keineswegs friedliche, 3-D-Animation, in der er selbst als Actionheld auch in höchst bedrängter Lage auftritt.

Der entscheidende ästhetische und politische Reibungspunkt aller "Bilder gegen Krieg" ist die Frage: Gelingt die Visualisierung des "GEGEN"? Oder bleibt es bei George W. Bushs schlechtem "Film", dem Golfkriegs-Remake?