Wenig Zuckerbrot, viel Peitsche

Für das verstärkte Engagement in Afrika setzt Brüssel restriktive Bedingungen. Das ist Teil der Reform der EU-Entwicklungspolitik

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In der EU-Zentrale macht man offensichtlich Ernst: Auf ihrer Tagung am Montag und Dienstag kündigten die EU-Außenminister Zwangsmaßnahmen gegen die Regierung in Simbabwe an. Zwar stehen Robert Mugabe und dessen Kabinett schon seit Jahren wegen der von Brüssel in dem südafrikanischen Land verorteten Menschenrechtsverletzungen und Demokratiedefizite in der Kritik Brüssels. Für mehr als verbale Verurteilungen hat es aber bislang nicht gereicht. Nach der von der EU-Kommission angekündigten Reform der Entwicklungshilfe will nun aber offenbar auch der Ministerrat Nägel mit Köpfen machen und das Vorhaben nicht durch Tatenlosigkeit torpedieren.

In der vergangenen Woche hatte Brüssel weitreichende Veränderungen der Entwicklungszusammenarbeit angekündigt. Vorrangiges Ziel der neuen Politik sei die Minderung der Armut im Einklang mit den Millenniumsentwicklungszielen, heißt es in einer von der Brüsseler Kommission verabschiedeten Mitteilung. Erstmals in der EU-Geschichte soll “ein gemeinsamer Rahmen für die Ziele, Werte und Grundsätze“ geschaffen werden, die sowohl für die einzelnen Mitgliedsstaaten als auch für die verschiedenen EU-Institutionen bindend sein sollen. Zudem fordert Brüssel, dass von der EU-Entwicklungspolitik künftig alle Länder der so genannten Dritten Welt erfasst werden.

Mit dieser Formulierung kam die Kommission offensichtlich auch der britischen Regierung entgegen, die die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie für Afrika und die Verdoppelung der Entwicklungshilfe der Gemeinschaft zu einer Priorität ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft erklärt hat. Eher unverbindlich hatte auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Anfang Juli auf dem Gipfel der Afrikanischen Union im libyschen Sirte einen “neuen ”euro-afrikanischen Pakt“ angeregt.

Kriterien für den Erhalt von Entwicklungshilfe werden strenger

Nach Ansicht der EU-Kommission könnte das Dokument zur modernisierten Entwicklungspolitik noch in diesem Jahr verbindlich werden. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung von EU-Ministerrat und Europaparlament (EP). Zumindest bei den „europäischen Volksvertretern“ dürften Entwicklungskommissar Louis Michel und dessen Emissäre offene Türen einrennen: Schon zu Monatsbeginn hatten die Abgeordneten die Vorhaben Londons im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit ausdrücklich begrüßt. Das Vereinigte Königreich solle seinen Vorsitz in EU und G8 dazu nutzen, “die Armut ganz oben auf die internationale und europäische Tagesordnung zu setzen”.

Ganz so leicht sollen die Entwicklungsländer aber nicht an die Entwicklungs-Euro kommen: Als Bedingung nannten die Parlamentarier in ihrer Entschließung unter anderem Kriterien wie “vernünftige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen, Achtung der Menschenrechte und der internationalen Verpflichtungen, Gleichstellung der Geschlechter, angemessenen Handels- und Investitionsvorschriften. Mit einem zu entwickelnden Überwachungsmechanismus sollen Rat und Kommission sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten diesen Verpflichtungen nachkommen.

Seit einigen Jahren legt die EU die Hürden für den Erhalt von Entwicklungshilfe immer höher. Bereits im Abkommen von Cotonou – dem im Juni 2000 unterzeichneten Nachfolger des Lomé-Vertrags über die Zusammenarbeit von EU und Entwicklungsländern – war “good governance” als zentrale Voraussetzung der „Partnerschaft“ fixiert worden. Nicht zu Unrecht kritisierten die so genannten AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) jedoch, dass in der einseitigen Festsetzung der Bestimmungen die alte Kolonialherrenmentalität zum Vorschein kam. Zudem sind die vom Norden vorgegeben Kriterien je nach Gutdünken auslegbar. So konnten sich Diktatoren, wie z. B. Mobuto Sese-Seko, der sich nicht nur massiver Bereicherung und Korruption, sondern auch massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatte, nicht nur jahrelang unbehelligt in Europa bewegen, sondern wurden mehr oder weniger offen unterstützt. Und auch der ins EU-Visier geratene Staatschef Simbabwes reiste im April unbehelligt zur Papstbeisetzung nach Rom.

Trotzdem ist gerade die offensichtlich beabsichtigte Aufwertung des schwarzen Kontinents bemerkenswert. In der Vergangenheit hatten die EU-Staaten verstärkt ihre Beziehungen zu Lateinamerika und Asien ausgebaut. Geschuldet war die Verlagerung der regionalen Schwerpunkte wesentlich der fehlenden Kohärenz in der europäischen Entwicklungspolitik. So ist die Kompetenz in diesem Bereich zwischen Brüssel und Mitgliedsländern geteilt, in der EU-Zentrale existieren zudem eine Vielzahl von entsprechenden Programmen, Fonds und Abteilungen.

Korrekturen an der Schieflage der Entwicklungspolitik

Ihren Ursprung haben die Missstände in der Geschichte der EU. Mehr zwangsweise als gewollt fand die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten Eingang in die Gemeinschaftspolitik: Mitte der 1950er Jahre brachten Frankreich, Belgien, Italien und die Niederlande auch die Sonderbeziehungen zu ihren ehemaligen Kolonien mit in die EU; die „Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete“ wurde als eigener Titel in das EWG-Vertragswerk aufgenommen. Praktisch resultierte daraus eine Schieflage der Entwicklungspolitik – der Assoziierungskurs blieb im Wesentlichen auf die abhängigen Gebiete in Westafrika beschränkt. Erst mit dem EG-Beitritt Großbritanniens 1973 weitete sich der Horizont der Gemeinschaft in Richtung karibischer und asiatischer Commonwealth-Staaten. Ende der 1990er Jahre, als sich die ostasiatische Wirtschaft rasant entwickelte und Lateinamerika als Absatzmarkt an Attraktivität gewann, wurde Afrika weitgehend ausgeblendet. Zumal der schwarze Kontinent auch seine Bedeutung als Nebenschauplatz im Kalten Krieg verloren hatte.

London geht es nun offensichtlich darum, im wahrsten Sinne des Wortes wieder verstärkt mit seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien ins Geschäft zu kommen. Nicht zuletzt, weil gerade in diesen Staaten die Ölquellen sprudeln. Schon heute steht das Königreich bei den Direktinvestitionen in so genannten Drittstaaten (wobei sich dies nicht nur auf die AKP-Länder bezieht) an erster Stelle in der EU.

Dass die Entwicklungszusammenarbeit aber insgesamt einen höheren Stellenwert in EU-Europa erhält, ist keineswegs sicher. Der – allerdings auf Eis liegende – Verfassungsvertrag, die wichtigste Weichenstellung für die kommenden Jahrzehnte, widmet dem Bereich gerade einmal drei Artikel. Selbst für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist das „sehr kurz gehalten“.